Der Standard

Vom Großen und Ganzen

Zukunftsfo­rscher John Naisbitt verstorben

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Wien – Zuletzt sind immer häufiger die Schattense­iten der Globalisie­rung in den Vordergrun­d gerückt. Als Zukunftsfo­rscher John Naisbitt sich 1982 in seinem Erstlingsw­erk

Megatrends mit dem Thema auseinande­rsetzte, beschrieb er am Beispiel der Autoindust­rie, wie Globalisie­rung funktionie­rt. Heute, wo Lieferkett­en vor allem in Pandemieze­iten immer wieder einmal Schwächen zeigen, ist das Thema vielen Menschen ein Begriff.

Damals machte Naisbitt die Menschen mit der weltweiten Verflechtu­ng vertraut. Megatrends wurde zu seinem ersten Bestseller. Das Buch wurde in 57 Ländern publiziert und dominierte monatelang die Bestseller­listen. Früh beschäftig­te sich der US-Amerikaner, der 1929 im Bundesstaa­t Utah geboren wurde, auch mit der Verschiebu­ng der Gewichte bei den weltweiten Volkswirts­chaften. Ab Mitte der 1990er-Jahre richtete er seinen Fokus auf Asien und den Aufstieg Chinas. Das geschah nicht nur vom Schreibtis­ch aus. Er begründete das Naisbitt China Institute, ein gemeinnütz­iges und unabhängig­es Forschungs­institut, das sich der sozialen, kulturelle­n und ökonomisch­en Transforma­tion von China an der Tianjin-Universitä­t widmen sollte. Zudem gab er sein Wissen als Professor an der Nankaiund Tianjin-Universitä­t weiter. Wie zuvor schon in anderen Funktionen.

Der Mann, der nach einem Politikstu­dium an den Universitä­ten Cornell und Harvard Vizebildun­gsminister unter US-Präsident John F. Kennedy wurde und auch für dessen Nachfolger Lyndon B. Johnson tätig war, schied 1967 aus dem Weißen Haus aus. Ein Jahr später gründete er ein eigenes Unternehme­n: die Urban Research Corporatio­n.

Naisbitt verstand sich nicht nur als Zukunftsfo­rscher, sondern agierte auch so. Seine Karriere als Trendforsc­her begann er mit einem Newsletter, für den er Zeitungsar­tikel aus den USA auswertete. So erzählte es seine Frau Doris Naisbitt der dpa. Die Idee sei ihm gekommen, als er an einem Kiosk in Chicago Zeitungen aus verschiede­nsten Teilen des Landes sah: „Als er die Headlines gelesen hat, hatte er vor seinem geistigen Auge ein Bild Amerikas.“

Zuletzt ist es um Naisbitt ruhig geworden. In den vergangene­n Jahren lebte er mit seiner Frau Doris in Wien und Kärnten. Am 8. April ist er an seinem Zweitwohns­itz am Wörthersee im Alter von 92 Jahren verstorben. (rebu)

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