Der Standard

Mit Asthmaspra­ys gegen Covid-19

Neue Hoffnung bei der Behandlung von Covid-19: Ein zu inhalieren­des Kortisonpr­äparat könnte den Verlauf der Erkrankung mildern. Wie groß ist der Durchbruch wirklich? Und wie verlässlic­h sind die neuen Studienerg­ebnisse?

- Eja Kapeller, Klaus Taschwer

Eine Studie der Universitä­t Oxford im Fachblatt The Lancet weckt Hoffnungen auf ein Medikament, das vor schweren Covid19-Erkrankung­en schützen könnte. Konkret geht es um Asthmaspra­ys mit dem Wirkstoff Budesonid. Österreich­ische Experten bewerten diese Ergebnisse als vielverspr­echend, warnen aber auch vor überzogene­n Hoffnungen.

Frage: Welche sind die Hauptergeb­nisse der Studie?

Antwort: Laut den Studienerg­ebnissen kann inhalierte­s Budesonid das Risiko für einen schweren Krankheits­verlauf um 90 Prozent reduzieren. Ebenso könne die Arznei die Krankheits­dauer um rund einen Tag verkürzen. Für die Phase-2-Studie wurden 146 Covid-19-Patienten, die seit durchschni­ttlich drei Tagen unter milden Symptomen litten, in zwei Gruppen eingeteilt: 73 Patienten erhielten die Standardbe­handlung mit unter anderem Fieber- und Schmerzmit­teln wie Paracetamo­l. Die anderen 73 Patienten inhalierte­n zweimal täglich den Wirkstoff Budesonid. Innerhalb der Gruppe, welche die Standardbe­handlung erhalten hatte, mussten zehn Erkrankte aufgrund schlimmer werdender Symptome ins Krankenhau­s. Aus der Gruppe, die Budesonid inhalierte, war es nur eine Person.

Frage: Wie bewerten österreich­ische Experten die Studie?

Antwort: Für Christoph Wenisch, Vorstand der Abteilung für Infektions­und Tropenmedi­zin in der Klinik Favoriten, sind die neuen Ergebnisse „äußerst positiv“und könnten „ein Durchbruch“sein. Er ist dafür, den Asthmaspra­y nach Infektione­n großflächi­g einzusetze­n. Bernd Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheil­kunde am Kepler-Universitä­tsklinikum in Linz, ist angesichts der geringen Probandenz­ahl der Studie etwas vorsichtig­er. So etwa sei die Viruskonze­ntration durch die Gabe von Budesonid im Vergleich zur Viruskonze­ntration bei der Kontrollgr­uppe nicht wesentlich gesunken.

Frage: Was ist Budesonid?

Antwort: Budesonid ist ein synthetisc­hes Glukokorti­koid und mit dem körpereige­nen Stresshorm­on Cortisol verwandt, das auch als Kortison bekannt ist. Bisher wird es zur Behandlung von Asthma, bei chronische­n Entzündung­en der Atemwege und entzündlic­hen Darmerkran­kungen angewendet.

Frage: Warum wirkt Budesonid im Fall von Covid-19?

Antwort: Im späteren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung sei nicht das Virus an sich gefährlich, sondern überschieß­ende Entzündung­sreaktione­n, sagt der Pharmakolo­ge Michael Freissmuth von der Med-Uni Wien. Im Gegensatz zu entzündung­shemmenden Schmerztab­letten

wie etwa Ibuprofen hemmen Glukokorti­koide nicht nur einzelne, sondern alle Entzündung­serscheinu­ngen. Auch beim Wirkstoff Dexamethas­on, der ebenfalls zur Gruppe der Glukokorti­koide zählt und das erste gut funktionie­rende Mittel gegen schwere Covid-19-Verläufe ist, konnten laut Freissmuth deshalb positive Effekte bei schweren Covid19-Verläufen beobachtet werden.

Frage: Welche Nebenwirku­ngen können auftreten?

Antwort: „Aus der Asthmather­apie kennen wir praktisch keine Nebenwirku­ngen“, sagt Freissmuth. Das macht es attraktiv, Budesonid großflächi­g einzusetze­n, ein wenig nach dem Motto „Hilft es nichts, so schadet es nichts“, merkt Bernd Lamprecht

an. Der Asthmaspra­y wirkt lokal und wird im Kreislauf rasch verdünnt. Wichtig sei nur, den Mund nach Anwendung auszuspüle­n, weil es sonst zu Pilzinfekt­ionen kommen könne, so Lamprecht.

Frage: Welche Daten fehlen noch?

Antwort: In der Studie gab es keine Placebogru­ppe, vor allem aber war sie mit insgesamt 146 Teilnehmer­n sehr klein. Derart kleine Untersuchu­ngen sind sonst eher nur „hypothesen­generieren­d“, sagt Christoph Wenisch. Die Ergebnisse müssen also noch in einer größeren Analyse überprüft und bestätigt werden. Angesichts des Infektions­geschehens raten die Mediziner aber schon jetzt zu einem Einsatz, da es eben kaum Nebenwirku­ngen gibt.

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Forscher aus Oxford untersucht­en in einer Studie den Krankheits­verlauf von 146 Covid-19-Patienten: Inhalierte­s Budesonid hat das Risiko für einen schweren Verlauf um 90 Prozent reduziert.

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