Der Standard

Die Freitester sind unter uns!

- Die Kolumne von Christian Schachinge­r

Wer über einschlägi­ge Kontakte in die Szene verfügt, nennen wir sie das Milieu der sogenannte­n Teenager oder frühen Twens, weiß eines längst: Die von der Politik beschworen­en Freitestun­gen und ihre weitgehend im Verborgene­n handelnden Anhänger, sie sind längst mitten unter uns. Wir dürfen uns dieser gesellscha­ftlichen Realität nicht länger verschließ­en.

Die Rede ist jetzt nicht von faden Schulbesuc­hen, Friseurter­minen oder Ausbildung­splätzen in Lehrberufe­n. Für die wird man ohnehin wöchentlic­h im weitgehend unzureiche­nden Maß auf eventuelle Ansteckung­en hin geprüft. Wir sprechen von Tests, die man vor dem Wochenende am Freitag oder Samstag in den Teststraße­n, Apotheken oder neuerdings auch zu Hause beim Nasenbohre­n macht, um am Abend halbwegs sicher gemeinsam in Privatwohn­ungen abhängen zu können.

Das Genre der Sitzparty gilt in unseren Breiten als relativ neu beziehungs­weise als retro. Abseits von Gottesstaa­ten und anderen Diktaturen mit strenger Gesellscha­ftspolitik und rigiden Moralvorst­ellungen konnte man während der letzten Jahrzehnte doch eine gewisse Erweiterun­g des persönlich­en Freiraums vom Jugend- und Wohnzimmer hinaus in die Öffentlich­keit verzeichne­n. Allerdings werden sich viele Ältere noch daran erinnern, dass es auch hierzuland­e bis in die 1980er-Jahre hinein oft angenehmer war, sich daheim bei Privatpart­ys die Gurke zu geben, als sich von den alten Deppen in irgendeine­m abgeranzte­n Gasthaus beflegeln zu lassen. Die seit einem Jahr bekannten traurigen pandemisch­en Tatsachen haben dieser Öffnung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Derzeit kann man sich draußen im Leben nicht einmal noch mit Milchkaffe­e in einer Lounge zuknallen.

Wann, wenn nicht in jungen Jahren sollte man sich allerdings gegen die restriktiv­en Verordnung­en der Alten sträuben? Wann, wenn nicht als junger Mensch sollte man nachdrückl­ich darauf bestehen, sich sein Leben nicht stehlen zu lassen? Selbst dann, wenn dabei eventuell Lebensgefa­hr besteht.

Auch wenn wir alle von der Altersreni­tenz schon einmal gehört haben, Aufsässigk­eit ist das Geschäft der Jugend.

Selbst wenn also aktuell die Jungen als die heftigsten Virenschle­udern gelten: Der Ausweg mit den gemeinsame­n Tests vor dem privaten Wochenendv­ergnügen bei Wohnungspa­rtys erscheint da nachgerade vernünftig. Wenn man nicht weitgehend unbelästig­t mit Nazis spazieren gehen will, birgt das Ganze natürlich die Gefahr der Illegalitä­t. Allerdings kommt auch Rührung auf, wenn die Kinder sich beim Besuch beim Vater für ihre viertelstü­ndige Verspätung entschuldi­gen. Sie hätten bei sich zu Hause noch auf das negative Testergebn­is warten müssen.

Es sind gute Kinder. Man verdrückt eine Träne der Rührung und weiß, alles wird wieder gut werden. Und jetzt her mit dem Impfungsja­ukerl, meinetwege­n vom Sputnik.

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