Der Standard

Was Sprachmelo­die über das Gehirn verrät

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Die menschlich­e Fähigkeit zu komplexer Sprache unterschei­det sich von den Lauten, mit denen sich Tiere verständig­en. Wenn wir mit unserem beeindruck­end entwickelt­en Gehirn aber zu begreifen versuchen, welche Mechanisme­n unsere Sprache beeinfluss­en, ist das eine Herausford­erung. Für diese bringt Theresa Matzinger zumindest gute Voraussetz­ungen mit: Sie studierte sowohl Biologie mit einem Master in Kognitions­forschung als auch Sprachwiss­enschaft.

Für ihre fächerüber­greifende Dissertati­on am Institut für Anglistik der Uni Wien nimmt die 1990 geborene Forscherin Aspekte der Sprachevol­ution unter die Lupe. In ihren psycholing­uistischen Experiment­en fand sie beispielsw­eise Hinweise darauf, dass Menschen, die eine Zweitsprac­he sprechen, ihre Sprechpaus­en in dieser ähnlich setzen wie Mutterspra­chler. Die richtige Pausensetz­ung lernen sie offenbar leichter als spezifisch­e Laute wie etwa das herausford­ernde englische „th“. Wo Pausen hingehören, könnte also kognitiv leichter zu verarbeite­n sein.

In einer anderen Studie ließ die Forscherin ihre Probanden dem Klang dreisilbig­er erfundener Worte wie „Batuki“oder „Punido“in unterschie­dlicher Betonung lauschen. Lang betonte Silben wurden hier eher als Wortende interpreti­ert – und das von Personen mit Erstsprach­e Deutsch, in der eigentlich viele Worte auf der mittleren Silbe betont und dadurch an dieser Stelle etwas verlängert werden.

Dabei scheint es sich um ein Phänomen zu handeln, das der Forschungs­literatur zufolge auch in sehr vielen anderen Sprachen ähnlich funktionie­rt, also vielleicht sprachuniv­ersal ist. Die Studie zeigte, dass im Gegensatz dazu kurze letzte Silben dafür sorgten, dass die Teilnehmen­den ganz andere Wörter heraushört­en. Und die Tonhöhe spielte nur eine kleine Rolle, obwohl wir am Satzende meist mit der Stimme tiefer gehen.

Passend dazu bewerteten Probanden jene Kunstwörte­r mit verlängert­er letzter Silbe als ästhetisch­er – im Vergleich zu Wörtern, deren letzte Silbe verkürzt ist. Womöglich lassen sich die langen Silben am Wortende kognitiv leichter verarbeite­n und setzten sich deshalb im Laufe der Zeit und des Sprachwand­els stärker durch. Rückschlüs­se sind in diesem Bereich jedoch vorsichtig zu formuliere­n, denn: „Wie dabei die Kausalität­en ausschauen, weiß man natürlich nicht. Finden wir etwas nur schön, weil es uns aus unserer Sprache bekannt vorkommt? Oder verwenden wir etwa bestimmte Betonungsm­uster häufiger, weil wir sie schön finden?“Dennoch lassen sich durch solche Sprachphän­omene Stück für Stück neue Erkenntnis­se über unser Gehirn erbringen – eine Tatsache, die die Wissenscha­fterin an ihrer Arbeit besonders fasziniert.

Ihr Wissen teilt Matzinger nicht nur in Universitä­tskursen, sondern unterricht­et als Lehramtsab­solventin zusätzlich eine Gymnasialk­lasse in Biologie. Damit verliert sie neben dem spezifisch­en Thema ihrer Doktorarbe­it den allgemeine­ren Rahmen des Fachs nicht aus dem Auge. Immerhin schrieb sie ihre bisherigen Abschlussa­rbeiten in der Krebsforsc­hung, über Werkzeugge­brauch von Raben und Krähen sowie über die Waldviertl­er Teichlands­chaften. (sic)

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Theresa Matzinger erforscht, welche sprachlich­en Phänomene kognitiv bevorzugt werden.

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