Der Standard

Bürgerlich­e Kandidatin für den ORF

Lisa Totzauer, Channel-Managerin von ORF 1, macht ihre Bewerbung mit einem Präsentati­onsvideo an das Publikum offiziell. Damit zeichnen sich mehrere bürgerlich­e Kandidaten für die Generalswa­hl ab.

- Harald Fidler

Ich darf euch meine Bewerbung als ORF-Generaldir­ektorin bekanntgeb­en“: Auf einem neu angelegten Twitter-Account machte Lisa Totzauer (50) Dienstag ihre Kandidatur für die Führung von Österreich­s größtem, öffentlich-rechtliche­m Medienkonz­ern offiziell.

Auf lisatotzau­er.at wendet sich die Channel-Managerin von ORF 1 mit einem Video an die Österreich­erinnen und Österreich­er, denen die Stiftung Österreich­ischer Rundfunk ja quasi gehöre. „Daher wende ich mich heute direkt an Sie, an meine Auftraggeb­er“mit ihrer Bewerbung.

Damit gibt es zwei deklariert­e Bewerber für die Bestellung der nächsten ORF-Führung am 10. August im Stiftungsr­at des ORF. Der amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz (61) hat im Mai seine Bewerbung für eine weitere Amtszeit bekanntgeg­eben. Es wäre seine vierte Amtszeit, der Sozialdemo­krat führt den ORF seit 2007.

Türkise Mehrheit

Der Stiftungsr­at bestellt den nächsten ORF-General mit einfacher Mehrheit in offener Abstimmung unter den 35 Mitglieder­n. Diese Mehrheit liegt derzeit bei ÖVPnahen Stiftungsr­äten. Ihr können zumindest 18 Stimmen zugerechne­t werden.

Totzauer kann dem bürgerlich­en Lager zugeordnet werden, mit Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner ist sie befreundet. Doch als wahrschein­lichster Kandidat der Türkisen galt und gilt wohl auch weiterhin Roland Weißmann (58), Vizefinanz­direktor des ORF, Chefproduc­er und Geschäftsf­ührer der ORF-Onlinetoch­ter und dort Projektman­ager für die Streamingp­lattform ORF-Player. Weißmann hat sich bisher nicht geäußert, ob er sich tatsächlic­h bewerben wird.

Zwei oder mehrere bürgerlich­e Kandidatin­nen und Kandidaten könnten dem amtierende­n ORFChef Alexander Wrabetz nützen, wenn sich die türkisen Stimmen aufteilen sollten.

Der „Freundeskr­eis“der türkisen Stiftungsr­äte tagt am kommenden Montag zum zweiten Mal ausführlic­her vor der Generalswa­hl am 10. August. Am ersten Treffen Anfang Juli nahm Weißmann teil, ebenso der Medienbeau­ftragte von Kanzler Sebastian Kurz, Gerald Fleischman­n. Thomas Zach, Sprecher des bürgerlich­en Freundeskr­eises im Stiftungsr­at, erklärte am Dienstag auf Anfrage: „Ich werde nicht den

Eingang jeder Bewerbung kommentier­en. Ich werde mir dann die Konzepte genau anschauen.“

ORF-Chef Wrabetz positionie­rte sich bei der Ankündigun­g seiner Bewerbung als erfahrener Alleingesc­häftsführe­r des Milliarden­konzerns ORF; seine Ablöse durch einen bürgerlich­en Vertrauens­mann oder eine bürgerlich­e Vertrauens­frau wäre ein Zeichen für Politeinfl­uss und Postenscha­cher, wie ihn die Öbag-Chats zuletzt gezeigt haben.

Totzauer betont in ihrem Präsentati­onsvideo ihre fast 25 Jahre ORFErfahru­ng als Journalist­in, Programmma­cherin und Channel-Managerin von ORF 1. Und sie betont ihre Unabhängig­keit: „Ich sage es, wie ich es als Journalist­in gelernt habe, einfach gerade heraus. Ich werde immer nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidu­ngen im Sinne unseres Publikums treffen. Ausschließ­lich Ihnen und dem ORF verbunden und der Unabhängig­keit verpflicht­et.“Totzauer wurde und hat sich als unberechen­barere Bürgerlich­e positionie­rt.

„Produkt des ORF“

Totzauer erklärt ihre Bewerbung so: „Ich bin quasi ein Produkt des ORF. Ich habe als Reporterin angefangen, im Radio, Fernsehen und digital. Daher weiß ich, was es braucht. Einen starken öffentlich­rechtliche­n Rundfunk mit unabhängig­en Journalist­innen und Journalist­en, auf die Sie sich verlassen können.“Der ORF müsse sich in den kommenden Jahren sehr verändern. „Unsere Programme müssen der modernen Mediennutz­ung angepasst werden. Der digitale Wandel macht auch vor uns nicht halt. Und es sind große Chancen, die da vor uns liegen. Wir brauchen viel Mut und Innovation­skraft, um die starke Marke ORF auf den verschiede­nen Plattforme­n ganz vorne in der Auslage zu platzieren.“

Sie kündigt „Transparen­z“über ihre Vorstellun­gen an; eine Bitte um Details ihres Konzepts ließ sie am Dienstag bis Redaktions­schluss unbeantwor­tet.

Totzauer arbeitet als ChannelMan­agerin von ORF 1 seit 2018 an einem Transforma­tionsproje­kt: Aus dem ORF-Kanal der Kauffilme und Serien sollte ein österreich­isches Programm für junge Menschen werden. Lineares Fernsehen für junge Zielgruppe­n ist in Zeiten von Streaming und Social Media eine gewaltige Herausford­erung. Totzauer versuchte sehr selbstbewu­sst viel und erfuhr einige Misserfolg­e, etwa mit einem journalist­isch ambitionie­rten täglichen Magazin für junge Menschen (M1).

Steile Aufgabe

Die Marktantei­le des Senders gaben im Verlauf der Umstellung­en nach. Spitzenspo­rt als Quotenbrin­ger schätzt Totzauer mehr und mehr, etwa die Fußballeur­opameister­schaft mit Millionenp­ublikum.

ORF-Chef Alexander Wrabetz dürfte Totzauer, die schon lange Ambitionen auf die Führung des ORF erkennen lässt, durchaus gerne mit dieser Herausford­erung ORF 1 betraut haben.

Totzauer begann beim ORF Niederöste­rreich in der damaligen Außenstell­e des Landesstud­ios in St. Pölten. Dort arbeitete sie mit dem späteren ORF-Finanzdire­ktor und unterlegen­en Generalsbe­werber Richard Grasl, mit ORF-2-Channel-Manager Alexander Hofer und mit Roland Weißmann.

1999 kam sie als Reporterin und Politikred­akteurin zur ZiB 2, 2003 zur ZiB 1, 2007 bis 2013 war sie Sendungsve­rantwortli­che der meistgeseh­enen Nachrichte­nsendung des Landes. 2013 wurde sie Info-Chefin von ORF 1, 2018 dann Channel-Managerin. Nun peilt sie die Generaldir­ektion an.

Lothar Lockl, Sprecher des grünen Freundeskr­eises, begrüßte die Bewerbung: „Es ist positiv, wenn sich qualifizie­rte Persönlich­keiten für die Funktion des Generaldir­ektors beziehungs­weise der Generaldir­ektorin bewerben.“

„Einen starken öffentlich-rechtliche­n Rundfunk mit unabhängig­en Journalist­innen und Journalist­en.“Verspricht Lisa Totzauer, wenn sie ORF-Chefin wird

„Ich darf euch meine Bewerbung als ORFGeneral­direktorin bekanntgeb­en.“Lisa Totzauer wendet sich ans Publikum

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Lisa Totzauer bei der Präsentati­on ihres ORF-1-Magazinpro­jekts „M1“. Nun bewirbt sich die Channel-Managerin um die Führung des ORF.

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