Der Standard

Hunderttau­senden Berlinern droht Mietnachza­hlung

Mietendeck­el ist verfassung­swidrig

- Birgit Baumann aus Berlin

In der OMV-Zentrale in Wien ging es zuletzt rau zu. Dort soll schon bald ein sechster Vorstand einziehen.

Wie gewonnen, so zerronnen. Das trifft derzeit auf unzählige Mieterinne­n und Mieter in der deutschen Hauptstadt zu. Da der vom rot-rotgrünen Senat erdachte Mietendeck­el verfassung­swidrig ist, müssen sie jene Miete wieder nachzahlen, die sie seit Dezember 2020 einsparen haben können.

Der Mietendeck­el werde ein Vorbild für andere Städte sein – so überzeugt hatte sich der Berliner Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) gegeben. Weil bezahlbare­r Wohnraum in Berlin immer knapper wird, legte der rot-rot-grüne Senat Obergrenze­n bei der Miete fest.

Diese sollten für fünf Jahre in neun von zehn Wohnungen (insgesamt 1,5 Millionen) gelten, Neubauten waren ausgenomme­n. Pro Jahr wäre es insgesamt, so die Schätzung des Senats, zu einer Absenkung von 2,5 Milliarden Euro bekommen.

Gegen das Gesetz klagten 280 Bundestags­abgeordnet­e von FDP und Union, auch das Berliner Landgerich­t und ein Amtsgerich­t hatten Karlsruhe eingeschal­tet und um Klärung gebeten. Und dort wurde nun entschiede­n: Das Gesetz für einen Mietendeck­el ist nichtig, weil Berlin gar nicht zuständig ist, die Kompetenz liegt beim Bund.

Senat gibt Finanzhilf­en

Somit können Eigentümer die abgesenkte Miete nachverlan­gen, in Zukunft gelten wieder die alten Mieten. Darauf wies vorsorglic­h nach dem Urteil auch die Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung hin: „Für die Mieterinne­n und Mieter bedeutet dies, dass sie wieder die mit ihren Vermieteri­nnen und Vermietern auf Grundlage des Bürgerlich­en Gesetzbuch­es vereinbart­en Mieten zu entrichten und gegebenenf­alls auch die Differenz zwischen der Mietendeck­elmiete und der Vertragsmi­ete nachzuzahl­en haben.“

Der Senat will mit Finanzhilf­en einspringe­n, wenn jemand diese Differenz nicht zahlen kann. Auch Andreas Ibel, der Präsident des Bundesverb­ands Freier Immobilien­und Wohnungsun­ternehmen (BFW), erklärte: „Bei jetzt fällig werdenden Mietnachza­hlungen appelliere­n wir an alle Marktteiln­ehmer, sozial verantwort­lich zu handeln.“

Deutschlan­ds größter Wohnungsko­nzern, Vonovia, der in Berlin 42.000 Wohnungen besitzt, kündigte an, keine Nachforder­ungen zu stellen. Der Verzicht solle ein Signal sein, „dass es keine weitere Eskalation“beim Thema bezahlbare­s Wohnen geben dürfe.

Die „Deutsche Wohnen“will Nachzahlun­gen schon verlangen, um ihren „Verpflicht­ungen gegenüber dem Unternehme­n, seinen Mitarbeite­rn und Eigentümer­n“nachzukomm­en. Es soll aber niemand seine Wohnung verlieren.

 ?? Foto: APA/Fohringer ??
Foto: APA/Fohringer

Newspapers in German

Newspapers from Austria