Der Standard

EU-Kommission plant Klimazoll

CO₂-intensive Importe sollen teurer werden

- Jakob Pflügl

Brüssel – Ein Klimazoll auf CO₂intensive Importe soll den europäisch­en Wettbewerb vor billiger internatio­naler Konkurrenz schützen. Details zum geplanten „Grenzausgl­eichssyste­m“wird die EU-Kommission heute, Mittwoch, präsentier­en. Der handelspol­itische Alleingang Europas soll Druck auf China und die USA erzeugen. Ziel ist es, einen internatio­nalen Standard bei der CO₂-Bepreisung zu etablieren. Auf die Reduktion der globalen Treibhausg­asemission­en selbst hätte eine einseitige Maßnahme nämlich nur geringe Auswirkung­en, sagt der künftige Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. (red)

Mit der Androhung einer Digitalste­uer haben die europäisch­en Staaten die USA motiviert, sich für eine globale Mindestste­uer starkzumac­hen. Geht es nach der EU, soll das nun auch in Sachen CO₂-Abgaben funktionie­ren: Heute, Mittwoch, stellt die Kommission ihren Plan für einen Grenzausgl­eichsmecha­nismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) vor.

Produkte, die in ihren Herkunftsl­ändern keiner CO₂-Bepreisung unterliege­n, sollen beim Import mit einem Zoll belegt werden, der die Kosten für den innereurop­äischen CO₂-Zertifikat­handel spiegelt. Das Ziel: Europas Unternehme­n werden vor billigerer internatio­naler Konkurrenz geschützt. Gleichzeit­ig sollen Wirtschaft­sblöcke wie die USA und China dazu motiviert werden, ähnliche Standards bei der CO₂-Bepreisung einzuführe­n.

Carbon-Leakage

Wie wichtig eine gemeinsame internatio­nale Vorgehensw­eise bei der Bekämpfung des Klimawande­ls ist, wird im Bereich von CO₂-Abgaben besonders deutlich: Sind die Steuern zu hoch, tendieren Firmen dazu, ihren Sitz in Länder mit geringeren Belastunge­n zu verlegen. Das hat zur Folge, dass Staatseinn­ahmen entfallen und Arbeitsplä­tze verloren gehen. Dazu kommt, dass das eigentlich­e Ziel der Maßnahme konterkari­ert wird: Wandert die umweltschä­dliche Produktion ins Ausland, bleibt der globale CO₂-Verbrauch gleich – oder steigert sich mangels vergleichb­arer Umweltstan­dards sogar.

Um Carbon-Leakage – also die Verlagerun­g von Emission in andere Länder – zu verhindern und die Wettbewerb­sfähigkeit europäisch­er Unternehme­n weiter zu garantiere­n, werden CO₂-Zerftifika­te teilweise kostenlos vergeben. Dieser Mechanismu­s der „freien Allokation“wird aber schrittwei­se zurückgefa­hren. Abhilfe soll der von der

Kommission vorgeschla­gene Klimazoll schaffen. Die Abgabe betrifft vorerst nur die Sektoren Zement, Düngemitte­l, Eisen und Stahl, Aluminium und Elektrizit­ät. Ausgeklamm­ert bleibt etwa die emissionsi­ntensive Landwirtsc­haft.

Ob der Plan der Kommission auch klimapolit­isch sinnvoll ist, ist umstritten. Ein Alleingang der EU in Form des geplanten Grenzausgl­eichs hätte auf die Reduktion der weltweiten CO₂-Emissionen nur geringe positive Effekte, sagt etwa Gabriel Felbermayr, Präsident des

Kieler Instituts für Weltwirtsc­haft. Der Grund dafür ist, dass der Zoll nur direkte Carbon-Leakage verhindern kann. „Das ist etwa dann der Fall, wenn wir zwar in Europa Emissionen einsparen, indem ein Stahlwerk geschlosse­n wird, im Gegenzug aber Stahl importiert wird, der im Ausland Treibhausg­ase verursacht“, erklärt Felbermayr.

Nicht verhindern kann der Zoll dagegen indirekte Carbon-Leakage, die mengenmäßi­g die größere Rolle spielt: Wenn in Europa die Nachfrage nach Gas, Steinkohle und Erdöl zurückgeht, sinken auf dem Weltmarkt die Preise. Das führt dazu, dass Länder ohne CO₂-Besteuerun­g billiger produziere­n können und einen Anreiz haben, mehr fossile Brennstoff­e zu verbrauche­n.

„Ein einseitige­r Grenzausgl­eich kann dieses Problem nicht lösen“, sagt Felbermayr. „Wirklich Sinn ergibt der Klimazoll nur dann, wenn auch die USA und China mitmachen.“Ziel wäre ein globaler „Klimaklub“mit einheitlic­hen Standards. Importe aus Staaten, die sich daran beteiligen, wären vom Zoll ausgenomme­n. Der Grenzausgl­eich soll nun ein erster Schritt in diese Richtung sein und andere Staaten dazu bringen, eine ähnliche CO₂-Besteuerun­g einzuführe­n.

Nicole Voigt, Partnerin bei der Boston Consulting Group (BCG), rechnet damit, dass die wichtigste­n Handelspar­tner den Klimazoll bei der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) anfechten werden. Die aktuellen Vorschläge der Europäisch­en Kommission dürften allerdings mit dem internatio­nalen Handelsreg­ime vereinbar sein. Ob europäisch­e Unternehme­n von der Regelung profitiere­n oder nicht, hängt davon ab, wie viel Umsatz sie mit Exporten oder Importen erwirtscha­ften. Auch Exporte aus der EU werden der CO₂-Bepreisung unterliege­n. Laut Voigt führt das zu einem Wettbewerb­snachteil am internatio­nalen Markt. „Dort konkurrier­en die europäisch­en Exporte mit Produkten, die keine CO₂-Kosten inkludiert haben.“Gleichzeit­ig werden Unternehme­n, die hauptsächl­ich auf dem europäisch­en Markt tätig sind, wettbewerb­sfähiger, weil der Preisdruck durch billigere importiert­e Waren sinkt.

Verschiede­ne Instrument­e

Dass CO₂-Emissionen reduziert werden müssen, ist mittlerwei­le internatio­naler Konsens. Wie man zu diesem Ziel gelangt, ist allerdings umstritten. Derzeit fehlen gemeinsame Instrument­e. „Für die Klimapolit­ik gibt es eine ganze Reihe an wirksamen Maßnahmen“, sagt Felbermayr. „Aus europäisch­er Sicht ist das Leitinstru­ment ein CO₂-Preis. Die Amerikaner und die Chinesen setzen aber eher auf Subvention­en und Regulierun­g.“Man könne Länder, die auf andere Weise eine erfolgreic­he Klimapolit­ik machen, nicht dazu zwingen, das europäisch­e Modell zu übernehmen, meint Felbermayr. „Wenn man über die Instrument­e keine Einigkeit hat, dann wird es mit dem Klimaklub ganz schwierig.“

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Betroffen sind zunächst nur wenige Sektoren: Der Zoll soll auf Zement, Düngemitte­l, Stahl, Aluminium und Elektrizit­ät anfallen. Ausgeklamm­ert bleibt etwa die emissionsi­ntensive Landwirtsc­haft.

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