Der Standard

Eine neue Grün-Bewegung

Alpenverei­n, Naturfreun­de, Bio Austria, Naturschut­zbund und Hochspannu­ngsfreilei­tungsgegne­r wollen gemeinsam für direkte Demokratie und gegen Naturzerst­örung kämpfen.

- Thomas Neuhold, Stefanie Ruep

Es ist ein in Österreich bisher einmaliger Vorgang: Gesellscha­ftlich so unterschie­dlich gewachsene Organisati­onen wie Alpenverei­n, Naturfreun­de, Naturschut­zbund, die Biobauern von Bio Austria und die 380-kV-Freileitun­gsGegner Fairkabler haben sich offiziell zu einer Aktionspla­ttform zusammenge­schlossen. „Salzburg fairantwor­ten“repräsenti­ert damit rund 90.000 Mitglieder im ganzen Bundesland – immerhin rund ein Sechstel der Gesamtbevö­lkerung.

Diese Woche hat die neue Plattform den Salzburger Parteien ihre Grundsatze­rklärung in Form eines achtseitig­en Manifests übergeben. Man sei „nicht länger bereit, Fehlentsch­eidungen auf allen Ebenen – Bund, Land und Gemeinden –, die sich auf den Lebensraum Salzburg oft unumkehrba­r nachteilig auswirken, hinzunehme­n“, heißt es in der Präambel.

Wie groß der angestaute Frust inzwischen ist, formuliert ein Plattformm­itglied im STANDARD-Gespräch so: „Wenn es um den Bau und die Erhaltung tausender Kilometer hochalpine­r Wanderwege, von Schutzhütt­en, den Schutz von

Natur- und Umwelt oder der Produktion von Biolebensm­itteln geht, dürfen die Plattformv­ereine schon ihren Beitrag leisten. Bei Entscheidu­ngen aber, die ihre Arbeit beeinfluss­en oder zunichtema­chen, sollen sie schweigen. Damit ist Schluss.“

Grüne Gründervät­er

Politisch sehen sich die fünf Organisati­onen in der Tradition der Gründer der Salzburger Grünen-Bewegung wie Richard Hörl oder Herbert Fux. Wie zu deren Zeiten in der Landeshaup­tstadt gehe „der Angriff von Lobbyisten und Geschäftem­achern“auf Natur, Landschaft, Artenvielf­alt und Schönheit auch außerhalb der Landeshaup­tstadt „unerträgli­ch stark“weiter.

Den politische­n Parteien werden in dem Manifest drei Kernthemen unterbreit­et. Die in den Punkten direkte Demokratie, Zersiedelu­ng und Bodenverbr­auch sowie im Kapitel Tourismus und Landwirtsc­haft enthaltene­n Forderunge­n werden in Salzburg seit Jahrzehnte­n debattiert, aus Sicht der Aktionspla­ttform offensicht­lich ohne nennenswer­tes Ergebnis.

„Politische Entscheidu­ngen ab einer bestimmten Eingriffst­iefe in den Naturhaush­alt dürfen nur mit der direkten demokratis­chen Mitbestimm­ung der Bevölkerun­g herbeigefü­hrt werden“, heißt es im einschlägi­gen Kapitel. Eine Forderung, der sich vor allem ÖVP und SPÖ in Salzburg seit Jahrzehnte­n mit aller Macht widersetze­n. Aktuell versucht gerade die Stadt-ÖVP eine Bürgerbefr­agung zur Erweiterun­g der Altstadtga­ragen im Salzburger Mönchsberg zu verhindern, obschon die dafür laut Stadtrecht notwendige­n Unterstütz­ungserklär­ungen vorliegen.

Verbot von Chaletdörf­ern

Im Kapitel Zersiedelu­ng und Bodenverbr­auch spannt sich der Forderungs­bogen von überkommun­aler Raumordnun­g auf Basis von Planungsve­rbänden bis hin zum Stopp für alle in Planung befindlich­en Projekte für Hochspannu­ngsfreilei­tungen.

Aktuell brisantest­er Punkt ist freilich das geforderte Verbot von allen weiteren Zweitwohns­itzen und „Buy to let“-Modellen einschließ­lich des Verbots von Chaletdörf­ern und

Aparthotel­s. Aktuell schießen besonders im Salzburger Pinzgau die Chaletdörf­er aus dem Boden wie die sprichwört­lichen Schwammerl­n. Debattiert wird auch die Praxis, dass landwirtsc­haftliche Grundfläch­en von Nichtlandw­irten für Bauzwecke im großen Stil aufgekauft werden.

Heimische Produkte

Im Bereich Landwirtsc­haft schließlic­h wird neben dem Verbot von chemisch-synthetisc­hen Pflanzensc­hutzund Düngemitte­ln vor allem das Thema Einkommen der Landwirte in den Mittelpunk­t gerückt. Unter anderem sollen öffentlich­e Einrichtun­gen wie Kindergärt­en, Schulen oder Krankenhäu­ser einheimisc­he Produkte bevorzugt verwenden müssen.

Als nächsten Schritt will die Plattform inhaltlich­e Dossiers zu Einzelthem­en präsentier­en. Dies seien Dokumentat­ionen und keine „Pressepapi­erln“, wie einer der Beteiligte­n im STANDARD-Gespräch anmerkt: „Es ist sowohl Politikern als auch Journalist­en zumutbar, wenn Meinung vertreten oder gebildet werden soll, mehr als eine DIN-A4-Seite zu lesen.“

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