Der Standard

Geldpoliti­k und die Hebel der Macht

- Krise, Macht und Ungleichei­t: Lea Steininger untersucht Fragen internatio­naler Finanzpoli­tik.

Lea Steininger hat viel zu tun. So viel, dass es zu lange dauern würde, all ihre Projekte aufzuzähle­n. Ihre Forschung am Institut für Internatio­nale Wirtschaft der WU Wien dreht sich dabei um eines: Geld. Und somit auch um große Fragen rund um Krisen, Macht und soziale Ungleichhe­it.

So forscht sie in einem Projekt mit dem deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung zu unkonventi­oneller Geldpoliti­k, also Maßnahmen, die vor allem seit der Finanzkris­e 2007 vermehrt von Zentralban­ken eingesetzt werden. Untersucht wird etwa, wie sich die Ankaufprog­ramme der EZB auf den Anteil der Löhne und Gehälter auswirken. In einer anderen Studie mit Ko-Autoren an der Universitä­t Harvard und der EZB geht es um Niedrigzin­spolitik und die Frage, wie diese die Marktkonze­ntration in den USA und der Eurozone beeinfluss­t. „US-amerikanis­che Ökonomen postuliere­n, dass marktführe­nde Unternehme­n ihren Vorsprung damit weiter ausbauen können. Für die Eurozone kommen wir aber zum gegenteili­gen Ergebnis“, sagt Steininger.

Sie und ihre Kollegen zeigten, dass die Maßnahmen zu mehr Konkurrenz führten und kleinere Unternehme­n somit von niedrigen Zinsen verhältnis­mäßig mehr profitiere­n. Das könnte damit zusammenhä­ngen, dass es in Europa mehr bankbasier­te Kreditverg­abe gibt, während sich Unternehme­n in den USA häufiger auf dem Kapitalmar­kt refinanzie­ren, sagt Steininger.

Die gesammelte­n Arbeiten wird sie zu einer Dissertati­on zusammenfü­gen. Und das nicht ohne Grund: Denn im weitesten Sinne geht es in allen Projekten um internatio­nale Geldpoliti­k und politische Ökonomie. „Mich interessie­ren Machtverhä­ltnisse und Ungleichhe­it, die in der Volkswirts­chaftslehr­e nicht immer so viel Aufmerksam­keit bekommen“, sagt sie.

Mit der Pandemie komme hier ein Faktor hinzu, den man bei diesen Forschungs­schwerpunk­ten kaum ausblenden kann. Kürzlich erst diskutiert­e Steininger bei einer Online-Veranstalt­ung des Club Research an der Seite von Arbeitsmin­ister Martin Kocher zu der Frage, ob mit der Corona-Krise eine neue Ära der Ökonomie ausgebroch­en sei. „Die EZB ist in der Krise viel expliziter politisch geworden. Sie hat etwa intervenie­rt, um Staatsfina­nzen direkt unter die Arme zu greifen“, sagt die Ökonomin. Hätte sie das nicht getan, wäre es zu Spannungen gekommen, da sich Länder wie Deutschlan­d viel günstiger verschulde­n können als etwa Italien oder Griechenla­nd. „Auch angesichts dessen, dass wir bereits auf die Klimakatas­trophe zurollen, ist es notwendig, unsere Wirtschaft zu transformi­eren. Und da muss klar sein: Die Zentralban­k unterstütz­t die Staatsfina­nzen, sonst wären wir bei solch großen Fragen mit mehr Unsicherhe­it konfrontie­rt.“

Die Entscheidu­ng, VWL zu studieren, entstand aus einem Interesse für Mathematik und Philosophi­e – beides Bereiche, die für ihre heutige Forschung nützlich seien. Ziel war es, zu verstehen, wie Geld- und Finanzpoli­tik funktionie­ren. „Ich habe verstanden, dass das die Infrastruk­tur unserer Wirtschaft­sordnung ist. Trotzdem gibt es so wenige Leute – vor allem sehr wenige Frauen –, die sich wirklich damit auseinande­rsetzen. Das hat mich gereizt.“(krop)

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