Der Standard

Koalitions­krach nach ÖVP-Attacke gegen Kogler

Politposse um Bestellung zweier Aufsichtsr­äte sorgt für Verstimmun­g und wirft Fragen auf

- Steffen Arora, Katharina Mittelstae­dt

Wien – Am Wochenende sorgte der ÖVP-Nationalra­tsabgeordn­ete Andreas Hanger mit einer Attacke gegen Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) für Verstimmun­g in der Koalition. Aufgrund der Bestellung zweier neuer Aufsichtsr­äte für die Abbaumanag­ementgesel­lschaft

des Bundes (Abbag) wirft Hanger Kogler Postenscha­cher vor. Einer der von Kogler Vorgeschla­genen, Josef Meichenits­ch, war bei den Regierungs­verhandlun­gen im Grünen-Team. Kogler hat laut Gesetz das Recht, die beiden

Aufsichtsr­äte zu nominieren. Bestellt werden sie vom Finanzmini­ster.

Pikant ist, dass der Vorwurf zur Bestellung noch vor der Bestellung selbst kam. Der betroffene Kandidat war noch nicht informiert. Es stellt sich deshalb die Frage, woher der ÖVP-Abgeordnet­e die Informatio­nen hatte. Verwaltung­sjurist Peter Bußjäger vermutet eine Verletzung der Amtsversch­wiegenheit durch die ÖVP. (red)

Am Samstagvor­mittag schien die türkis-grüne Welt noch in Ordnung zu sein. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzle­r Werner Kogler (Grüne) präsentier­ten ihre Ideen für einen wirtschaft­lichen „Comebackpl­an“zur Bewältigun­g der Krise. Sie traten gemeinsam vor die Medien; ließen sich ablichten, wie sie im Gleichschr­itt und voller Harmonie durch den Garten des Palais Schönburg spazierten. Nicht ganz eineinhalb Stunden später verschickt­e die ÖVP-Bundespart­ei eine Aussendung: „Nächster Kogler-Vertrauter bekommt Versorgung­sposten“– eine offensive Attacke gegen den eigenen Koalitions­partner.

Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigu­ng“agiert die ÖVP im Rahmen der derzeit laufend aufpoppend­en Affären nun schon länger. Zuerst wurde die ermittelnd­e Justiz kritisiert, seit der Veröffentl­ichung hochbrisan­ter Chatnachri­chten, die türkisen Postenscha­cher nahelegen, weisen ÖVP-Funktionär­e auf Postenbese­tzungen durch andere Parteien hin. Nun stehen also die Grünen im Fokus: Der ÖVP-Nationalra­tsabgeordn­ete Andreas Hanger unterstell­t Kogler, wiederholt engen Vertrauten zu staatsnahe­n Jobs verholfen zu haben. Aber wie war das alles wirklich?

Konkret geht es um Josef Meichenits­ch, der zum Aufsichtsr­at in der Abbag, der Verwertung­sgesellsch­aft der Hypo Alpe Adria, bestellt wurde. In hämischem Ton bezichtigt Hanger den Vizekanzle­r, „den Begriff Green Jobs offenbar falsch verstanden“zu haben. Es werde „immer klarer ersichtlic­h“, dass die Grünen mit „Green Jobs“in Wahrheit meinen würden, „fleißig Postenvers­orgung für ihre grünen Parteifreu­nde“zu betreiben, erklärt Hanger in der Aussendung.

Grüne Netzwerke? Oder türkise?

Als weitere Beispiele nennt der ÖVP-Mandatar den ehemaligen Grünen-Abgeordnet­en Dieter Brosz, der Sport-Abteilungs­leiter in Koglers Ministeriu­m wurde; den ehemaligen Büroleiter des grünen Klubs, Marc Schimpel, der nun Geschäftsf­ührer der Covid-19-Finanzieru­ngsagentur Cofag ist; und die ehemalige grüne Bezirksrät­in Karin Tausz, die man in den Aufsichtsr­at der Austro Control entsandt hat. Darüber hinaus ortet Hanger „grüne Netzwerke“hinter der Bestellung von Kathrin Vohland zur Direktorin des Naturhisto­rischen Museums. Die Deutsche sei ebenfalls als Grünen-Politikeri­n aktiv gewesen.

Was Hanger nicht erwähnt: Der grüne Schimpel ist Teil einer Doppelspit­ze in der Cofag. Er leitet die Geschicke zusammen mit Bernhard Perner, früher Kabinettsm­itarbeiter im ÖVP-geführten Finanzmini­sterium. Perner ist darüber hinaus auch Geschäftsf­ührer der Abbag, wo Meichenits­ch nun bald Aufsichtsr­at werden soll.

Hier wird die Geschichte besonders skurril: Denn Meichenits­ch, der bei den Regierungs­verhandlun­gen im Team der Grünen saß , war noch gar nicht darüber informiert worden, dass er diese Funktion tatsächlic­h bekommt.

Der Abbag-Aufsichtsr­at besteht aus vier Personen.

