Terroristen im Haus mit Pool
IS-Prozess in Wien bietet interessante Einblicke
Können sich Menschen ändern? Ja, versucht Drittangeklagter Bernd T. am zweiten Verhandlungstag dem Geschworenengericht, vor dem er gemeinsam mit zwei weiteren Männern und zwei Frauen sitzt, emotional zu erklären. Er und seine Ehefrau, die Fünftangeklagte, hätten dem islamistischen Terrorismus abgeschworen, beteuert der 32-Jährige. Seine Erlebnisse im Herbst 2013 in dem von terroristischen Gruppen in Syrien kontrollierten Gebiet und vor allem sein Islamstudium in SaudiArabien hätten ihm die Augen geöffnet, sagt der Steirer.
Dabei hört sich seine Schilderung des „Islamischen Staats“zunächst nicht sehr abschreckend an. Nachdem der Konvertit und seine Gattin in die radikale Szene abgeglitten waren, fasste er den Entschluss, in den Krieg gegen das Assad-Regime zu ziehen.
Am 6. September 2013 flogen die beiden mit ihrem neugeborenen Kind in die Türkei. Er sei damals davon ausgegangen, dass er bei den Kämpfen in Syrien sterben würde, sagt der Drittangeklagte heute. Frau und Kind seien in der Türkei geblieben: „Für mich war es ein Abschied für immer“, erzählt er. Mit dem Taxi fuhr er zur türkisch-syrischen Grenze, nach der Einreise in den Levantestaat hätten ihn der Erstangeklagte Turpal I. und ein weiterer
Bekannter in Empfang genommen. Schlussendlich kam er mit anderen Foreign Fighters in einem Haus mit Pool unter. Im Land bewegte man sich laut T. gerne im silbernen BMW des Erstangeklagten fort. Der große Kämpfer sei T. nicht gewesen – er habe zwar eine AK-47 bekommen, habe aber nie an einem Gefecht teilgenommen.
Wirklich ungemütlich sei es dann nach Luftangriffen geworden, außerdem hätten ihn die Anführer zu Kampfeinsätzen gedrängt. „Ich hatte einfach Angst um mein Leben“, sagt T. heute dazu. Er fuhr zurück in die Türkei zur Familie. „Was haben Sie Ihrer Frau gesagt, als Sie wieder auftauchten?“, interessiert den Vorsitzenden. „I hab ihr gsogt, i wü nimma zu denen“, antwortet der Drittangeklagte in breitem Steirisch.
Die kleine Familie kehrte nach Österreich zurück, zunächst blieb man radikal. Erst als er nach SaudiArabien ging, Arabisch lernte und dort den Koran studierte, habe er erkannt, dass die Predigten in Wien falsch gewesen seien. Interessanterweise habe bei seinem Gesinnungswandel auch eine Rolle gespielt, dass manche religiösen Regeln in SaudiArabien weniger strikt ausgelegt wurden als in Wiener Moscheen. Heute habe er kein religiöses Bekenntnis mehr, sagt der Drittangeklagte.
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.