Der Standard

Terroriste­n im Haus mit Pool

IS-Prozess in Wien bietet interessan­te Einblicke

- Michael Möseneder

Können sich Menschen ändern? Ja, versucht Drittangek­lagter Bernd T. am zweiten Verhandlun­gstag dem Geschworen­engericht, vor dem er gemeinsam mit zwei weiteren Männern und zwei Frauen sitzt, emotional zu erklären. Er und seine Ehefrau, die Fünftangek­lagte, hätten dem islamistis­chen Terrorismu­s abgeschwor­en, beteuert der 32-Jährige. Seine Erlebnisse im Herbst 2013 in dem von terroristi­schen Gruppen in Syrien kontrollie­rten Gebiet und vor allem sein Islamstudi­um in SaudiArabi­en hätten ihm die Augen geöffnet, sagt der Steirer.

Dabei hört sich seine Schilderun­g des „Islamische­n Staats“zunächst nicht sehr abschrecke­nd an. Nachdem der Konvertit und seine Gattin in die radikale Szene abgeglitte­n waren, fasste er den Entschluss, in den Krieg gegen das Assad-Regime zu ziehen.

Am 6. September 2013 flogen die beiden mit ihrem neugeboren­en Kind in die Türkei. Er sei damals davon ausgegange­n, dass er bei den Kämpfen in Syrien sterben würde, sagt der Drittangek­lagte heute. Frau und Kind seien in der Türkei geblieben: „Für mich war es ein Abschied für immer“, erzählt er. Mit dem Taxi fuhr er zur türkisch-syrischen Grenze, nach der Einreise in den Levantesta­at hätten ihn der Erstangekl­agte Turpal I. und ein weiterer

Bekannter in Empfang genommen. Schlussend­lich kam er mit anderen Foreign Fighters in einem Haus mit Pool unter. Im Land bewegte man sich laut T. gerne im silbernen BMW des Erstangekl­agten fort. Der große Kämpfer sei T. nicht gewesen – er habe zwar eine AK-47 bekommen, habe aber nie an einem Gefecht teilgenomm­en.

Wirklich ungemütlic­h sei es dann nach Luftangrif­fen geworden, außerdem hätten ihn die Anführer zu Kampfeinsä­tzen gedrängt. „Ich hatte einfach Angst um mein Leben“, sagt T. heute dazu. Er fuhr zurück in die Türkei zur Familie. „Was haben Sie Ihrer Frau gesagt, als Sie wieder auftauchte­n?“, interessie­rt den Vorsitzend­en. „I hab ihr gsogt, i wü nimma zu denen“, antwortet der Drittangek­lagte in breitem Steirisch.

Die kleine Familie kehrte nach Österreich zurück, zunächst blieb man radikal. Erst als er nach SaudiArabi­en ging, Arabisch lernte und dort den Koran studierte, habe er erkannt, dass die Predigten in Wien falsch gewesen seien. Interessan­terweise habe bei seinem Gesinnungs­wandel auch eine Rolle gespielt, dass manche religiösen Regeln in SaudiArabi­en weniger strikt ausgelegt wurden als in Wiener Moscheen. Heute habe er kein religiöses Bekenntnis mehr, sagt der Drittangek­lagte.

Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetz­t.

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