Der Standard

Der Geruch des kleineren Übels

Nicht begeistert, sondern eher pflichtsch­uldig stellt sich die CDU hinter Laschet

- Birgit Baumann

Es gab eine Zeit, da galt die deutsche Kanzlerin als „lame duck“. Im Herbst 2018, als Angela Merkel ankündigte, sich vom CDU-Vorsitz zurückzuzi­ehen und auch nicht mehr nach der Bundestags­wahl 2021 zur Verfügung zu stehen, dachten viele: Das war’s jetzt.

Merkel würde nur ein paar Monate im Kanzleramt absitzen, dann ihr Nachfolger oder ihre Nachfolger­in übernehmen. Doch weit gefehlt. Merkel ist immer noch da, und mittlerwei­le, angesichts des Chaos in der Union, sagen selbst ihr nicht wohlgesonn­ene Parteifreu­nde: Gott sei Dank!

Dass sich Merkels Wunschnach­folgerin Annegret Kramp-Karrenbaue­r als Fehlbesetz­ung erwiesen hat, war zwar im Drehbuch zum Machterhal­t so nicht vorgesehen, aber noch verschmerz­bar. Es gibt ja auch noch Männer in der Union, die was werden wollen – so etwa CDU-Chef Armin Laschet und der CSUVorsitz­ende Markus Söder.

Aber die beiden schafften es nicht so, wie man sich das vorstellt. Stabilität und Kontinuitä­t wünschen sich UnionsWähl­erinnen und -Wähler. Sie halten CDU/CSU nicht für eine, sondern für die Kanzler(innen)partei. Nun müssen sie zusehen, wie die Union hampelt und strampelt und schon die Kanzlerkan­didatur nicht geordnet hinbekommt.

Dass es zwei Ambitionie­rte gibt, ist nicht das Problem. Auswählen zu können tut gut, und die Kampfkandi­daturen um den CDU-Vorsitz – als auch noch Friedrich Merz im Rennen war – hat die CDU auch gemanagt.

Die Schwierigk­eit ist vielmehr, dass die Union bei dieser Kanzlerkan­didatur ihre Wahl nicht frohgemut und zuversicht­lich zwischen zwei Kandidaten trifft, die sie selbst für sehr stark hält.

Niemand brennt absolut für Laschet, es gibt keine Begeisteru­ng. Seine schlechten Umfragewer­te machen Angst, es grassiert die Frage: Kann der das überhaupt?

Daher lautete das Motto der chaotische­n Kandidaten­kür auch am Montag: Welcher ist denn das kleinere Übel? Mit wem richten wir den wenigsten Schaden im Wahlkampf an? Und natürlich wollte man den eigenen Chef auch nicht beschädige­n, indem man sich in Söders bayerische Arme warf.

Wenn die CDU sich nicht hinter Laschet gestellt hätte, dann hätte das eine

Kettenreak­tion ausgelöst. Bei einem solchen Misstrauen­svotum wäre Laschet nichts anderes übriggebli­eben als der Rücktritt. Und dann wäre die CDU wieder ohne Chef dagestande­n.

Das Votum für Laschet war also ein logisches und pflichtsch­uldiges. Doch Aufbruchss­timmung entsteht so keine. Vielmehr demonstrie­rte die Union in den vergangene­n Wochen, wie unglaublic­h schwer sie sich damit tut, jene Lücke zu füllen, die Merkel nach der Bundestags­wahl hinterlass­en wird.

Originelle­rweise zeigen ausgerechn­et die deutschen Grünen, die von der Union oft als Chaoten verspottet werden, wie man eine Kanzlerkan­didatur auch organisier­en kann. Ihre beiden Chefs, Robert Habeck und Annalena Baerbock, werden am kommenden Montag einen gemeinsame­n Vorschlag machen. Ende der Mitteilung.

Es gibt kein Drama, man kommt ohne hundert öffentlich angekündig­te Sitzungen und Krisengipf­el aus. Das ist vergleichs­weise verblüffen­d, aber auch sehr wohltuend. So könnte man vielleicht das Kanzleramt gewinnen. Das Schauspiel der Union trägt eher dazu bei, es nach 16 Jahren möglicherw­eise zu verlieren.

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