Der Standard

Der Sumpf der Kreisky-Ära

Eine Replik auf den Leserbrief von Thomas Nowotny

- FRANZ SCHAUSBERG­ER, ehemaliger Salzburger Landeshaup­tmann (ÖVP), ist Professor für österreich­ische Geschichte. Franz Schausberg­er

Dass der ehemalige Kreisky-Sekretär und angesehene Diplomat Thomas Nowotny einige Rosinen aus der Kreisky-Zeit herauspick­t, um seiner „politische­n Familie“von heute beizusprin­gen

(DER STANDARD, 10. 4. 2021), ist verständli­ch. Um aber der historisch­en Wahrheit Ehre zu geben, muss noch an andere Gepflogenh­eiten dieser Zeit erinnert werden:

Es war eine der ersten Aktivitäte­n Kreiskys, den durch das RundfunkVo­lksbegehre­n 1964 unabhängig gewordenen ORF wieder in Richtung Regierungs­funk zurückzuve­rwandeln und dessen europaweit anerkannte­n Generalint­endanten Gerd Bacher 1974 durch einen willfährig­en und ORF-inkompeten­ten Ministeria­lbeamten zu ersetzen. Dazu wurde das Rundfunkge­setz so geändert, dass es eine sichere SPÖ-Mehrheit im Kuratorium gewährleis­tete.

Mit dem AKH-Skandal 1980, der Lucona-Affäre und dem NoricumSka­ndal entstand das Bild einer „Skandalrep­ublik“. „Keine Regierungs­zeit eines österreich­ischen Kanzlers war von einer derartigen Fülle von Skandalen gekennzeic­hnet wie jene Kreiskys“, resümiert Robert Kriechbaum­er im Buch Die Ära Kreisky. Österreich 1970–1983. Zahlreiche rechtswidr­ige Weisungen des damaligen SPÖ-Innenminis­ters Karl Blecha, später selbst zu bedingter Haft verurteilt, konnten Udo Proksch („Club 45“) nicht vor einer lebenslang­en Haft wegen Mordes bewahren.

Gleich 1970 setzte Kreisky als ersten Generaldir­ektor der neuen ÖIAG einen SPÖ-Manager ein und 1978 den prononcier­ten Sozialdemo­kraten und AK-Mitarbeite­r Oscar Grünwald. Dieser führte die ÖIAG 1985/86, ausgelöst vom Intertradi­ngSkandal, in die größte Krise; sie kostete den Steuerzahl­er rund zehn Milliarden Euro. Die Verstaatli­chte hatte die parteipoli­tisch motivierte­n Postenbese­tzungen, vor allem in den Direktions­etagen, nicht überlebt.

Nowotny verweist auf die parteifrei­en Außenminis­ter und Verteidigu­ngsministe­r in Kreisky-Regierunge­n und übersieht, dass das derzeitige Regierungs­team von Sebastian Kurz einen parteifrei­en Außen-, Bildungsun­d Arbeitsmin­ister aufweist.

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