Der Standard

Die Verantwort­ungslosigk­eit der ÖVP

Wie Kurz und sein Team auf die Causa Schmid reagieren, schadet dem Land massiv

- Petra Stuiber

Man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Da zeigen die Chats des Thomas Schmid minutiös auf, was der innerste Kreis um Sebastian Kurz offenbar unter „Regieren“versteht: packeln, mauscheln, das Familiensi­lber untereinan­der aufteilen – und die Ertappten erklären mit der größten Selbstvers­tändlichke­it, dies sei alles ganz normal.

Der Kanzler höchstpers­önlich machte den Anfang, er erklärte in beiläufige­m Ton, es sei völlig normal, dass eine Regierung Posten mit Menschen besetze, denen sie vertraue. Finanzmini­ster Gernot Blümel, von der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft mittlerwei­le als Beschuldig­ter in der Causa Casinos geführt, sagte in diversen Interviews dasselbe und verharmlos­te die Sachverhal­te: „Warum soll ich keine Emojis schicken?“; „Alle Regierunge­n machen das“(Schlüsselp­osten in staatsnahe­n Betrieben mit Vertrauten besetzen). Er garnierte dies noch mit der Bemerkung, er verstehe ja „zum Teil“, dass seine kessen Whatsapp-Nachrichte­n an Schmid für Irritation sorgen könnten. Aber – und hier gab er eine neue Message-Control-Marschrich­tung vor – solche Kurznachri­chten schrieben doch alle, wer habe nicht schon „in der Emotion“unvorsicht­ig formuliert. S either variieren eifrige türkise Gefolgsleu­te, von August Wöginger abwärts bis hin zum Abgeordnet­en Andreas Hanger, das Thema brav rauf und runter. Da wird verharmlos­t, verniedlic­ht, spitzbübis­ch-augenzwink­ernd vom Tisch gewischt, während man mit ausgestrec­ktem Finger auf alle anderen zeigt: „Seht her, alle machen es so!“Das ist arrogant, unverschäm­t und verantwort­ungslos.

Die Kanzlerpar­tei schreckt nicht einmal davor zurück, den Koalitions­partner in den Dreck zu ziehen. Postenbese­tzungen werden in Bausch und Bogen als „Postenscha­cher“bezeichnet. Da wird bewusst der feine Unterschie­d zwischen Besetzunge­n negiert, bei denen politisch genehme, aber zumindest für den Job geeignete Menschen zum Zug kommen, und der Causa Schmid, wo sich ein Vorstandsv­orsitzende­r in spe eine „Schmid AG“mit Staatsverm­ögen gezimmert hat – mit „steuerbare­n“Aufsichtsr­äten und einer Job-Descriptio­n, die vor allem in seinem Sinne günstig war.

Und, fast noch schlimmer: Kurz und sein Team zeichnen ein Bild eines verkommene­n Österreich, einer verrottete­n Republik, in der alle nur auf ihren eigenen Vorteil schauen und das Land als Selbstbedi­enungslade­n ansehen, ein Land, in dem nur die Verhaberun­g mit den „richtigen“Leuten zählt. Keine Spur von Reue, kein Ton der Entschuldi­gung, keine Scham über das Geschehene. Einfach nur: „Alle sind so.“

Sind sie nicht. In Österreich leben viele anständige Menschen, die sich nicht verdient haben, mit einer Republik voller Sumpfblüte­n assoziiert zu werden.

Um noch eins draufzuset­zen, werden unbequeme Journalist­en von eilig gegründete­n Propaganda­plattforme­n angegriffe­n, werden ernsthaft recherchie­rende und berichtend­e Medien denunziert und verächtlic­h gemacht.

Namhafte Vertreter der Republik müssen sich endlich gegen diese „Haltet den Dieb“-Politik wenden, allen voran der Bundespräs­ident. Aber auch jene in der ÖVP, für die Anstand, Verantwort­ung und demokratis­che Werte noch etwas gelten, müssen aufstehen. Der Schaden für Österreich ist bereits eingetrete­n. Er darf nicht noch größer werden.

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