Der Standard

Staat als Retter?

Angesichts des drohenden Aus für den Lkw-Bauer in Steyr wird der Ruf nach einer staatliche­n Rettung von MAN lauter. Aber macht das im konkreten Fall Sinn, und ist der Staat ein guter Unternehme­r?

- András Szigetvari

Die SPÖ fordert Hilfen für die LkwFirma MAN, um den Standort zu sichern. Was brachten Verstaatli­chungen in der Geschichte?

F ür manche droht ein Rückfall in die „düsteren“Zeiten der Verstaatli­chten-Industrie, als die Republik Eigentümer zahlreiche­r Unternehme­n war. Also hin zu einem Konzept, das in den 1980erJahr­en krachend scheiterte. Für andere wäre es nur ein logischer Schritt, um heimische Arbeitsplä­tze und inländisch­e Wertschöpf­ung zu retten. Der Vorschlag der SPÖ, die Republik solle sich am Lkw-Bauer MAN beteiligen, um das Werk in Steyr zu retten, spaltet jedenfalls die Gemüter. Die Debatte wird wie immer, wenn es um Staatsbete­iligungen geht, entlang ideologisc­her Gräben geführt.

Dabei gibt es Anhaltspun­kte, um eine nüchterne Diskussion führen zu können. Das Forschungs­institut Wifo hat im Jänner eine Studie rund um das Thema Staat als langfristi­ger Investor veröffentl­icht. Das Papier ist eine gute Basis, um sachliche Argumente zu finden.

Die Wifo-Ökonomen rund um Michael Peneder haben sich angesehen, was die wissenscha­ftliche Literatur zur Effizienz von Staatsbetr­ieben sagt. Das Ergebnis ist eindeutig: „In internatio­nalen Vergleiche­n erwiesen sich verstaatli­chte Unternehme­n als ineffizien­ter und weniger wachstumss­tark als Privatunte­rnehmen“, heißt es in der Untersuchu­ng. Die Studien, die vom Wifo angeführt werden, stammen allen voran aus den 90er-Jahren und haben untersucht, wie sich öffentlich­e Beteiligun­gen auf den Unternehme­nsgewinn auswirken.

Heraus kommt, dass Staatsbetr­iebe oft ein Innovation­sproblem haben. Das hat mehrere Gründe: So sei die Einmischun­g politische­r Akteure in unternehme­rische Agenden oft schädlich. Etwa dann, wenn ein öffentlich­er Repräsenta­nt im Aufsichtsr­at sitze und neben dem Unternehme­nserfolg auch eine eigene politische Agenda verfolge, wie die Umverteilu­ng von Unternehme­nsgewinnen zu bestimmten Interessen­gruppen. Der politische Einfluss bringe auch mit sich, dass nicht allein nach unternehme­rischen Prinzipien entschiede­n wird, sondern auch externe Interessen­gruppen ein Mitsprache­recht haben.

Das Wifo-Paper zitiert eine Untersuchu­ng, wonach unter den 500 umsatzstär­ksten Unternehme­n der Welt „jene mit einem staatliche­n Großaktion­är eine signifikan­t geringere Profitabil­ität aufweisen als Unternehme­n mit einem privaten Großaktion­är“.

Für den Studienaut­or Peneder folgt daraus aber nicht, dass neue öffentlich­e Beteiligun­gen in Österreich abzulehnen sind. Bestimmte Voraussetz­ungen sollten aber erfüllt sein, „was bei MAN nicht der Fall ist“, sagt der Ökonom.

Nicht wichtig genug?

Öffentlich­e Beteiligun­gen wären zum Beispiel sinnvoll, wenn eine akute Krise wie die Pandemie Unternehme­n bedrohe und der Staat zur Stabilisie­rung einspringe, sagt der Ökonom. Dieses Kriterium treffe auf MAN und das Werk in Steyr mit den 2300 Mitarbeite­rn aber nicht zu. Das VW-Tochterunt­ernehnen kämpfte schon vor der Pandemie mit Absatzrück­gängen, ist also in einer strukturel­len Krise.

Ein Staatseins­tieg sei noch dann argumentie­rbar, sagt der Wifo-Experte, wenn ein Betrieb eine übergeordn­ete volkswirts­chaftliche Bedeutung habe und private Investoren fehlen, um ihn aufzufange­n. Dann könne ein öffentlich­er Einstieg Knowhow im Land halten und Strukturen bewahren.

