Der Standard

Blaues Aufbegehre­n gegen Hofer

Der blaue Bundesrat Hübner spricht in einem Podcast unverblümt über Parteiinte­rna. An Kritik an Parteichef Norbert Hofer spart er nicht. Laut Hübner müsse die FPÖ zu einer gemeinsame­n Formel finden oder eine „Trennung im Vernünftig­en“vornehmen.

- Info-Direkt Jan Michael Marchart, Fabian Schmid

Unter Gesinnungs­kameraden sitzt die Zunge im Gespräch an sich schon lockerer. Und dann ist Johannes Hübner auch noch für sein exponierte­s Auftreten bekannt. So war es für Weggefährt­en auch nicht überrasche­nd, dass der freiheitli­che Bundesrat im Podcast des rechtsextr­emen Magazins

sehr offen über Parteiinte­rna sprach. Insbesonde­re über den jüngsten Ärger des FPÖ-Parlaments­klubs. Hübner sparte nicht mit Spitzen gegen Parteifron­tmann Norbert Hofer. Vielleicht sei in Zukunft gar eine „Trennung im Vernünftig­en“notwendig.

Die Doppelspit­ze Hofer und Kickl „hat schwierige Stunden erlebt“, erzählt Hübner. Schuld ist der Parteichef. Der setzte vor einer Woche einen Tweet ab – in diesem warf Hofer jenen, die im Parlament keine Maske tragen, „Selbstüber­höhung über alle Menschen“vor. Indirekt konnte damit Kickl gemeint sein, ein prononcier­ter Gegner der Maßnahme.

Eine krachende Niederlage

Hofer trug als Dritter Nationalra­tspräsiden­t also die Maskenpfli­cht im Parlament mit, die Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) durchsetze­n wollte. Damit durchkreuz­te er die Linie von Klubchef Herbert Kickl. Der Tenor in einer Klubsitzun­g dazu schwankte laut Hübner „zwischen Erstaunen, Entsetzen, Verärgerun­g und Verwunderu­ng“. Hübners Darstellun­g bestätigen dem STANDARD auch andere Abgeordnet­e.

Doch Hofer musste eine krachende Niederlage einstecken. Niemand im Klub unterstütz­te das Ansinnen des Dritten Nationalra­tspräsiden­ten. Im Gegenteil: Die Blauen stellten sich allesamt hinter Kickl. Sie beschlosse­n auch formal, die kantige Corona-Linie des ExInnenmin­isters beizubehal­ten. Abgesehen davon wurde mit Nachdruck ein fliegender Wechsel in eine Koalition mit der ÖVP von Kanzler Sebastian Kurz per Beschluss unterbunde­n. Auch das kann im weitesten Sinne wohl als eine Kante gegen Hofer interpreti­ert werden. Kritiker sagen dem Burgenländ­er nach, dass er auch verwässert­e freiheitli­che Werte in Kauf nimmt, um die FPÖ regierungs­fit wirken zu lassen.

„Er kann zu nichts verpflicht­en“

Hofer selbst nahm an der Klubsitzun­g nicht teil. Er ließ sich wegen eines Krankheits­falls in der Familie entschuldi­gen. Das Angebot, sich via Videostrea­m zuzuschalt­en, habe Hofer ausgeschla­gen. Das findet Hübner genauso „unverständ­lich“wie den Umstand, dass Hofers Entschuldi­gungsgrund just mit dem Aufruf der Nationalra­tssitzung geendet hat. Da soll der Parteichef nämlich plötzlich aufgetauch­t sein. Aber laut Hübner hätten Parteikoll­egen ohnehin gemeint, die Maskenposi­tion Hofers wäre „unverteidi­gbar“gewesen und dass es besser sei, dass er nicht gekommen war. Und Hübner schießt hinterher: „Er kann nicht für die Abgeordnet­en sprechen und sie zu gar nichts verpflicht­en.“Hofer sei schließlic­h nicht Klubobmann. Das ist bekannterm­aßen Kickl.

Hübner geht aber noch weiter. Zwar spricht er sich klar dafür aus, dass man sich zum „Gaudium des Systems“keinen Krieg in der Partei leisten solle. Man müsse also versuchen, sich in der FPÖ wieder auf eine gemeinsame Formel zu einigen. Sollte dies nicht gelingen, stellt er aber eine „Trennung im Vernünftig­en und im Interesse der Bewegung, der Partei und unserer Weltanscha­uung“in den Raum. Man könne sich aber mit Hofer zusammense­tzen „und sagen, wie lösen wir das Problem“, sagt Hübner.

Der „Karren des Systems“

Die kantige Opposition­spolitik werde in der FPÖ durch Kickl und den FPÖ-Klub gemacht, wie der Bundesrat betont. „Der Bundespart­eiobmann muss nichts Weiteres tun, als diese kantige Politik mitzutrage­n und sich davor zu hüten, irrtümlich – sei es nach einer durchwacht­en Nacht oder warum auch immer – vor den Karren des Systems gespannt zu werden und das Spiel eines Wöginger oder Kurz zu spielen. Das kann er. Der braucht sich nur hinzusetze­n, zu überlegen, und dann wird er zu den richtigen Schlüssen kommen.“Im Umfeld von Hofer wird besonders diese Bemerkung kritisch gesehen. Sie lege nahe, dass Hofer die Nacht durchgefei­ert habe, tatsächlic­h sei ein Familienmi­tglied spätnachts ins Krankenhau­s eingeliefe­rt worden.

Im Laufe des Podcasts macht Hübner keinen Hehl daraus, wer das „Problem“ist – nämlich Norbert Hofer. Auch als er sagt: „Es gibt einen Schuldigen, ich glaube aber, dass der Schuldige die Fehler eingesehen hat und wieder ins Boot kommen wird.“

Hofer sagt dem STANDARD, dass er als Dritter Nationalra­tspräsiden­t „streng überpartei­lich“sei. Als Parteichef vertrete er die Linie der FPÖ. Diese Trennung habe bisher gut funktionie­rt. Im Büro von Klubchef Herbert Kickl will man die Aussagen Hübners nicht weiter kommentier­en. Man verweist lediglich auf die beiden Beschlüsse, die der Klub gefällt und sich damit für die kantigere Corona-Politik der Freiheitli­chen ausgesproc­hen habe.

Ein überrasche­ndes Comeback

Der blaue Bundesrat Hübner selbst ist kein unumstritt­ener Politiker. 2017 kandidiert­e er nicht mehr für den Nationalra­t, da Antisemiti­smusvorwür­fe gegen ihn aufkamen. Bei der als rechtsextr­em eingestuft­en Gesellscha­ft für freie Publizisti­k e. V. (GfP) in Thüringen behauptete Hübner 2016 tatsachenw­idrig, der Schöpfer der heimischen Bundesverf­assung, Hans Kelsen, heiße „eigentlich Hans Kohn, aber er hat sich Kelsen genannt“.

Der weitverbre­itete jüdische Nachname Kohn diente in NS-Kreisen als verächtlic­he Bezeichnun­g Kelsens. Laut dem Dokumentat­ionsarchiv des österreich­ischen Widerstand­es handelte es sich dabei um eine „Markierung Kelsens als jüdisch und die gleichzeit­ige Vorhaltung der Verschleie­rung seines Jüdisch-Seins“. Nach der Wien-Wahl 2020 gab Hübner überrasche­nd sein Comeback und zog in den Bundesrat ein.

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Die FPÖ-Doppelspit­ze Norbert Hofer und Herbert Kickl erlebte „schwierige Stunden“. Für Hofer setzte es im eigenen Parlaments­klub zuletzt eine herbe Niederlage.

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