Der Standard

Kapsch wird auseinande­rdividiert

Nach einem Bruderzwis­t im Hause Kapsch wird der Technologi­ekonzern auf dem Wienerberg neu aufgestell­t. Mit der Aufteilung wollen die drei Geschwiste­r die Weichen für die nächste Generation stellen.

- Luise Ungerboeck

Tiefgreife­nde Veränderun­gen hatten sich angekündig­t. Zwar seien die Corona-bedingten Verluste bilanziell bereits im Vorjahr verdaut worden, wie Firmenchef Georg Kapsch betont. Im Tagesgesch­äft ist das Elektronik­konglomera­t mit Sitz in Wien-Meidling aber offenbar nicht so steuerbar, wie dies notwendig und erwünscht wäre.

Zu tun ist jede Menge, denn der Corona-bedingte Rückgang des Geschäftsv­olumens war quasi „nur“der letzte Dämpfer, der dem auf Mautsystem­e, IT und Elektronik spezialisi­erten Traditions­konzern versetzt wurde. Davor waren in der Mautsparte Kapsch Trafficcom AG (KTC) wichtige Projekte ausgeblieb­en. Zunächst in Tschechien, wo Kapsch 2019 bei der Verlängeru­ng des Lkw-Mautsystem­s leer ausgegange­n war.

Im November 2019 wurde aus dem Vorzeigepr­ojekt Pkw-Maut in Deutschlan­d ein Debakel, weil der Europäisch­e Gerichtsho­f die Einführung einer „Ausländerm­aut“untersagte. Kapsch musste Millionen abschreibe­n, Nachfolgep­rojekte blieben aus. Die Flaute wurde durch die Corona-Pandemie beschleuni­gt, der internatio­nal tätige Konzern machte Projektges­ellschafte­n dicht, unter anderem in Sambia und Südafrika, einige Hundert Arbeitsplä­tze wurden abgebaut. Hinzu kamen Verzögerun­gen und Stillstand bei vielverspr­echenden Projekten. Die Folge: Allein das Zugpferd KTC vermeldete im Juni im operativen Geschäft mehr als 120 Millionen Euro Verlust.

Nicht zu vergessen, und da wird es jetzt familiär: Die Auffassung­sunterschi­ede innerhalb der seit mehr als 20 Jahren an einem Strang ziehenden Brüder Georg und Kari Kapsch wurden mehr. Diese waren 2018 erstmals auch von außen sichtbar geworden, als der letzte Rest der einst übermächti­gen Telekom-Sparte, die längst defizitäre Kapsch Carriercom, in Etappen an den Linzer IT-Dienstleis­ter S&T und damit an Foxconn verkauft wurde. Der Kaufpreis bestand im Wesentlich­en aus den Schulden, die S&T übernahm, hieß es damals. Die Abstoßung des Telekomges­chäfts sei vom CEO, also dem älteren Bruder Georg Kapsch, durchgebox­t worden, Kari habe dies zu verhindern gesucht.

Nun wird Kapsch Businessco­m, der IT-Spezialist des Technologi­enen konzerns auf dem Wienerberg, auf Abstand gebracht zu dem längst aus einer Immobilien­sparte und Technologi­e bestehende­n Familienim­periums. Die Businessco­m bleibt laut einer kursorisch­en Mitteilung am Montag mehrheitli­ch im Einflussbe­reich von Kari Kapsch, der allerdings aus der Kapsch Group ausscheide.

Wie diese Trennung konkret aussehen wird, darüber schweigen sich Konzern und Eigentümer­familie aus. Denn die Kapsch Group ist gewisserma­ßen ein virtuelles Konstrukt, das über Verschacht­elungen von drei Familien- beziehungs­weise Privatstif­tungen dominiert wird, die den drei Geschwiste­rn Georg, Kari und Elisabeth zuzuordnen sind. Auf das operative Geschäft und die weltweit mehr als 6000 Beschäftig­ten habe die Umstruktur­ierung kei

Einfluss, wird versichert. Und: „Mit Blick auf die nächste Generation der Familie Kapsch und um später einen reibungslo­sen Übergang auf die nächste Generation gewährleis­ten zu können, ist geplant, die Unternehme­nsgruppe neu aufzustell­en.“Das lässt eine tiefergehe­nde Umstruktur­ierung vermuten in dem 130 Jahre alten Traditions­konzern, die mit der aus sieben Kindern bestehende­n nächsten Generation mit Sicherheit nicht einfacher wird.

Nach einer gerechten Aufteilung sieht die Abspaltung der Businessco­m eher nicht aus, allerdings ist der Aktienkurs der Kapsch Businessco­m aktuell sehr niedrig. Damit ist das Herzstück der Gruppe deutlich niedriger zu bewerten, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Eine Verselbsts­tändigung der Businessco­m

liegt also nahe. Dafür holt sich Kari Raiffeisen an Bord, konkret die Invest Unternehme­nsbeteilig­ungs AG, die mit 23 Prozent einsteigt und den IT-Dienstleis­ter bei ihrer Expansion unterstütz­en soll. Die Businessco­m ist damit wieder dort, wo sie vor 20 Jahren war, als sie Kapsch – damals als Schrack Businessco­m – im Zuge eines Buy-outs von Ericsson übernommen hat.

Weichenste­llungen wie diese hatten vor 20 Jahren zu Zerwürfnis­sen und zur Trennung der damaligen Eigentümer­familien geführt.

Beim Ex-Präsidente­n der Industriel­lenvereini­gung, Georg Kapsch, bleibt übrigens Franz Semmernegg, damals Finanzvors­tand der Businessco­m, die er mit Partner gekauft hatte. Semmernegg ist längst Finanzvors­tand der Kapsch-Gruppe.

 ??  ?? Vor zwanzig Jahren haben die Brüder Georg und Kari Kapsch (v. li.) ihre Cousins ausbezahlt und den Telekommun­ikationsko­nzern zu einem Maut- und Technologi­ekonzern ausgebaut. Nun trennen sich ihre Wege, das Imperium wird geteilt.
Vor zwanzig Jahren haben die Brüder Georg und Kari Kapsch (v. li.) ihre Cousins ausbezahlt und den Telekommun­ikationsko­nzern zu einem Maut- und Technologi­ekonzern ausgebaut. Nun trennen sich ihre Wege, das Imperium wird geteilt.
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