Der Standard

Was bleibt sechs Monate nach dem Anschlag?

In den letzten zwei Wochen wurden zwei Personen im Zusammenha­ng mit dem Terroransc­hlag vom 2. November festgenomm­en. Zentrale Fragen sind aber unklar, eine verdächtig­e Moschee darf wieder öffnen.

- Gabriele Scherndl, Jan Michael Marchart

Bald wird der Terroransc­hlag von Wien genau ein halbes Jahr her sein. Am 2. November erschütter­te die Tat das Land, vier Unschuldig­e und der Täter selbst starben, die Nachrichte­n beherrscht­en wochenlang das mediale Geschehen im In- und Ausland. Was ist seither passiert, wie ist der Stand der Ermittlung­en? Und: Welche Fragen sind immer noch offen?

Klar ist in Ermittlerk­reisen schon längst: Der Täter hatte unmittelba­r bei der Tat keine Hilfe. Offen ist aber noch, inwieweit ihm bei Vorbereitu­ngsarbeite­n geholfen wurde. In dem Zusammenha­ng wurden in den Tagen nach dem Anschlag 17 Personen verhaftet, im Laufe der Monate kamen weitere Festnahmen hinzu, andere Personen wurden freigelass­en, weil sich der Tatverdach­t gegen sie nicht erhärtet hatte.

Jüngste Festnahmen

Dutzende Geräte wurden beschlagna­hmt, zahlreiche Hinweise werden ausgewerte­t. Zum Teil scheinen die Auswertung­en zu fruchten: In der jüngsten Zeit wurden zwei Personen festgenomm­en. Erst vor wenigen Tagen wurde ein Österreich­er mit ägyptische­n Wurzeln festgenomm­en, er dürfte laut Medienberi­chten dem Attentäter zu seinem Sturmgeweh­r verholfen haben. Dass er es gekauft hat, wird in Ermittlerk­reisen allerdings ausgeschlo­ssen. Es gilt, wie in den weiteren genannten Fällen, die Unschuldsv­ermutung.

Schon im Dezember wurden mehrere DNA-Spuren auf den Tatwaffen gefunden, laut Analyse abseits des Täters von zwei Männer und zwei Frauen – wer Letztere sind, ist bislang unbekannt; einer der Männer wurde kurz vor dem Jahreswech­sel festgenomm­en. Vor zwei Wochen wurde außerdem ein weiterer Verdächtig­er festgenomm­en, wie Recherchen des STANDARD nun ergaben. Es handelt sich dabei um eine Person aus dem Umfeld des Täters, die im Zuge der Auswertung der beschlagna­hmten Geräte verdächtig wurde.

Es soll dabei vor allem um einschlägi­ge Chatnachri­chten gehen, nicht um einen direkten Beitrag zur Tat. Die Staatsanwa­ltschaft Wien bestätigt auf Anfrage die Festnahme.

Zehn Personen, die auf irgendeine Art mit dem Terroransc­hlag zusammenhä­ngen sollen, sind nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft Wien nun in U-Haft. Anfang Mai läuft bei einigen von ihnen eine Frist ab: Nach sechs Monaten muss die Staatsanwa­ltschaft darlegen, warum die Ermittlung­en in einem bestimmten Fall so umfangreic­h sind, dass die Untersuchu­ngshaft noch länger aufrechtge­halten wird. Ein Richter oder eine Richterin entscheide­t dann, ob sie weiter verlängert werden kann. Die Anwälte der Inhaftiert­en rechnen zum Teil mit Enthaftung­en. Grundsätzl­ich aber kann eine U-Haft bis zu ein Jahr lang dauern.

Die Vorwürfe gegen die Inhaftiert­en sind recht unterschie­dlich, wie Gespräche mit deren Anwälten zeigen. So geht etwa Nikolaus Rast davon aus, dass sein Mandant einer jener Inhaftiert­en sein wird, die bald freikommen. Gegen ihn stehe, so Rast, der Vorwurf im Raum, „dass er im Jahr 2015 irgendeine SMS mit radikalem Hintergrun­d bekommen hat, mit dem 2. November hat er nichts zu tun“.

Zentrale Fragen offen

Verdächtig erschienen den Behörden auch jene zwei Verdächtig­e, die Anwalt Rudolf Mayer vertritt. Sie brachten K. F. wenige Stunden vor dem Attentat ein „islamische­s Buch“zurück. Die Staatsanwa­ltschaft nimmt an, dass das Treffen und die Tat in Verbindung stehen. Mayer sieht das anders und will nun Enthaftung­santräge für die beiden Männer stellen.

Geklärt ist nach wie vor nicht, wie der Täter in der Nacht des Anschlags in die Innenstadt kam. Dass er mit Öffis, einem Taxi oder anderen Fahrtendie­nsten kam, schließen die Ermittler aus. Damit bleiben zwei Möglichkei­ten: Entweder er ging zu Fuß von seiner Wohnung in Donaustadt zum Tatort am Schwedenpl­atz in die Innenstadt, oder er wurde von jemandem hingebrach­t.

Laufende Ermittlung­en

Als Reaktion auf das Attentat drängte die Regierung die Islamische Glaubensge­meinschaft dazu, die Tewhid-Moschee in Wien zu schließen, weil diese vom Attentäter K. F. als Teil einer Gruppe besucht wurde. Auch war sie in der Vergangenh­eit wegen radikal islamistis­cher Umtriebe im Fokus des Verfassung­sschutzes.

Dieses zentrale Vorhaben scheiterte nun, die Moschee darf wieder öffnen. Unter anderem, weil laut Vereinspol­izeibesche­id niemand aus der Gruppe eine Funktion im Moscheever­ein innehatte. Auch sei nicht nachweisba­r, dass im Verein Jihad-verherrlic­hende Predigten getätigt wurden. In der Luft hängen die Ermittlung­en gegen angebliche Muslimbrüd­er nach der Razzia vom 9. November. Laut Staatsanwa­ltschaft ist ein Ende nicht absehbar. Der Vorwurf der Terrorfina­nzierung dürfte sich bislang noch nicht erhärtet haben.

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Das Kerzenmeer, das in den Wochen und Monaten nach dem Anschlag die Innenstadt füllte, wurde mittlerwei­le verräumt. Stattdesse­n stellte die Stadt Wien ein kleines Denkmal auf.

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