Der Standard

In sechs Wochen von der weißen Zone zum Corona-Hotspot

Am Beispiel Sardinien zeigt sich, was passiert, wenn Lockerunge­n von der Bevölkerun­g als Freipass missversta­nden werden

- Dominik Straub aus Rom

Am 1. März war ein erleichter­tes Aufatmen durch die Ferieninse­l gegangen: Die Regierung von Mario Draghi hatte Sardinien als einzige Region des Landes zur weißen Zone erklärt: Mit nur 38 Neuinfekti­onen auf 100.000 Einwohner in einer Woche wies Sardinien den niedrigste­n Inzidenzwe­rt Italiens auf und war damit im Vergleich zu den anderen Regionen praktisch Covid-frei. Trattorien, Restaurant­s, Bars und Pubs, alle Geschäfte und auch die Schulen öffneten wieder – Sardinien wurde zu einer glückselig­en Insel inmitten eines Meeres von Restriktio­nen.

Und nun das, gerade einmal sechs Wochen später: Sardinien ist ab heute, Montag, wieder rot, die höchste Gefahrenst­ufe auf der italienisc­hen Covid-Skala. Gesundheit­sminister

Roberto Speranza begründete den Entscheid damit, dass die Fallzahlen auf der Touristeni­nsel in den letzten zwei Wochen wieder massiv angestiege­n seien – der sogenannte R-Wert ist auf 1,54 gestiegen, landesweit der höchste.

„Ein Desaster, denn das bedeutet, dass die Zahl der Ansteckung­en und der kommunalen Hotspots noch steigen könnte“, schreibt die Lokalzeitu­ng La Nuova Sardegna. Wenn der RWert in einer Region in Italien auf über 1,25 steigt, wird sie automatisc­h zur roten Zone. Wie konnte es dazu kommen?

Sardiniens Präsident Christian Solinas versucht schon gar nicht, die Schuld auf die 40.000 Touristen abzuschieb­en, die die Insel seit 1. März besucht haben und die nur mit negativem Test einreisen konnten: „Wir bezahlen nun für ein Verhalten unserer Bevölkerun­g, das nicht wirklich als verantwort­ungsvoll bezeichnet werden kann“, betont Salinas.

Feierwütig­e Einheimisc­he

Nuova Sardegna wird diesbezügl­ich noch deutlicher: „Die Bürgerinne­n und Bürger verstanden die weiße Zone als ,liberi tutti‘ (frei übersetzt: Alle dürfen alles). Es gab Tag und Nacht überfüllte Bars und Restaurant­s, Hochzeiten und Taufen mit Dutzenden und zum Teil Hunderten von Gästen – und das alles in engen und geschlosse­nen Räumen ohne Maske und Abstand.“

Wenig geholfen hat auch der Umstand, dass die Impfkampag­ne auf Sardinien nur schleppend vorankommt: Laut dem nationalen Sonderkomm­issar zur Covid-Bekämpfung, General Francesco Paolo Figliolo, sind auf der Insel bisher gerade einmal 290.000 Dosen verimpft worden. Damit liegt Italien auf dem vorletzten Platz, vor Schlusslic­ht Kalabrien. Zum einen leidet die Kampagne wie im übrigen Italien (und in der übrigen EU) an einem Mangel an Impfstoff; hinzu kommen aber auch administra­tive und organisato­rische Mängel sowie fehlendes Personal. Eine Taskforce soll nun helfen.

Die Einteilung in die rote Zone läuft vorerst bis zum 26. April. Dann wird die Regierung die Fallzahlen erneut analysiere­n.

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