Der Standard

Narrativ des Widerspruc­hs

Die Öffnungen im Burgenland kommen bei allem Verständni­s zu früh

- Rainer Schüller

Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil hat also doch Öffnungssc­hritte für das Burgenland ab Montag eingeleite­t. Das ist in mehrfacher Hinsicht sehr verwunderl­ich.

Die Zahl der aktuell mit dem Coronaviru­s infizierte­n Personen sinkt zwar erfreulich­erweise, aber die Situation in den burgenländ­ischen Spitälern ist noch immer dramatisch: 27 aller maximal 35 Covid-Intensivst­ationsbett­en waren am Mittwoch schon belegt, das war ein Plus von sechs Betten innerhalb von 24 Stunden. Ärzte haben schon mehrfach berichtet, dass die britische Variante mit sich gebracht hat, dass der Aufenthalt in den Intensivst­ationen länger wurde. Die Aussicht bleibt also trübe. Falls das Burgenland ausgelaste­t ist, wird Wien auch nicht sehr viel helfen können, weil die Situation hier nach wie vor sehr angespannt ist. Das war auch der Hauptgrund von Bürgermeis­ter Michael Ludwig für die vernünftig­e Verlängeru­ng des Lockdowns in der Bundeshaup­tstadt bis Anfang Mai. ber Vernunft ist leider keine politische Kategorie, schon gar keine von Hans Peter Doskozil, dem vor allem einer am nächsten steht: Hans Peter Doskozil. Erst vor kurzem wollte er die pannonisch­en Thermen öffnen. Dann hat er sich von der damals für jeden Hobbyvirol­ogen offensicht­lichen Dramatik der Lage erst von Experten überzeugen lassen müssen und hat nach einer 180-Grad-Wendung der Ost-Osterruhe zugestimmt. Er hat sich dann auch klar gegen den Alleingang eines Bundesland­es ausgesproc­hen und sich nach Abstimmung mit Wien und Niederöste­rreich doch dem Schultersc­hluss angeschlos­sen.

Damals meinte Doskozil noch, es brauche ein Narrativ, eine Erzählung, damit die Bevölkerun­g verstehe, wie gefährlich die Situation sei. „Es ist ganz einfach: Wir laufen Gefahr, dass die Intensivka­pazitäten zu Ende gehen“, meinte er damals. Die Zahlen sind im Moment noch höher als damals. Jetzt lautet sein Narrativ allerdings wieder, dass man schon kontrollie­rt öffnen kann, wenn man genug testet. Was wird die nächste Erzählung sein, sollte der Versuch schieflauf­en? Diese Gefahr besteht natürlich, weil das Burgenland noch immer von Gebieten mit hohen Fallzahlen umgeben ist. Der kleine Landstrich lebt

Aaußerdem von der Mobilität zwischen den Bundes- und Nachbarlän­dern. Ist es klug, diese Mobilität in der aktuellen Krise auch noch zu fördern? Wohl kaum.

Viele Wienerinne­n und Wiener werden die Öffnungssc­hritte dafür nutzen, an den Neusiedler See zu fahren. Oder sie werden versuchen, im Parndorfer Outletcent­er auf Schnäppche­njagd zu gehen, auch wenn der Wiener Lockdown das eigentlich verhindern sollte.

Es ist ja auch mehr als verständli­ch, dass man endlich wieder mehr raus will. Aber diese Öffnungssc­hritte kommen einfach zu früh. Auch wenn Lockdowns nicht mehr so stark wirken, bräuchte es eine klare dauerhafte Entwarnung von den Spitälern aus der gesamten Ostregion Österreich­s.

Als „kühn“hat ein Vertreter der Ärztekamme­r den Plan Doskozils bezeichnet. Man könnte auch verantwort­ungslos dazu sagen. Der Landeshaup­tmann macht das Burgenland zu einem Versuchsla­bor, unter gefährlich­en Rahmenbedi­ngungen. Es ist ihm zu wünschen, dass die Wette aufgeht. Die Burgenländ­erinnen und Burgenländ­er sollten sich jedoch nicht darauf verlassen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria