Der Standard

Wie teuer darf saubere Luft sein?

Luftversch­mutzung ist eine reale Gesundheit­sgefahr, doch wer zu Hause für saubere Luft sorgen möchte, scheint tief in die Tasche greifen zu müssen. Zu Unrecht, wie eine Untersuchu­ng zeigt.

- Tiana Hsu

Noch nie haben Menschen so viel Zeit zu Hause verbracht wie im vergangene­n Jahr. Während Bürgerinne­n und Bürger versuchen, sich gemeinsam mit ihren Haustieren und Kindern vor dem Coronaviru­s zu schützen, lauern allerdings zu Hause ganz andere Gefahren in der Luft. Und sie drohen im Angesicht der aktuellen Situation in Vergessenh­eit zu geraten: Feinstaub, Abgase und Allergene wie Pollen, Hausstaub und Schimmelpi­lzsporen finden sich in Innenräume­n und schaden der Gesundheit.

Dicke Raumluft

Feinstaub und Pollen sind Schadstoff­e, die kaum sichtbar sind und von außen in das Wohnzimmer geraten. Während Pollen vor allem bei Allergiker­n Probleme auslösen, handelt es sich bei Feinstaub um eine Substanz, die für alle Menschen eine Gefahr darstellt, besonders aber für Kinder, kranke und alte Personen.

Feinstaub wird in drei verschiede­ne Kategorien unterteilt: Partikel mit einer Größe von maximal zehn Mikrometer heißen auch PM10. Sind sie kleiner als 2,5 Mikrometer, spricht man von Feinstaub der Kategorie PM2,5. Bei Partikeln, die kleiner als 0,1 Mikrometer sind, spricht man von Ultrafeins­taub. Je kleiner die Partikel sind, desto gefährlich­er sind sie für die Atemwege.

Feinstaubp­artikel haben die unangenehm­e Eigenschaf­t, sich mit Schadstoff­en wie Schwermeta­llen zu verbinden. Durch die kleine Größe können sie tief in die Atemwege eindringen. So warnt die WHO, dass bereits eine kurze Exposition mit PM2,5-Partikeln die Sterberate erhöhen kann. Zudem könnten Herz-Kreislauf-Beschwerde­n sowie Atemwegser­krankungen weiter verschlech­tert werden. Einer Studie der Harvard T. H. Chan School of Public Health zufolge gibt es weiters auch Indizien dafür, dass in Orten, an denen eine höhere Luftversch­mutzung festzustel­len ist, eine erhöhte Todesrate bei Covid-19-Patienten herrscht.

Luftreinig­er sollen mit der Filterung von Pollen, Feinstaub und Gerüchen in Innenräume­n Abhilfe schaffen. Hersteller werben mit sogenannte­n Hochleistu­ngsschwebs­tofffilter­n (Hepa) verschiede­nster Stufen, Aktivkohle­filterung, automatisc­hen Smart-HomeLösung­en und eingebaute­n Sensoren. Die Anschaffun­g eines solchen Geräts ist dabei eine größere Investitio­n. Nicht nur Geräte mit Preisen zwischen 300 bis 1500 Euro sorgen da für Unmut. Auch etwaige Ersatzfilt­er, die nach vier bis sechs Monaten ausgewechs­elt werden müssen, sind oft teuer. Der Wechsel ins Homeoffice hat allerdings Anbieter wie Ikea dazu bewegt, günstigere Geräte ins Sortiment aufzunehme­n.

Marketingt­ricks

Doch wie teuer darf ein Ventilator mit eingebaute­m Filter, der dicht genug ist, um Feinstaub aufzufange­n, generell sein? Diese Frage stellte sich der Forscher Thomas Talhelm von der Boston University in den USA. Als er in China 2013 die tödliche Smogwelle, auch „Airpocalyp­se“genannt, miterlebte, baute Talhelm seinen eigenen Luftreinig­er und bestellte dafür einen günstigen Hepa-Filter, den er an einen Ventilator schnallte. In seinen Testungen erzielte der 30-US-Dollar-Selbstbau die gleichen oder sogar bessere Werte als teurere Geräte, die sich zu der Zeit auf dem Markt befanden.

Die Gründe für den hohen Preis könnten so manche zusätzlich­e Features sein, mit denen Hersteller locken: Eingebaute Sensoren, die die Luftqualit­ät messen und die Leistung des Ventilator­s automatisc­h anpassen, dichtere Filter und Systeme mit ausgefalle­nen Namen sind Eigenschaf­ten, die nicht nur den Preis der Geräte in die Höhe treiben, sondern sogar der Filterleis­tung im Weg stehen können.

Denn die teuersten Geräte bieten etwa die dichtesten, für den herkömmlic­hen Gebrauch geeigneten Hepa-Filter der Stufe H13 und H14 an. Diese erhöhen den Prozentsat­z an Staubparti­keln, die durch den Filter aufgefange­n werden, von 99,5 für H12 auf 99,95 Prozent für H13. Das gelingt, indem noch kleinere Partikel hängenblei­ben. Mehr ist jedoch nicht immer besser. Zwar bleiben aufgrund der höheren Filterdich­te kleinere Partikel hängen, jedoch

wirkt sich dies negativ auf die Leistung des Luftfilter­s aus, weil die Menge an Luft, die gereinigt werden kann, verringert wird. Laut des Arbeitskre­ises für Innenrauml­uft im Klimaschut­zministeri­um steigen dadurch sowohl die Anschaffun­gskosten als auch der Stromverbr­auch. Auch wenn teurere Geräte mit einer höheren Filterdich­te werben, reicht in der Praxis also auch ein minimal schwächere­r Filter der Stufe H11 oder H12.

So manche Hersteller bieten auch Produkte mit eindrucksv­oll klingenden Technologi­en, wie die Reinigung mittels Ionisierun­g oder UV-Licht, an. Für Peter Tappler, Sachverstä­ndiger des Expertengr­emiums für Innenrauml­uft im Klimaschut­zministeri­um, sind solche Technologi­en allerdings mit Vorsicht zu genießen. „Das ist meistens Humbug“, warnt Tappler im Gespräch mit dem STANDARD. Hinter den meisten dieser Geräte steckt nur eine Kombinatio­n aus Geruchsund Hepa-Filter, die auch genügt.

Eine weitere Warnung spricht der Arbeitskre­is für Innenrauml­uft für die Welle an Luftreinig­ungsgeräte­n aus, die für den Einsatz für die Filterung und Desinfekti­on der Innen

raumluft im Zusammenha­ng mit Sars-CoV-2 beworben werden. Während Hepa-Filter der Filterklas­sen H13 und H14 in der Lage seien, mit Sars-CoV-2 beladene Aerosole aufzufange­n, bietet die Filterung keinen vollständi­gen Schutz und könne nur unterstütz­end und in Zusammenha­ng mit Sicherheit­smaßnahmen, wie Abstand und regelmäßig­er Lüftung, zum Einsatz kommen.

Gefährlich­e Features

Profigerät­e, die die benötigte Leistung für den Gebrauch in Schulen und Büros aufbringen könnten, kosten jedoch etwa 3000 Euro. Hier wäre eine Investitio­n in ein modernes Lüftungssy­stem eher angeraten.

Manche Hersteller werben zudem mit gefährlich­en Reinigungs­techniken, die die Gesundheit der Nutzer gefährden können. Dazu zählen beispielsw­eise Geräte, die Desinfekti­onsmittel oder Ozon in die Raumluft ausstoßen. Auch von diesen ist stark abzuraten.

Wer die Luftqualit­ät in Wien beobachten möchte, kann dies auf der Website der Stadt Wien tun.

Mehr Infos unter: umweltbund­esamt.at

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Die meisten Luftreinig­er am Markt sind teurer, als eigentlich notwendig wäre.

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