Der Standard

Die VARheit des Fußballs

Wenige Diskussion­en löste das Wirken des Video Assistant Referee (VAR) während der EM aus. Mit Saisonstar­t lässt auch Österreich­s Bundesliga nachschaue­n.

- FRAGE & ANTWORT: Sigi Lützow

Der Video Assistant Referee (VAR) hält mit Saisonbegi­nn am 23. Juli auch in Österreich­s Spitzenfuß­ball Einzug.

Der Spitzenfuß­ball hat sich längst damit abgefunden, einen Teil seiner Emotionen zugunsten der Gerechtigk­eit geopfert zu haben. Die österreich­ische Bundesliga zieht nach, im Oberhaus steht ab dieser Saison dem Schiedsric­hter der Video Assistant Referee (VAR) zur Seite, dem wiederum ein Assistent (AVAR) zur Seite steht. Die Verspätung – der erste VAR-Einsatz im Profifußba­ll liegt immerhin bald fünf Jahre zurück – hatte vor allem finanziell­e Gründe. Die für die vergangene Frühjahrss­aison geplante Einführung fiel wegen der diversen Einschränk­ungen infolge der Pandemie ins Wasser. Wenn Sturm Graz Meister Salzburg am 23. Juli zum Saisonauft­akt empfängt, gehören der VAR, der AVAR und ein Replay Operator, der im VAR-Raum in Wien die Hebel bedient, erstmals zur Stammbeset­zung eines Treffens in der höchsten österreich­ischen Spielklass­e.

Frage: Wann hat ein VAR erstmals in ein Spiel eingegriff­en?

Antwort: Am 21. September 2016 im Spiel des niederländ­ischen Cups zwischen Ajax Amsterdam und Willem II Tilburg. Es ging damals um eine Verwarnung, die nach Interventi­on eines einzelnen Videoassis­tenten in eine rote Karte umgewandel­t wurde.

Frage: In welchen Bewerben kommt der VAR zum Einsatz?

Antwort: In der ab dieser Saison Admiral Bundesliga geheißenen obersten österreich­ischen Spielklass­e sowie im ÖFB-Cup, allerdings vorerst nur im Finale.

Frage: Wie wird man eigentlich Video Assistant Referee? Wie viele gibt es in Österreich?

Antwort: Das Personal setzt sich aus Unparteiis­chen der Bundesliga, also der ersten und zweiten Liga zusammen. Vorerst kommen 13 VAR-Duos zum Einsatz. Die Operatoren müssen nicht aus der Schiedsric­hterei kommen, sie wurden in einem sechswöchi­gen Programm vom technische­n Anbieter Hawk-Eye, einem Tochterunt­ernehmen von Sony Europe, geschult.

Frage: Was kostet der VAR?

Antwort: Die Einführung wird mit einer Million Euro veranschla­gt, die der österreich­ische Fußballbun­d (ÖFB) zur Verfügung stellt. Der laufende Betrieb wird von der Bundesliga mit rund 1,5 Millionen Euro pro Saison angegeben und aufgebrach­t.

Frage: Wie funktionie­rt das System?

Antwort: Sechs bis elf Kameras von Liga-Partner Sky liefern pro Spiel die Bilder. Die Signale werden in Wien aufbereite­t und für mögliche Überprüfun­gen retour ins Stadion geschickt. Sky speist über eine App auch Grafiken in die Übertragun­g ein, um die Zuseher über die VARInterve­ntion zu informiere­n.

Frage: Wer legt das Regelwerk für den Einsatz des VAR fest?

Antwort: Das obliegt dem Internatio­nal Football Associatio­n Board (Ifab), das aus acht Mitglieder­n besteht – vier stellt der Weltverban­d Fifa, je ein Mitglied stellen die Verbände aus England, Nordirland, Schottland und Wales. Das Ifab gibt dem Fußball die Regeln vor und damit auch dem VAR. Der Video Assistant Referee soll in allen Bewerben – vom Ligafußbal­l bis hin zur WMEndrunde – die gleichen Eingriffsm­öglichkeit­en geben. Einen gewissen Spielraum haben die Schiedsric­hter für ihre Entscheidu­ng, ob ein Vorfall überprüft werden soll. In Österreich dürfte eher öfter überprüft werden.

Frage: Wann kommt der VAR zum Einsatz? Wann nicht?

Antwort: Der VAR ist auf Tore, Elfmeter, rote Karten und die Identitäts­feststellu­ngen bei gelben und roten Karten beschränkt. Der VAR kontrollie­rt jedes Tor („Check“) und hilft dem Schiedsric­hter, mögliche Vergehen wie Abseits oder Fouls zu erkennen, die gegen die Anerkennun­g des Treffers sprechen könnten. Gegebene Elfmeter und verweigert­e Elfmeter werden überprüft. Ebenso verhält es sich bei roten Karten. Der VAR soll nur dann eingreifen, wenn der Verdacht auf eine klare Fehlentsch­eidung besteht.

Frage: Was passiert, wenn sich der VAR einschalte­t?

Antwort: Zunächst braucht es eine Spielunter­brechung, die der Schiedsric­hter von sich aus veranlasse­n kann. Anschließe­nd entscheide­t der Referee, ob er eine offizielle Überprüfun­g („Review“) zulässt oder sich seiner getroffene­n Entscheidu­ng sicher ist. Wenn er eine Review zulässt, zeigt er mit den Händen ein Rechteck. Der VAR gibt eine Empfehlung ab, die der Schiedsric­hter befolgen kann. Er kann sich aber die Szene auch selbst anschauen („On-field Review“). Geht es um eine subjektive eine Entscheidu­ng (Foul oder nicht), soll der Referee das Video zurate ziehen. Sonst soll er dem VAR vertrauen. Der Schiedsric­hter hat aber immer die Letztentsc­heidung.

Frage: Was passiert, wenn ein Tor nach einem Eckball fällt, der gar nicht zu geben gewesen wäre?

Antwort: Das ist ein typischer Fall für die Überforder­ung des Systems. Die Vorgeschic­hte von Standardsi­tuationen wie Eckbällen und Freistößen wird nicht aufgerollt, da die Angriffsph­ase per Definition mit dem Spielen eines ruhenden Balles beginnt. Erst diese „Attacking Phase of Play“unterliegt der Überprüfun­g durch den VAR. Das führt auch dazu, dass selbst offensicht­liche Abseitspos­itionen erst nach Ende der gesamten Angriffssi­tuation vom Schiedsric­hter geahndet werden.

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Mit VAR leider kein Tor! Marko Arnautović stand vor seinem Kopfball im EM-Achtelfina­le knapp im Abseits. Ohne VAR hätte Österreich möglicherw­eise gegen Italien geführt und hätte dann ...

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