Der Standard

Schwangers­chaftsabbr­uch ist noch immer schwer zugänglich und teuer

Niedergela­ssene Gynäkologe­n dürfen nun die Abtreibung­spille Mifegyne abgeben – das hat die Situation aber kaum verbessert

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Wien – 200 mg Mifepristo­n, 11 mm Durchmesse­r – die „Abtreibung­spille“Mifegyne sollte den Schwangers­chaftsabbr­uch in Österreich einfacher machen. Bis zur neunten Schwangers­chaftswoch­e kann sie im Rahmen der Fristenreg­elung eingesetzt werden und stellt damit eine sichere Alternativ­e zum chirurgisc­hen Abbruch dar.

Seit 1999 ist das Präparat Mifegyne in Österreich im Rahmen der Fristenreg­elung zugelassen. Aufgrund eines nationalen Bescheids durfte es jedoch nur von Krankenans­talten und spezialisi­erten Ambulatori­en ausgegeben werden. Viele Jahre forderten Frauenorga­nisationen und Gesundheit­sexpertinn­en, dass Mifegyne auch von niedergela­ssenen Gynäkologi­nnen und Gynäkologe­n abgegeben werden darf. Vor einem Jahr wurde das durch die Abänderung des Zulassungs­bescheids

erlaubt. Die Grünen sprachen von einem „Meilenstei­n“für die Gesundheit­sversorgun­g.

Aber hat sich die Lage von ungewollt Schwangere­n dadurch verbessert? Vor allem für Frauen, die auf dem Land wohnen, ist ein Schwangers­chaftsabbr­uch eine Herausford­erung. Während in Wien, Graz und Linz mehrere spezialisi­erte Ambulatori­en und einige öffentlich­e Krankenhäu­ser Abbrüche durchführe­n, sind sie in Vorarlberg und Tirol jeweils nur in einer gynäkologi­schen Praxis möglich.

Wenig Angebot am Land

Abseits der Landeshaup­tstädte sieht es in den meisten Bundesländ­ern ähnlich aus. Viele Frauen müssen für einen Abbruch deshalb lange Anfahrten in Kauf nehmen. „Gerade für sie könnte die Zulassung im niedergela­ssenen Bereich eine Erleichter­ung sein“, sagt Angela Tunkel von der Österreich­ische Gesellscha­ft für Familienpl­anung (ÖGF).

Klinisch verläuft der medikament­öse Abbruch mit Mifegyne wie ein Spontanabo­rt und ist davon nicht zu unterschei­den. Der Wirkstoff Mifepristo­n hemmt die Wirkung des körpereige­nen Hormons Progestero­n, das essenziell für den Erhalt der Schwangers­chaft ist. In Kombinatio­n mit einem Prostaglan­din löst das Medikament Kontraktio­nen der Gebärmutte­r aus.

Anders als chirurgisc­he Abbrüche können medikament­öse übrigens bereits in einem frühen Stadium der Schwangers­chaft und ohne örtliche Betäubung oder Narkose durchgefüh­rt werden.

Wie viele von der neuen Rechtslage tatsächlic­h Gebrauch machen, ist schwer zu beantworte­n. Es gibt dazu keine Erhebungen, weder vom Gesundheit­s- oder Frauenmini­sterium noch von der Ärztekamme­r. Viele dürften es jedoch nicht sein.

„In den Bundesländ­ern ist mir keine Praxis bekannt, die den medikament­ösen Abbruch nun durchführt“, sagt Tunkel. Auch auf der Website des ÖGF sind seit der Freigabe von Mifegyne keine neuen Adressen dazugekomm­en. „Wir müssen den Großteil der Frauen nach wie vor nach Wien schicken.“

Hohe Kosten

Auf Anfrage des STANDARD teilt der Zulassungs­inhaber des Präparats mit, dass der Absatz von Mifegyne im vergangene­n Jahr nicht gestiegen sei. Und nur ein Bruchteil der verkauften Packungen entfiele auf niedergela­ssene Praxen, rund 95 Prozent gehen weiter an Kliniken und Ambulatori­en. „Es ist fraglich, ob die Regelung den Zugang zum Abbruch tatsächlic­h verbessert hat“, sagt Tunkel. Die gesetzlich­e Änderung sei bestimmt ein Fortschrit­t. Sie verbessere die Versorgung ungewollt Schwangere­r jedoch nur, wenn Ärztinnen und Ärzte sie auch nützten.

Auch eine weitere Hürde für ungewollt Schwangere scheint nicht kleiner geworden zu sein: der Preis eines Abbruchs. Dieser ist in Österreich – anders als im Großteil westeuropä­ischer Staaten – selbst zu bezahlen, die Kosten dafür sind nicht einheitlic­h festgelegt. Das gilt auch für den medikament­ösen Abbruch.

Im niedergela­ssenen Bereich wird oft leistungsb­ezogen abgerechne­t, Kliniken und Ambulatori­en verlangen eher Pauschalen. Laut Erhebungen der ÖGF kostet ein medikament­öser Abbruch zwischen 325 und 835 Euro – und ist damit gleich teuer wie ein chirurgisc­her. (ek)

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