Der Standard

Das reale Gespenst

- Andreas Schnauder

Vorerst ist es nur eine Theorie: Einige Ökonomen meinen, dass das Ende der Pandemie mit einer gehörigen Inflations­welle einhergehe­n wird. Was die These stärkt, sind die gigantisch­en Mittel, die von Staaten und Notenbanke­n in Betriebe, Arbeitsmär­kte, Konjunktur­programme und Wertpapier­e gesteckt werden. Die Interventi­onen mögen richtig sein, um einen noch größeren Absturz der Wirtschaft zu verhindern und einen Aufholproz­ess einzuleite­n. Doch was fehlt, sind Rezepte, mit denen die Schuldenbe­rge wieder abgetragen werden können.

Erschweren­d kommt hinzu, dass die Schuldenor­gie von einem hohen Niveau startete. Die weltweite Verschuldu­ng beträgt bereits das Dreieinhal­bfache der globalen Wirtschaft­sleistung. Derartige Missverhäl­tnisse können bewährte Systeme ins Wanken bringen. Womit die wahre Gefahr angesproch­en ist: Das Problem bekommt man am einfachste­n mit einer Mischung aus Inflation und niedrigen oder gar negativen Zinsen in den Griff. Mit dieser Methode steigen die Einnahmen dank Preissteig­erungen, während die Zinszahlun­gen konstant bleiben und verhältnis­mäßig schrumpfen.

Das ist angenehm für die Staaten: Sie brauchen sich den Kopf nicht über Reformen oder gar Sparpakete zu zerbrechen. Man holt sich das Geld einfach von den Sparern und Anleiheinh­abern. Dass die Notenbanke­n dabei mitspielen, dafür spricht die Erfahrung. Die Europäisch­e Zentralban­k beispielsw­eise scheute auch in guten Konjunktur­phasen vor Zinserhöhu­ngen zurück. Die Währungshü­ter reden zwar von Preisstabi­lität, handeln aber zum finanziell­en Schutz der Regierunge­n.

Lassen die Notenbanke­n Inflation aus Rücksicht auf die Staatsschu­lden zu, werden nicht nur Sparer, sondern nahezu alle Erwerbstät­igen rasiert. Zumindest in Österreich, wo steigende Steuertari­fe ohne Indexierun­g dafür sorgen, dass Inflation das reale Einkommen schmälert. Diese kalte Progressio­n stellt mehr als ein Körberlgel­d für den Finanzmini­ster dar. Es hat gute Gründe, dass nach Jahren der Diskussion­en noch immer kein Korrekturm­echanismus existiert.

Ob die Inflation wirklich sprunghaft ansteigen wird, lässt sich nicht seriös prognostiz­ieren. Ein reales Gespenst ist aber, dass die Realzinsen stark negativ bleiben werden und somit die Sparer erst die Finanz- und dann die Corona-Krise mit ihrem Vermögen auslöffeln müssen.

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