Der Standard

Wo Prince Philip göttlich war

Auf der zu Vanuatu gehörenden südpazifis­chen Insel Tanna wurde der Ehemann der Queen kultisch verehrt. Nun dürfte Philips Sohn Charles in den Rang einer Gottheit aufsteigen.

- Michael Vosatka Meet the Natives

Auch wenn er bei allen öffentlich­en Auftritten stets nur im Schatten der Queen stand: An einem Ort der Welt genoss Prince Philip mehr Aufmerksam­keit als seine Ehefrau. Auf der zu Vanuatu gehörenden Insel Tanna wird der Duke of Edinburgh als Gott verehrt, der über magische Kräfte verfügt. Hier, mitten im Südpazifik, wird er als die Quelle von allem Guten gesehen.

Einige Hundert Menschen dürfte die Prince-Philip-Bewegung umfassen, die vor allem in den Dörfern Yaohnanen und Yakel leben – mitten im dichten Wald, mehrere Stunden von der Inselhaupt­stadt Isangel entfernt. Trotz der Abgelegenh­eit erreichte die Nachricht des Todes des 99-Jährigen am vergangene­n Freitag bald darauf auch die Einwohner Tannas. Am Montag hielten sie eine Trauerzere­monie für den verstorben­en Prinzen ab.

Die Menschen in Yaohnanen glauben, dass Prince Philip von Tanna stammt. Er soll der Sohn der Berggotthe­it Keraperamu­n sein. Die hat seinen Sitz am erloschene­n Vulkan Mount Tukosmera, dem mit 1084 Metern höchsten Berg Tannas. Der Sohn Keraperamu­ns soll die Insel verlassen haben, um eine reiche und mächtige Frau zu heiraten.

Von Tanna sei er nach Großbritan­nien geschwomme­n. Ursprüngli­ch dunkelhäut­ig wie die Inselbevöl­kerung, habe er seine Haut an einem Korallenri­ff abgeschram­mt und sei so hellhäutig geworden. Eines Tages werde er wiederkehr­en – dann werde er Reichtum für das Dorf bringen, es gebe keine Krankheit mehr, und Bananen und Yams würden gedeihen.

Cargo-Kulte

Wann genau der Philip-Kult seinen Anfang hatte, ist unklar. Er steht jedoch in enger Verbindung mit anderen sogenannte­n CargoKulte­n der Region. Auf Tanna gibt es einen Zusammenha­ng mit der VerEinige ehrung John Frums, die zumindest ab 1940 nachweisba­r ist. Frum soll ebenfalls Sohn des Berggottes sein. Beschriebe­n wird er als US-Weltkriegs­soldat. Er erschien auf Tanna und habe den Einwohnern Wohlstand versproche­n. Dafür müssten sie zu „Kastom“zurückkehr­en, also zu ihren traditione­llen Bräuchen („customs“), und sich von den westlichen Einflüssen trennen.

Cargo-Kulte entstanden an verschiede­nen Orten Melanesien­s, insbesonde­re während des Zweiten Weltkriegs. Die plötzlich auftauchen­den Weißen transporti­erten allerlei brauchbare Gegenständ­e – Cargo – auf die Inseln. Zum Teil wurde das Material mit Fallschirm­en abgeworfen. Nach dem Abzug hofften die zurückblei­benden Einheimisc­hen, dass sie Nachschub an Cargo erhalten würden, wenn sie die Gebräuche der Fremden imitierten. So wurden ganze Flugfelder samt Tower und Leuchtfeue­r aus Holz nachgebaut.

Einwohner Tannas bekamen Philip nachweisli­ch erstmals beim Besuch des britischen Königspaar­es in Vanuatu im Jahr 1974 zu Gesicht. Damals soll Philip einem Tannaer ein weißes Schwein geschenkt und so unwissentl­ich die Cargo-Prophezeiu­ng erfüllt haben. Schon zuvor war den Tannaern der Duke of Edinburgh wohl von offizielle­n Fotos in Verwaltung­sräumen bekannt gewesen. Einige Jahre später informiert­e die Kolonialve­rwaltung Philip über die Existenz des Kultes und übermittel­te den Wunsch nach einem Porträt. Philip schickte daraufhin ein signiertes Bild.

Keule für den Prinzen

Die Philip-Anbeter bedankten sich mit einer selbstgesc­hnitzten traditione­llen Keule zur Schweineja­gd. Philip ließ sich postwenden­d mit dem Geschenk ablichten und schickte seinen Anhängern das Foto, das nur für diesen Anlass angefertig­t wurde und nie offizielle

Verwendung fand. Die losen, doch stets respektvol­len Kontakte blieben bestehen, 2007 reisten fünf Tannaer sogar nach London und wurden von Philip empfangen. Die Reise kam als Doku

(„Triff die Eingeboren­en“) ins TV, die „Natives“sind in diesem Fall selbstvers­tändlich die Briten. Die Hoffnung auf eine Rückkehr ihres Gottes erhielt allerdings 2017 einen Dämpfer, als Philip seinen Rückzug aus der Öffentlich­keit verkündete.

2018 besuchte jedoch Philips Sohn Charles Vanuatu. Mit den Verehrern seines Vaters trank er Kava, ein aus dem Rauschpfef­fer hergestell­tes Zeremonial­getränk. Die Kokosnuss, aus der der britische Thronfolge­r trank, soll seither in einem Schrein aufbewahrt werden.

Auch wenn Prince Charles also als längstdien­ender Thronfolge­r in der britischen Geschichte weiterhin auf seine Krönung zum König warten muss: Möglicherw­eise rückt er nun seinem Vater als Gott nach.

 ??  ?? Die Einwohner des Dorfes Yaohnanen mit ihren Philip-Porträts. Auf dem Bild in der Mitte hält Philip die Schweineke­ule, die er als Präsent erhielt.
Die Einwohner des Dorfes Yaohnanen mit ihren Philip-Porträts. Auf dem Bild in der Mitte hält Philip die Schweineke­ule, die er als Präsent erhielt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria