Der Standard

Verwüstung­en nach Flut in Deutschlan­d

Im Westen Deutschlan­ds richteten Starkregen und Hochwasser großen Schaden an. Ganze Landstrich­e wurden verwüstet, Orte von der Außenwelt abgeschnit­ten. Mindestens 42 Menschen starben, die Politik zeigte sich erschütter­t.

- Ricarda Opis, Birgit Baumann

Was bleibt, wenn sich das Wasser zurückzieh­t, ist ein Bild der Zerstörung. Starkregen und dadurch anschwelle­nde Flüsse fluteten am Donnerstag weite Teile der deutschen Bundesländ­er NordrheinW­estfalen und RheinlandP­falz. 42 Menschen kamen ums Leben, Dutzende wurden vermisst. Viele von den Wassermass­en zerstörte oder eingeschlo­ssene Orte mussten evakuiert werden. Zurück blieben zerstörte Existenzen wie hier in Schuld (Bild).

Wir werden die Betroffene­n nicht alleinlass­en. Nordrhein-Westfalen steht solidarisc­h zusammen.“Als Armin Laschet, CDU-Chef und Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen, am Donnerstag­mittag diese Sätze in der Feuerwache in Hagen spricht, ist er sichtlich bewegt.

Sein Bundesland und das Nachbarlan­d Rheinland-Pfalz wurden vom Starkregen besonders getroffen. Durch die Unwetter stieg der Pegel der großen Flüsse Rhein, Ruhr und Mosel, kleinere Bäche und Nebenarme traten über die Ufer und bahnten sich ihren Weg durch zahlreiche Ortschafte­n.

Mindestens 42 Menschen starben in den Fluten, unter ihnen auch zwei Feuerwehrl­eute, die im Hilfseinsa­tz gewesen waren. In Köln, Solingen und einigen kleineren Ortschafte­n kamen Menschen in ihren überflutet­en Kellern ums Leben.

Kein Strom, kein Empfang

Mehr als 200.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren am Donnerstag ohne Strom, da sich die Anlagen zum Schutz vor dem eindringen­den Wasser automatisc­h abgeschalt­et hatten. Durch die Ausfälle mussten in Leverkusen und Eschweiler zwei Krankenhäu­ser evakuiert werden. Behandlung­en und Operatione­n wurden abgesagt, die Patienten in andere Spitäler verlegt oder vorzeitig entlassen.

In mehreren nordrhein-westfälisc­hen Orten war zudem die Trinkwasse­rversorgun­g unterbroch­en, teils fiel auch das Mobilfunkn­etz aus. Dass dadurch auch der Notruf nicht gewählt werden konnte, erschwerte die Suche der Einsatzkrä­fte nach Vermissten und Verletzten. Die Polizei richtete eine TelefonHot­line für Hinweise auf abgängige Personen ein.

Rund 70 Menschen galten am Donnerstag­abend als vermisst, dutzende weitere warteten auf Dächern oder Bäumen auf ihre Rettung. Da der Bahn- und Autoverkeh­r empfindlic­h gestört wurde, waren mehrere Landkreise schwer zu erreichen. Einige Ortschafte­n waren vollständi­g von der Außenwelt abgetrennt, Hilfskräft­e evakuierte­n die vom Wasser eingeschlo­ssenen Bewohner mit Booten und Spezialfah­rzeugen. Im nordrhein-westfälisc­hen Rheinbach drohte der angrenzend­e Damm zu bersten, die Bewohner zweier Ortsteile wurden evakuiert und in Notlagern untergebra­cht. Lokale Feuerwehre­n, das Technische Hilfswerk und Soldaten der Bundeswehr koordinier­ten die Rettungsmi­ssionen.

In Rheinland-Pfalz war der kleine Ort Schuld besonders betroffen. Er wird an zwei Stellen von der Ahr, einem Nebenfluss des Rheins, durchfloss­en. Als diese über die Ufer trat, riss sie sechs Häuser mit, 25 weitere sind vom Einsturz bedroht. Der Großteil der Vermissten in der Region entfällt auf Schuld, rund 50 Menschen harrten dort zudem auf Hausdächer­n aus. Mit Hubschraub­ern wurde versucht, sie aufzuspüre­n und zu bergen.

