Blaues Aufbegehren gegen Hofer
Der blaue Bundesrat Hübner spricht in einem Podcast unverblümt über Parteiinterna. An Kritik an Parteichef Norbert Hofer spart er nicht. Laut Hübner müsse die FPÖ zu einer gemeinsamen Formel finden oder eine „Trennung im Vernünftigen“vornehmen.
Unter Gesinnungskameraden sitzt die Zunge im Gespräch an sich schon lockerer. Und dann ist Johannes Hübner auch noch für sein exponiertes Auftreten bekannt. So war es für Weggefährten auch nicht überraschend, dass der freiheitliche Bundesrat im Podcast des rechtsextremen Magazins
sehr offen über Parteiinterna sprach. Insbesondere über den jüngsten Ärger des FPÖ-Parlamentsklubs. Hübner sparte nicht mit Spitzen gegen Parteifrontmann Norbert Hofer. Vielleicht sei in Zukunft gar eine „Trennung im Vernünftigen“notwendig.
Die Doppelspitze Hofer und Kickl „hat schwierige Stunden erlebt“, erzählt Hübner. Schuld ist der Parteichef. Der setzte vor einer Woche einen Tweet ab – in diesem warf Hofer jenen, die im Parlament keine Maske tragen, „Selbstüberhöhung über alle Menschen“vor. Indirekt konnte damit Kickl gemeint sein, ein prononcierter Gegner der Maßnahme.
Eine krachende Niederlage
Hofer trug als Dritter Nationalratspräsident also die Maskenpflicht im Parlament mit, die Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) durchsetzen wollte. Damit durchkreuzte er die Linie von Klubchef Herbert Kickl. Der Tenor in einer Klubsitzung dazu schwankte laut Hübner „zwischen Erstaunen, Entsetzen, Verärgerung und Verwunderung“. Hübners Darstellung bestätigen dem STANDARD auch andere Abgeordnete.
Doch Hofer musste eine krachende Niederlage einstecken. Niemand im Klub unterstützte das Ansinnen des Dritten Nationalratspräsidenten. Im Gegenteil: Die Blauen stellten sich allesamt hinter Kickl. Sie beschlossen auch formal, die kantige Corona-Linie des ExInnenministers beizubehalten. Abgesehen davon wurde mit Nachdruck ein fliegender Wechsel in eine Koalition mit der ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz per Beschluss unterbunden. Auch das kann im weitesten Sinne wohl als eine Kante gegen Hofer interpretiert werden. Kritiker sagen dem Burgenländer nach, dass er auch verwässerte freiheitliche Werte in Kauf nimmt, um die FPÖ regierungsfit wirken zu lassen.
„Er kann zu nichts verpflichten“
Hofer selbst nahm an der Klubsitzung nicht teil. Er ließ sich wegen eines Krankheitsfalls in der Familie entschuldigen. Das Angebot, sich via Videostream zuzuschalten, habe Hofer ausgeschlagen. Das findet Hübner genauso „unverständlich“wie den Umstand, dass Hofers Entschuldigungsgrund just mit dem Aufruf der Nationalratssitzung geendet hat. Da soll der Parteichef nämlich plötzlich aufgetaucht sein. Aber laut Hübner hätten Parteikollegen ohnehin gemeint, die Maskenposition Hofers wäre „unverteidigbar“gewesen und dass es besser sei, dass er nicht gekommen war. Und Hübner schießt hinterher: „Er kann nicht für die Abgeordneten sprechen und sie zu gar nichts verpflichten.“Hofer sei schließlich nicht Klubobmann. Das ist bekanntermaßen Kickl.
Hübner geht aber noch weiter. Zwar spricht er sich klar dafür aus, dass man sich zum „Gaudium des Systems“keinen Krieg in der Partei leisten solle. Man müsse also versuchen, sich in der FPÖ wieder auf eine gemeinsame Formel zu einigen. Sollte dies nicht gelingen, stellt er aber eine „Trennung im Vernünftigen und im Interesse der Bewegung, der Partei und unserer Weltanschauung“in den Raum. Man könne sich aber mit Hofer zusammensetzen „und sagen, wie lösen wir das Problem“, sagt Hübner.
Der „Karren des Systems“
Die kantige Oppositionspolitik werde in der FPÖ durch Kickl und den FPÖ-Klub gemacht, wie der Bundesrat betont. „Der Bundesparteiobmann muss nichts Weiteres tun, als diese kantige Politik mitzutragen und sich davor zu hüten, irrtümlich – sei es nach einer durchwachten Nacht oder warum auch immer – vor den Karren des Systems gespannt zu werden und das Spiel eines Wöginger oder Kurz zu spielen. Das kann er. Der braucht sich nur hinzusetzen, zu überlegen, und dann wird er zu den richtigen Schlüssen kommen.“Im Umfeld von Hofer wird besonders diese Bemerkung kritisch gesehen. Sie lege nahe, dass Hofer die Nacht durchgefeiert habe, tatsächlich sei ein Familienmitglied spätnachts ins Krankenhaus eingeliefert worden.
Im Laufe des Podcasts macht Hübner keinen Hehl daraus, wer das „Problem“ist – nämlich Norbert Hofer. Auch als er sagt: „Es gibt einen Schuldigen, ich glaube aber, dass der Schuldige die Fehler eingesehen hat und wieder ins Boot kommen wird.“
Hofer sagt dem STANDARD, dass er als Dritter Nationalratspräsident „streng überparteilich“sei. Als Parteichef vertrete er die Linie der FPÖ. Diese Trennung habe bisher gut funktioniert. Im Büro von Klubchef Herbert Kickl will man die Aussagen Hübners nicht weiter kommentieren. Man verweist lediglich auf die beiden Beschlüsse, die der Klub gefällt und sich damit für die kantigere Corona-Politik der Freiheitlichen ausgesprochen habe.
Ein überraschendes Comeback
Der blaue Bundesrat Hübner selbst ist kein unumstrittener Politiker. 2017 kandidierte er nicht mehr für den Nationalrat, da Antisemitismusvorwürfe gegen ihn aufkamen. Bei der als rechtsextrem eingestuften Gesellschaft für freie Publizistik e. V. (GfP) in Thüringen behauptete Hübner 2016 tatsachenwidrig, der Schöpfer der heimischen Bundesverfassung, Hans Kelsen, heiße „eigentlich Hans Kohn, aber er hat sich Kelsen genannt“.
Der weitverbreitete jüdische Nachname Kohn diente in NS-Kreisen als verächtliche Bezeichnung Kelsens. Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes handelte es sich dabei um eine „Markierung Kelsens als jüdisch und die gleichzeitige Vorhaltung der Verschleierung seines Jüdisch-Seins“. Nach der Wien-Wahl 2020 gab Hübner überraschend sein Comeback und zog in den Bundesrat ein.