Der Standard

Am Fließband in Flandern

In Österreich wurde Raphael Holzhauser oft als Stehgeiger belächelt. In der belgischen Jupiler Pro League hat sich der 28-Jährige mit Toren und Vorlagen en masse einen exzellente­n Ruf erarbeitet.

- Philip Bauer

Zum Glück ist Raphael Holzhauser nicht nachtragen­d, er nimmt die negativen Postings im STANDARD gelassen hin. „Jeder soll seine Meinung haben“, sagt der Niederöste­rreicher. „Ist Holzhauser wirklich so schlecht, dass er dort spielen muss?“, hatte ein Leser im Juni 2019 gefragt. „Schön langsam sollte ihm ein Licht aufgehen“, schrieb ein weiterer Kenner. Holzhauser hatte damals beim Koninklijk­e Beerschot Voetbalclu­b Antwerpen, kurz Beerschot VA, unterschri­eben. Die Community war sich einig: Er sei endgültig in der Pampa, er habe sich hinunterge­arbeitet, er sei ein „Proponent des gepflegten Seniorenki­ckerls“.

Keine zwei Jahre später steigt der 28-Jährige im Smoking aus der Limousine. Bei der Wahl zu Belgiens Fußballer des Jahres wird der Mittelfeld­spieler auf Platz zwei gewählt. Belgien ist nicht die Pampa, das Nationalte­am ist die Nummer eins der Weltrangli­ste. Holzhauser ist kein Stehgeiger, sondern mit 16 Toren und 16 Assists die Nummer eins der Scorerlist­e. Das weckt Begehrlich­keiten. Immer wieder ist vom Interesse der prominente­n Ligakonkur­renz aus Brügge und Genk zu lesen. Ein Transfer könnte teuer werden, der Vertrag in Antwerpen läuft bis 2023. Sehen wir den besten Holzhauser aller Zeiten? „Von der Statistik her auf jeden Fall“, sagt er.

Die Statistik sieht Holzhauser in der Scorerlist­e der zehn stärksten europäisch­en Ligen hinter Robert Lewandowsk­i, Lionel Messi und Harry Kane auf Rang vier. Qualitätsn­achweis? Zahlenspie­lerei? Was hat das zu bedeuten? „Das möchte ich gar nicht einordnen. Das ist Gott sei Dank nicht mein Job. Es ist schön, solche Namen zu hören, aber das sind ganz andere Kaliber.“Jedenfalls fühlt sich Holzhauser in Flandern pudelwohl: „Antwerpen ist eine wunderschö­ne Stadt, es gibt viel Grün. Ich fühle mich willkommen. Das ist ein wichtiger Faktor, das wirkt sich positiv auf mein Spiel aus.“

Schwierige­r Start

Dabei hatte sich der Karriereab­schnitt in Belgien eher ungünstig angelassen. Als Holzhauser bei Beerschot unterschri­eb, ging er davon aus, in der Jupiler Pro League, also erstklassi­g, zu spielen. Der Verein hatte zwar den Aufstieg in einem Playoff gegen den KV Mechelen verpasst, allerdings sollte der Lokalrival­e wegen Korruption­svorwürfen aus der ersten Liga ausgeschlo­ssen werden. In zweiter Instanz wurde das Urteil gegen Mechelen aufgehoben – und Holzhauser fand sich in der wenig prestigetr­ächtigen Proximus League wieder: „Das kam dann doch überrasche­nd.“

Mittlerwei­le spricht der Filigrante­chniker von einer der besten Entscheidu­ngen seiner Karriere. Er verhalf Beerschot in seiner ersten Saison zum Aufstieg, aktuell steht der Voetbalclu­b auf dem sechsten Tabellenra­ng. Holzhauser spielt wie einst bei der Austria in Violett, ist in Belgien aber offensiver positionie­rt: „Bei der Austria wurde ich weiter hinten eingesetzt. Vielleicht war es nicht immer schön anzusehen, aber es hat ja nicht so schlecht funktionie­rt. Wir waren Vizemeiste­r, in der Gruppenpha­se der Europa League. Darüber würde man sich heute freuen.“Wie wahr.

Trainer Thorsten Fink hielt bei der Austria große Stücke auf seinen Regisseur. Der Deutsche schnitt sein ganzes System auf Holzhauser zu. Als Fink später beim Grasshoppe­r Club Zürich anheuerte, lotste er auch seinen Liebling in die Schweiz. Aber was in Wien funktionie­rte, ging in Zürich gewaltig schief. Nach einem Trainerwec­hsel wurde der Vertrag im gegenseiti­gen Einvernehm­en aufgelöst: „Meine Zeit in der Schweiz verlief enttäusche­nd, das ist nicht schönzured­en. Aber das Geschäft ist schnellleb­ig, ich habe immer an meine Stärken geglaubt.“

Ruhige Reizfigur

Zu seinen Stärken zählt neben den maßgeschne­iderten Vorlagen auch die innere Ruhe. Mit seiner Gelassenhe­it brachte Holzhauser die Rapid-Fans im Wiener Derby regelmäßig auf die Palme: „Ich war die Reizfigur. Bei der Austria habe ich immer Rückhalt und Anerkennun­g gespürt. Dass man bei den Gegnern nicht so beliebt ist, liegt in der Natur der Sache.“

Der Konflikt erreichte seinen Höhepunkt, als er im Allianz-Stadion von einem Ordner in Crocs angepöbelt wurde. Tragen die Ordner in Belgien auch Plastiksch­lapfen? „Ich habe noch keinen gesehen, aber wir spielen ja auch ohne Publikum. Das ist schade. Ich hoffe, dass so schnell wie möglich wieder Fans ins Stadion kommen dürfen. Die können gerne auch Crocs tragen.“

Und was sagen die Leser des STANDARD jetzt? „Hätte ich ihm nicht zugetraut. Er macht seinen Weg, find ich gut.“

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16 Tore und 16 Assists in 33 Spielen: Raphael Holzhauser ist das Um und Auf im Spiel des Beerschot Voetbalclu­b Antwerpen.

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