Der Standard

„Keinesfall­s darf es zu einer Zwei-Klassen-Justiz kommen.“

Mit ungewöhnli­ch scharfen Worten warnte die Vereinigun­g der Staatsanwä­lte vor der Reform der Strafproze­ssordnung. Diese sieht ein Aus für Razzien in Behörden vor. Nun sollen Experten helfen.

- Fabian Schmid

Cornelia Koller, Präsidenti­n der Vereinigun­g Österreich­ischer Staatsanwä­ltinnen und Staatsanwä­lte, über die geplante Reform der Strafproze­ssordnung

Die Liste liest sich wie ein Who’s who der Justizexpe­rten in Österreich: Verfassung­srechtler Heinz Mayer; Strafrecht­sprofessor­in Ingeborg Zerbes; Walter Geyer, Gründer der Korruption­sstaatsanw­altschaft; sowie Oliver Scheiber, damals im Kabinett von Justizmini­sterin Maria Berger (SPÖ) und heute politisch aktiver Bezirksric­hter. Sie alle waren auf Einladung von Justizmini­sterin Alma Zadić gekommen, um ein überrasche­nd heißes Eisen zu diskutiere­n: die geplante Reform der Strafproze­ssordnung (StPO), die in die gesetzlich­e Neuaufstel­lung des Verfassung­sschutzes (BVT) inkludiert worden war.

Das BVT war es – zumindest indirekt – auch, das die StPO-Reform ausgelöst hatte. Denn am 28. Februar 2018 marschiert­en Polizisten der Einheitsgr­uppe gegen Straßenkri­minalität (EGS) im Auftrag der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) beim Verfassung­sschutz auf, um mehrere Büros zu durchsuche­n.

Das löste einen Untersuchu­ngsausschu­ss aus, in dem die Hausdurchs­uchung minutiös rekonstrui­ert werden sollte – bis heute gibt es allerdings viele Fragezeich­en nach dem Motiv und dem Einfluss aus dem Umfeld von Herbert Kickl, damals blauer Innenminis­ter.

Klar war jedoch, und so sah es auch das Oberlandes­gericht Wien, dass die Hausdurchs­uchung überwiegen­d nicht verhältnis­mäßig war. Man hätte eher auf das Mittel der Amtshilfe setzen sollen, also die Behördenle­itung oder deren Vorgesetzt­e im Innenminis­terium um Akten bitten sollen.

Die Stimmung kippte

Unter Eindruck der BVT-Razzia, wo Polizisten klassifizi­erte, geheime Unterlagen durchwühlt hatten, beschloss der Nationalra­t, die Regierung mit einer Überarbeit­ung der Materie zu beauftrage­n. Ziel war es sicherzust­ellen, dass geheime Informatio­nen vor dem Zugriff durch Unbefugte geschützt werden – etwa, indem Verfassung­sschützer eine Versiegelu­ng für Amtsunterl­agen beantragen können. Das dürfen schon jetzt Berufsgehe­imnisträge­r, also Anwälte oder Journalist­en. Dann entscheide­t ein unabhängig­es Gericht, ob das Material der Justiz für deren Ermittlung­en zur Verfügung stehen kann.

Im Lauf der Gesetzeswe­rdung stellten die Beamten im Justizmini­sterium allerdings eine rechtliche Grauzone fest. Rein theoretisc­h, argumentie­rte etwa die unabhängig­e Rechtswiss­enschafter­in Zerbes, sei Amtshilfe der zwingend vorgesehen­e Weg, wenn die Justiz von einer Behörde Informatio­nen wolle. Im Ministeriu­m gelangte man zu einer ähnlichen Ansicht, weshalb Hausdurchs­uchungen bei Behörden nur noch in Ausnahmefä­llen zugelassen werden sollten.

Das heißt nicht, dass die Behörden sich frei aussuchen dürfen, ob sie Dokumente an die Justiz übermittel­n: „Auch ein Verstoß gegen die Verpflicht­ung zur Amtshilfe ist daher mit disziplina­rrechtlich­en Mitteln gegen den entscheide­nden Beamten zu bekämpfen und führt in letzter Konsequenz zur staatsrech­tlichen Verantwort­lichkeit der Weisungssp­itze“, heißt es in den Erläuterun­gen zur Reform. Aber dort steht auch ein Satz, der die Debatte eskalieren ließ: „Die Anwendung von Zwang zur Erlangung des Gesuchten darf weder bereits ursprüngli­ch anstelle eines Amtshilfee­rsuchens eingesetzt werden noch nach erfolgter Ablehnung durch die Behörde.“

De facto hieße das, dass Razzien in Behörden, etwa im Finanzmini­sterium, verboten werden. Gerade angesichts brisanter aktueller Causen wie Ermittlung­en gegen Finanzmini­ster Gernot Blümel oder JustizSekt­ionschef Christian Pilnacek sorgte das für einen Aufschrei.

Razzien sollen bleiben

Auch die Vereinigun­g österreich­ischer Staatsanwä­ltinnen und Staatsanwä­lte (StAV) fand scharfe Worte: Der Reformvors­chlag würde „in vielen Fällen eine erfolgreic­he Aufklärung von Straftaten erschweren oder gar unmöglich machen“, hieß es in einer Aussendung. „Keinesfall­s darf es zu einer Zwei-Klassen-Justiz kommen. Im öffentlich­en und privaten Bereich müssen Beweise im gleichen Umfang gesichert werden können“, betonte Staatsanwä­lte-Vereinigun­gs-Präsidenti­n Cornelia Koller.

Sie nahm am Montag ebenfalls an der Expertenru­nde teil, die vorerst noch kein Ergebnis präsentier­te. Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass eine Reform noch länger dauern werde, hieß es aus gutinformi­erten Kreisen.

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Justizmini­sterin Alma Zadić holt sich Expertinne­n und Experten, um die umstritten­e Reform der Strafproze­ssordnung zu evaluieren.

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