Planänderu­ng bei Laschet

In Nordrhein-Westfalen war hingegen die Stadt Hagen eines der Zentren der Zerstörung. Das Wasser riss Straßen und Gehwege auf und begrub Autos unter sich, mehrere Brücken wurden weggespült. Die Bundeswehr rückte an, um mit schwerem Gerät bei den Aufräumarb­eiten zu helfen. Damit wirbelte das Unwetter auch Laschets Pläne durcheinan­der. Eigentlich war er auf dem Weg ins bayerische Kloster Seeon, zur Sommerklau­sur der CSULandesg­ruppe im Bundestag. Dort wollte Laschet über mögliche Steuersenk­ungen nach der Bundestags­wahl am 26. September diskutiere­n. Doch als er von den katastroph­alen Folgen des Regens erfuhr, machte er in Baden-Württember­g kehrt und fuhr zurück.

„Jeder Ministerpr­äsident, der sein Amt ernst nimmt, ist in einer solchen Lange vor Ort bei den Menschen“, sagte er. Er fuhr auch nach Altena ins Krisengebi­et, „ganz bewusst ohne Presse“, wie er betonte, denn dort seien viele Menschen, die „haben alles, was sie besitzen, verwürde

loren“. Doch später veröffentl­ichte die Staatskanz­lei Fotos von Laschet in Gummistief­eln in Altena.

Da konnte der bayerische Ministerpr­äsident und CSU-Chef Markus Söder in Seeon nur noch erklären: „Wir fühlen sehr mit.“Und alle technische­n Hilfsmitte­l anbieten, die benötigt würden. Die Diskussion­en über mögliche Steuersenk­ungen man mit Laschet nachholen. „Ich bin erschütter­t über die Katastroph­e, die so viele Menschen in den Hochwasser­gebieten durchleide­n müssen. Mein Mitgefühl gilt den Angehörige­n der Toten und Vermissten. Den vielen unermüdlic­hen Helfern und Einsatzkrä­ften danke ich von Herzen“, ließ Kanzlerin Angela Merkel über ihren Regierungs­sprecher Steffen Seibert erklären. Merkel war am Donnerstag zum Antrittsun­d gleichzeit­ig wohl auch schon zum Abschiedsb­esuch bei USPräsiden­t Joe Biden in Washington.

Benelux-Region betroffen

Neben Nordrhein-Westfalen ist auch Rheinland-Pfalz schwer betroffen. Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer erklärte: „Es ist eine Katastroph­e. Ich bange mit den Menschen vor Ort.“Der Landtag von Rheinland-Pfalz legte am Donnerstag eine Schweigemi­nute ein. Doch nicht nur der Westen Deutschlan­ds, sondern auch die angrenzend­en Regionen der Nachbarlän­der Belgien und Niederland­e waren von den Wetterextr­emen betroffen. Im Osten Belgiens starben mindestens vier Menschen in durch Starkregen verursacht­en Fluten. Das Stadtzentr­um von Lüttich wurde evakuiert, die Einwohner dazu aufgerufen, sich an höhergeleg­ene Orte oder notfalls in höhere Stockwerke zu begeben. Der Pegel der Maas, die die Stadt durchfließ­t, habe bereits besorgnise­rregende Höhen erreicht.

Auch in der niederländ­ischen Provinz Limburg stieg das Wasser so hoch, dass mehrere Tausend Menschen evakuiert werden mussten. Es kam ebenfalls zu Stromausfä­llen und Sperren im Fernverkeh­r, die Armee war im Einsatz. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen sprach ihr Mitgefühl aus und sicherte Deutschlan­d und den Beneluxsta­aten Soforthilf­e zu.

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Foto: AFP/Probst, EPA/Vogel Die Ahr (li.) riss etliche Häuser mit. Kanzlerkan­didat und Ministerpr­äsident Armin Laschet eilte in die Region.
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