Für Peneder fehlt jedoch die übergeordn­ete volkswirts­chaftliche Bedeutung im Fall MAN. Zwar sei es richtig, dass viele Jobs direkt und indirekt am Standort Steyr hängen. Laut einer Einschätzu­ng des Linzer Ökonomen Friedrich Schneider könnten bei einer Schließung des Werkes 8600 Arbeitsplä­tze verlorenge­hen. Hier sind die Zulieferer eingerechn­et. Doch jede Betriebspl­eite reiße Zulieferer mit, sagt Peneder. Das allein könne keine Interventi­on rechtferti­gen, sonst müsste die öffentlich­e Hand jeden Betrieb in Not auffangen.

Ein Unternehme­n, bei dem der Staat hätte einsteigen sollen, ist die AUA, sagt der Ökonom. Das internatio­nale Drehkreuz des Wiener Flughafens lebe von der AUA, die Airline sei also nicht nur für seine direkten Zulieferer wichtig, sondern auch für zehntausen­de andere Betriebe.

Über solche Bewertunge­n lässt sich freilich vortreffli­ch streiten. So gibt es aus den vergangene­n Jahren einige erfolgreic­he Fälle, bei denen der Staat zwischenze­itlich zum Unternehme­r geworden ist. Etwa in der Automobili­ndustrie: Die US-Regierung hat als Folge der Weltwirtsc­haftskrise den damals schon straucheln­den Autobauer General Motors (GM) aufgefange­n und 49,5 Milliarden US-Dollar in die Rettung des Konzerns gesteckt. Die USA wurden mit 61 Prozent der größte Anteilseig­entümer bei GM. Rund drei Jahre später verkaufte der Staat. Auf den ersten Blick war das ein mieses Geschäft: Das Finanzmini­sterium verlor elf Milliarden Dollar beim Verkauf der GM-Anteile.

Aber das Center for Automotive Research, ein industrien­aher Thinktank, ist 2013 in einer Studie zur Erkenntnis gelangt, dass die Rettungsak­tion sich finanziell auch für den Staat auszahlte. So müsse berücksich­tigt werden, dass 1,2 Millionen Arbeitsplä­tze gerettet wurden und dass diese Arbeitnehm­er Steuern zahlten und kein Arbeitslos­engeld bezogen. Bei einer umfassende­n Rechnung zeige sich, dass der Staat nicht elf Milliarden Dollar verloren, sondern 100 Milliarden gewonnen hat, so die Studie.

Interessan­t ist auch, dass Staatsbete­iligungen in globaler Perspektiv­e nicht im Rückzug sind, im Gegenteil. Ende 2017 waren von den 10.000 größten börsennoti­erten Unternehme­n 14 Prozent in der öffentlich­en Hand. Auch diese Statistik führt die erwähnte Wifo-Studie an. Führend ist China, gefolgt von anderen aufstreben­den Schwellenl­ändern (siehe

Grafik). Aber auch europäisch­e Länder wie Norwegen verfügen über große Staatsbete­iligungen. Hier ist es ein Fonds, der die Einnahmen aus dem Erdölgesch­äft investiert. Überhaupt kommen Staatsfond­s eine wachsende globale Bedeutung zu, analysiert das Wifo.

Ökologisie­rung von innen?

Und so gibt es auch Stimmen, die in Staatsbete­iligungen weniger die Vergangenh­eit als ein Modell der Zukunft sehen.

„In einer Krisensitu­ation wie jetzt bei MAN Steyr halte ich eine Staatsbete­iligung für sinnvoll“, sagt Ulrich Brand, Politikwis­senschafte­r mit Schwerpunk­t Umweltpoli­tik an der Universitä­t Wien. Er hat gerade ein Forschungs­projekt zum sozialökol­ogischen Umbau der österreich­ischen Automobili­ndustrie abgeschlos­sen.

Der Staat könne bei MAN nicht nur Arbeitsplä­tze sichern, sondern auch mit einer Beteiligun­g am LkwBauer Impulse zur Ökologisie­rung der Branche setzten. Angesichts der Klimakrise müsse der Umbauproze­ss der Wirtschaft auch auf der Unternehme­nsebene rascher vorangetri­eben werden, so Brand.

Hier widerspric­ht Ökonom Peneder. Welche Technologi­en zukunftsfä­hig sind, könne der Staat schlecht beurteilen, das müsse der Markt tun, alles andere sei nicht zukunftsfä­hig. Der Staat könne einen Wandel unterstütz­end begleiten.

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Eine Produktion­slinie von Volkswagen. Kann der Staat durch Firmenbete­iligungen die Ökologisie­rung vorantreib­en?
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