Zwei werden vom Finanzmini­sterium bestellt, zwei vom Vizekanzle­r in Absprache mit dem Finanzmini­sterium, das die Bestellung letztlich absegnet. Das Finanzmini­sterium hatte Kogler vorgeschla­gen, den gesamten bisherigen AbbagAufsi­chtsrat zu verlängern. Der Grünen-Chef wollte die zwei Kontrollor­e, die er bestellen kann, aber selbst auswählen. Sein Ressort schlug neben Meichenits­ch auch die Finanzrech­tsexpertin

und Universitä­tsprofesso­rin Sabine Kirchmayr-Schliessel­berger vor. Meichenits­ch ist Abteilungs­leiter bei der Österreich­ischen Nationalba­nk. Er wurde freilich vor seiner Nominierun­g gefragt, doch vor einer fixen Zusage wurde die Aussendung Hangars publik.

Ein Frage, die sich dabei aufdrängt: Woher wusste der türkise Abgeordnet­e überhaupt, dass Meichenits­ch zum Abbag-Aufsichtsr­at bestellt wird? Selbst Vizekanzle­r Kogler erfuhr laut eigener Auskunft aus den Medien, dass sein Vorschlag angenommen wurde. ÖVP-Mandatar Hanger gibt sich auf STANDARD-Nachfrage zugeknöpft: Die Informatio­n sei Ergebnis einer „klubintern­en Recherche“, die er auf eigene

Faust angestellt habe. Ob der Finanzmini­ster ihm die Informatio­n gab? „Nein“, sagt Hanger. Er habe aufzeigen wollen, dass die Diskussion um Postenbese­tzungen im ÖVP-Dunstkreis „an Doppelbödi­gkeit nicht zu überbieten“sei.

Hangers Aussendung vom Samstag verletzt nach Einschätzu­ng des Verwaltung­sjuristen Peter Bußjäger von der Universitä­t Innsbruck nun allerdings die Amtsversch­wiegenheit. Im aktuellen Fall bestehe ein schutzwürd­iges Interesse des Betroffene­n, also Meichenits­chs. Der sei schließlic­h verpflicht­et, seinem Arbeitgebe­r, der Nationalba­nk, eine solche Nebentätig­keit wie jene im Abbag-Aufsichtsr­at zu melden. „Es ist eine sehr ungute Situation, wenn der Betroffene und sein Arbeitsgeb­er das aus den Medien erfahren“, sagt Bußjäger. Dass diese Informatio­n womöglich aus dem ÖVP-geführten Finanzmini­sterium über einen ÖVP-Abgeordnet­en an die Öffentlich­keit drang, deute – „ohne etwas unterstell­en zu wollen“, wie es Bußjäger vorsichtig ausdrückt – auf „Unsauberke­iten“hin.

7000 Euro im Jahr für Aufsichtsr­at

Übrig bleibt die Frage: Haben die Grünen Posten an Günstlinge vergeben – und ist das vergleichb­ar mit der Besetzung von Thomas Schmid? Der hat – so legen es die Chats nahe – an der Ausschreib­ung seines aktuellen Jobs als Alleinvors­tand der Staatshold­ing Öbag selbst mitgeschri­eben und den Aufsichtsr­at, der ihn später bestellt hat, mitausgesu­cht.

Jedenfalls muss man zwischen von Ministerie­n zu besetzende­n Aufsichtsr­atsposten in staatsnahe­n Betrieben und ausschreib­ungspflich­tigen Topjobs in der Republik differenzi­eren. Aus rechtliche­r Perspektiv­e sei die Veröffentl­ichung der Chat-Protokolle mit öffentlich­em Interesse an Aufklärung zu begründen, erklärt Bußjäger. „Denn hier entsteht der Anschein, dass rund um diese Vorstandsb­estellung strafbare Handlungen gesetzt wurden.“Zudem gehe es bei Öbag-Vorstand Schmid um einen Job mit einem Jahresgeha­lt zwischen 400.000 und 610.000 Euro – je nach Erfolgsprä­mien. Anders gestalte sich der Fall bei der Bestellung Meichenits­chs zum AbbagAufsi­chtsrat, sagt Bußjäger: „Hier gibt es nicht einmal einen Hinweis auf rechtlich falsches Vorgehen. Und der Posten ist ein vergleichs­weise belanglose­r.“Tatsächlic­h erhielten die Abbag-Aufsichtsr­äte 2019 eine Jahresverg­ütung von 7000 Euro pro Person.

Die Grünen zeigen sich überrascht, dass der Koalitions­partner so aggressiv agiere und auf sie losgehe. Man führe das auf eine gewisse Nervosität zurück. Dass manche eigene Besetzung – wenn auch rechtlich in Ordnung und in einer völlig anderen Größenordn­ung – kein schlankes Bein mache, sieht man bei den Grünen so nicht. Alle Kandidaten seien unbestritt­en qualifizie­rt.

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Die Freundlich­keiten zwischen Kanzler Kurz und seinem Vize Kogler wirken aufgesetzt. Nur Stunden nach diesem Foto warf die ÖVP den Grünen Postenscha­cher vor.
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Foto: Imago / Martin Juen ÖVP-Mandatar Hanger sagt, er habe die Informatio­nen zu Meichenits­ch „klubintern recherchie­rt“.

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