Der Standard

Slowenisch­er Vorschlag verstört den Balkan

Papier, das angeblich von Premier Janša stammt, schlägt neue Grenzen nach ethnischen Kriterien vor

- Adelheid Wölfl

Die politische­n „Lösungen“in dem Text lesen sich wie Anleitunge­n für die nächsten Kriege auf dem Balkan. Die slowenisch­e Plattform Necenzurir­ano hat am Mittwoch ein Non-Paper geleakt, dessen Inhalt seit Tagen schon die Gerüchtekü­che in Südosteuro­pa heftig brodeln lässt. Es soll angeblich vom slowenisch­en Premiermin­ister Janez Janša verfasst und einigen europäisch­en Regierungs­chefs und Ratspräsid­ent Charles Michel übermittel­t worden sein.

Darin wird vorgeschla­gen, die gesamte Nachkriegs­ordnung in Südosteuro­pa zu zerstören und neue Grenzen nach ethnischen Kriterien zu ziehen, also genau das zu machen, was in den 1990er-Jahren zu den Kriegen in Kroatien und in Bosnien-Herzegowin­a geführt hat.

Vor einigen Tagen hat bereits der slowenisch­e Präsident Borut Pahor erwähnt, dass es solche Überlegung­en geben würde. Er hatte bereits im September vorigen Jahres davon bei einem Besuch in Nordmazedo­nien gesprochen. Möglicherw­eise wollte Pachor vor den Ambitionen seines eigenen Premiers, nämlich Janša, warnen.

Ein Teil des Textes soll laut Necenzurir­ano zudem in Budapest geschriebe­n worden sein. Dabei ist interessan­t, dass Janša sowohl politisch-ideologisc­h als auch wirtschaft­lich eng mit dem Premier von Ungarn, Viktor Orbán, verbunden ist. Das Pikante an dem Papier ist, dass Slowenien im Sommer die EURatspräs­identschaf­t übernehmen wird und dass völkische Nationalis­ten auf dem Balkan tatsächlic­h versuchen, Grenzen entlang ethnischer Kriterien zu ziehen.

Erstaunen in Sarajevo

Insbesonde­re in Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegovin­as, einem Staat, welcher laut dem NonPaper zerstückel­t und zerstört werden soll – genauso wie es die Kriegstrei­ber in den 1990ern versuchten –, reagierte man heftig auf das slowenisch­e Papier, zumal Slowenien bisher immer als enger Freund von Bosnien-Herzegowin­a galt.

Željko Komšić, Mitglied des bosnischen Staatspräs­idiums meint: „Dieses Papier, diese Politik, alles, was diese Ideen hervorbrin­gt, ist heute in einigen europäisch­en Ländern leider an der Macht und tief im Inneren durch Muslimenfe­indlichkei­t und Antisemiti­smus motiviert.“

Komšić meinte zudem, dass die Aktion mit dem Non-Paper vorbereite­t gewesen sei. „Natürlich ist es gefährlich, dass der extreme Faschismus, Nationalis­mus und Chauvinism­us, der in einigen europäisch­en Ländern die Macht übernahm, nun Institutio­nen wie den diplomatis­chen Apparat, die Geheimdien­ste und die gesamte staatliche Infrastruk­tur zur Verfügung hat“, so Komšić weiter. „Es scheint, dass diese „europäisch­en Freunde von uns sehr schnell die historisch­en Erfahrunge­n und Hitler vergessen haben“, erinnerte er an ähnliche völkische Ideologien.

Das slowenisch­e Außenminis­terium hatte keine Ahnung von der Existenz des Non-Papers, das angeblich von Janša stammt. Außenminis­ter Anže Logar meinte, dass sich die Strategie Sloweniens gegenüber dem westlichen Balkan nicht geändert habe. In Medien wird darüber spekuliert, dass jenseits von Orbán auch die Regierung in Belgrad ein Interesse an der Verbreitun­g des Non-Papers haben könnte. Denn der serbische Präsident Aleksandar Vučić war bereits vor drei Jahren für Grenzänder­ungen nach ethnischen Kriterien im Fall von Kosovo und Serbien eingetrete­n.

Die bosnische Außenminis­terin Bisera Turković meinte zu alldem: „Ich bin überzeugt, dass keine ernsthafte Person innerhalb der EU für die Idee sein kann, die Integrität eines Landes zu bedrohen, selbst wenn rückständi­ge Kräfte in Bosnien-Herzegowin­a versuchen, die Idee der Teilung als legitim darzustell­en.“Sie wertete das Papier als einen Versuch dieser Kräfte, jene Ziele zu erreichen, die sie im Krieg nicht erreichen konnten. „Als Bosnien-Herzegowin­a kämpfen wir seit langem gegen bösartige Propaganda“, so Turković. Janša bestritt die Existenz des Dokuments nicht ausdrückli­ch.

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