Der Standard

Kampf der Berichte

- Irene Brickner

Das Thema Asyl entzweit die türkis-grüne Koalition, und dieser Umstand sabotiert die regierungs­interne Diskussion­skultur zu Menschenre­chtsfragen im Flüchtling­sbereich. Das zeigte sich am Dienstag erneut, als Irmgard Griss und andere hochkaräti­ge Fachleute den inhaltsrei­chen und kritischen Bericht der Kommission zum Kindeswohl in Asylverfah­ren präsentier­ten. Man erinnere sich: Das Gremium wurde vom – grünen – Vizekanzle­r Werner Kogler nach zwei umstritten­en Familienab­schiebunge­n eingericht­et, als er die damals in Babypause befindlich­e Justizmini­sterin Alma Zadić vertrat.

Denn kaum war Griss’ Stimme verklungen, da plingte bereits eine weitere Expertise über die E-Mail-Server. Es war eine Studie aus dem – türkisen – Innenminis­terium, die für die Mitglieder der Griss-Kommission und, so wird gemunkelt, auch das Justizmini­sterium völlig überrasche­nd kam.

Zu Wort meldete sich der Kinderwohl­beirat im Innenresso­rt, der unter der Leitung des Europa- und Völkerrech­tsexperten Walter Obwexer steht. Dieses neu gegründete Gremium teilt einzelne Kritikpunk­te des Griss-Berichts durchaus. Die uneinheitl­ichen Sorgerecht­sregelunge­n für unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e in den Ländern etwa, die das Abtauchen vieler junger Menschen zufolge haben, sind ihm ebenso ein Dorn im Auge wie den Fachleuten rund um die Ex-Bundespräs­identschaf­tskandidat­in. Sollte sich daraus ein Impuls für eine bundesweit­e Vereinheit­lichung und Verbesseru­ng ergeben – umso besser!

Doch leider dürfte Einigkeit nur schwer herzustell­en sein, denn dort, wo es für das Innenminis­terium schmerzhaf­t wird, widerspric­ht der Nehammer-Beirat der Griss-Kommission frontal. Bei Abschiebun­gen mit Kindern seien in Anwendung der UN-Kinderrech­tskonventi­on „geänderte Umstände bis zuletzt zu prüfen“und auf den Abtranspor­t möglicherw­eise zu verzichten, schreibt die Kommission. Sicher nicht, erwidert der Beirat: „Rechtsstaa­tliche Entscheidu­ngen, die eine Ausreiseve­rpflichtun­g enthalten, können nicht allein durch die Involvieru­ng von Minderjähr­igen ausgehebel­t werden.“

Verhärtete Fronten also. Aber vielleicht sollte der Parallelbe­richt des Innenminis­teriums bloß von weiteren Asylorigin­alitäten ablenken. Von dem im Griss-Bericht geschilder­ten Controllin­gsystem etwa, laut dem Asylrefere­nten für einen positiven Bescheid nur 0,6, für eine Ablehnung hingegen 1,0 Punkte bekommen. Das zeigt, wohin in Österreich die Reise geht.

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