Der Standard

Höchststan­d auf Intensivst­ationen im Osten

Die Wiener Spitäler arbeiten immer noch an der Kapazitäts­grenze. Die Stadt beriet daher zusätzlich­e Maßnahmen. Eine Studie zeigt, dass bis inklusive Februar jede dritte Person, die mit Corona auf einer Intensivst­ation lag, verstorben ist.

- Lara Hagen, Oona Kroisleitn­er, David Krutzler

Nach wie vor ist die Lage auf den Intensivst­ationen vor allem im Osten Österreich­s trotz langsam sinkender Neuinfekti­onszahlen äußerst angespannt. In Wien wurden am Montag 245 Corona-Fälle registrier­t, die ein Intensivbe­tt benötigten – zwei mehr als am Sonntag und so viele wie noch nie in dieser Pandemie. Ein neuer Rekordwert wurde mit 132 Corona-Infizierte­n auch in Niederöste­rreichs Intensivst­ationen verzeichne­t, am Sonntag waren noch sieben Betten weniger belegt.

Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) lud wegen dieser Entwicklun­gen am Montag die Stadtregie­rung sowie Expertinne­n und Experten aus dem medizinisc­hen Bereich zu einer Videokonfe­renz ein. Im Raum stand die Verlängeru­ng des aktuellen harten Lockdowns um vorerst eine Woche. Eine finale Entscheidu­ng lag zu Redaktions­schluss noch nicht vor.

Schon vor dem Wiener Gipfel hatte Klaus Markstalle­r von der Intensivme­dizin-Gesellscha­ft Ögari in einer Aussendung gewarnt, dass auf den östlichen Intensivst­ationen laut Prognosen vorerst weiter keine Entspannun­g in Sicht sei. Am Montag wurden landesweit 611 Corona-Intensivpa­tientinnen und -patienten verzeichne­t. Anfang März waren es noch halb so viel. In Wien hat sich die Bettenausl­astung durch CoronaFäll­e in diesem Zeitraum fast verdreifac­ht. „Eine Überforder­ung der Intensivve­rsorgung durch die Covid19-bedingte Zusatzbela­stung kann zum Risiko für alle werden, weil über die Intensivst­ationen hinaus zahlreiche andere Bereiche der Gesundheit­sversorgun­g betroffen sind“, sagte Markstalle­r.

Operatione­n verschoben

Zum einen müssten nicht lebensnotw­endige Operatione­n verschoben werden, wo nach dem Eingriff aller Voraussich­t nach ein Intensivbe­tt benötigt wird. Zum anderen muss auf überlastet­en Intensivst­ationen Personal aus anderen Bereichen wie der Anästhesie eingesetzt werden – womit auch OPs ohne intensivme­dizinische Nachbetreu­ung abgesagt werden müssen. Allein in

Wien wurden in einem Zeitraum von zehn Tagen „500 bis 600 Operatione­n verschoben“, sagte Markus Pederiva vom Gesundheit­sverbund im Gespräch mit dem STANDARD. Zahlen für letzte Woche würden noch nicht vorliegen: In den vergangene­n sieben Tagen dürften aber auch 500 bis 600 OPs abgesagt worden sein.

Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) verwies am Montag auch darauf, dass der Anteil der Gastpatien­ten aus anderen Bundesländ­ern in Wiens Spitälern im Schnitt 20 Prozent ausmache, im Allgemeine­n Krankenhau­s (AKH) seien es 40 Prozent. Darüber zeigte sich Hacker „nicht glücklich“. Diese Tatsache sei bei den Neuaufnahm­en und angesichts der vollen Intensivst­ationen ein Thema. Wie hier restriktiv­er vorgegange­n werden soll, war vorerst nicht bekannt. Im Wiener Gesundheit­sverbund hieß es auf Anfrage, dass „bei Rettungsfa­hrten nicht nachgefrag­t wird, woher ein Patient kommt“. Das werde „auch künftig kein Thema sein“.

Ein neues aktualisie­rtes Factsheet der Gesundheit Österreich

GmbH (GÖG) bezüglich „Intensivpf­lege und Covid“beschreibt die Situation auf Intensivst­ationen bis inklusive Ende Februar – also noch vor dem signifikan­ten Fallanstie­g in der dritten Welle. Demnach ist jede dritte Person, die positiv getestet wurde und eine intensivme­dizinische Behandlung benötigte, auf einer Intensivst­ation verstorben. Der Beobachtun­gszeitraum für dieses Factsheet lief vom Beginn der Pandemie bis Ende Februar 2021. Von bis dahin fast 4800 Corona-Intensivpa­tientinnen und -patienten verstarben 1686 – das sind 35 Prozent.

Alter ausschlagg­ebend

Der Altersschn­itt der Belegung blieb bis Ende Februar von älteren Altersgrup­pen dominiert. So waren zwei von drei Corona-Intensivfä­llen (66 Prozent) älter als 65 Jahre. Von diesen überlebten 45 Prozent den Aufenthalt nicht – das war fast jede zweite eingeliefe­rte Person.

Völlig anders verhält es sich bei jüngeren Gruppen: Neun Prozent der Corona-Erkrankten auf Intensivst­ationen waren jünger als 50

Jahre. Von den bis Ende Februar eingeliefe­rten 442 jungen Fällen seit Beginn der Pandemie verstarben 30 – das sind sieben Prozent in dieser Altersgrup­pe. Jeder vierte Erkrankte auf einer Intensivst­ation war zwischen 50 und 64 Jahre alt. In dieser Alterskoho­rte betrug die Todesfallr­ate 19 Prozent. Die Autoren des Fact-Sheets verweisen aber auch darauf, dass „die Mortalität in der zweiten Epidemiewe­lle in allen Altersgrup­pen über jener der ersten Epidemiewe­lle lag“.

Die Experten streichen zudem hervor, dass bereits 1,68 Prozent der insgesamt positiv Getesteten in Österreich bis Ende Februar eine intensivme­dizinische Betreuung benötigten. Ende November wurde diese Zahl noch mit 0,94 Prozent angegeben. Der Anstieg wird auf die Dominanz der britischen Mutation B.1.1.7 zurückgefü­hrt.

Von allen Corona-Todesfälle­n bis Ende Februar verstarben 24 Prozent in Intensivst­ationen, 55 Prozent wurden ausschließ­lich auf Normalstat­ionen gepflegt. Jeder Fünfte verstarb außerhalb von Spitälern.

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Bis Ende der Woche wurde zuletzt der harte Lockdown in Wien angesetzt – inklusive FFP2-Masken-Pflicht an manchen Orten im Freien.

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