„Weibliche Securitys wären wichtig“
Ausgelassenes Feiern geht für viele Frauen häufig noch immer mit Belästigung und Übergriffen einher. Ursula Kussyk, Expertin für sexualisierte Gewalt, sieht auch Partyveranstalter in der Pflicht.
Frauen und Mädchen erleben auf Partys und Veranstaltungen oft sexuelle Gewalt, wie sie nun auch von einer Maturareise gemeldet wurde. Ursula Kussyk vom Notruf bei sexueller Gewalt (01/523 22 22) fordert, dass es im Vorfeld von Veranstaltungen eine klare Botschaft braucht, dass man Übergriffe nicht akzeptiert und bestimmt dagegen vorgeht.
STANDARD: Sexuelle Übergriffe auf einer Maturareise – überrascht? Kussyk: Nein, ich schätze das Ausmaß solcher Übergriffe als hoch ein. Unsere Klientinnen kommen vor allem wegen sexualisierter Übergriffe zu uns, die nicht in Partnerschaften passieren. Wenn in einer Partnerschaft solche Übergriffe stattfinden, dann finden auch meist andere Formen von Gewalt statt, deshalb wenden sich diese Frauen an Gewaltschutzzentren oder Frauenhäuser.
STANDARD: Warum waren Sie nicht überrascht?
Kussyk: Weil generell noch viel zu wenig getan wird. Veranstalter von Konzerten, Partys oder auch Maturareisen müssten sich vorab überlegen, wie sie Übergriffe vermeiden und wie sie vorgehen, wenn sie passieren. Es muss klar kommuniziert werden, was auf der Veranstaltung auf keinen Fall geht und wohin sich jemand konkret wenden kann, falls etwas passiert. Und es muss klar vermittelt werden, dass man nicht wegschauen soll, wenn anderen etwas passiert. Das alles muss von vornherein thematisiert werden.
STANDARD: Bei den bekannt gewordenen Fällen in Kroatien wurden auch die beschuldigt, die für Sicherheit sorgen sollen: Security-Mitarbeiter. Kussyk: Deshalb wäre es Hinblick auf sexuelle Belästigung wichtig, viele weibliche Securitys einzusetzen und generell Securitymitarbeiter gut auszubilden.
STANDARD: Wo passieren sexuelle Übergriffe im öffentlichen Raum? Kussyk: In Lokalen, dort auf den Toiletten, in Schwimmbädern, bei Partys oder auf Veranstaltungen und auf dem Heimweg. Immer wieder kommt auch vor, dass über das Internet jemand Kontakt knüpft. Für die Betroffene sah es so aus, als ob er an einer Beziehung oder Freundschaft interessiert wäre, dann aber versucht, sie zu vergewaltigen, wenn sie sich treffen. Die Betroffenen kommen sich oft blöd vor, wenn sich ein Übergriff anbahnt. Sie glauben, sie wären hysterisch und dass sie irgendwas vermuten, was gar nicht stattgefunden hätte. Es kommt auch zu Fällen bei Ärzten oder Masseuren, wo sich junge Frauen oft nicht trauen, etwas zu sagen.
STANDARD: Was könnte helfen? Kussyk: Es reicht nicht, aufzuzeigen, wo ein Übergriff anfängt. Es muss ganz grundsätzlich auch darum gehen, wie man erkundet, was man will. Es ist ein Hemmschuh, wenn sich junge Menschen nicht überlegen, was Sexualität für sie bedeutet, wenn sie sich nicht fragen: Was möchte ich erleben? Und wie sie das dann auf Augenhöhe und mit Konsens ausprobieren. Wenn jemand schon im Kopf hat, was er will, und das Mädchen nicht, dann ist sie immer zwei Schritte hinten nach. Und das macht es sehr schwer, Widerstand zu leisten, weil man sich anscheinend schon auf etwas eingelassen hat. Da muss man dann viel Kraft und auch Aggression aufbringen, jemanden zurückzuweisen.
STANDARD: Wie schätzen Sie den Faktor Alkohol bei sexuellen Übergriffen ein?
Kussyk: Es ist natürlich legitim, zu feiern, Spaß zu haben und Alkohol zu trinken. Dass Alkohol das Reaktionsund Einschätzungsvermögen von Gefahren herabsetzt, darf man auf keinen Fall den jungen Frauen umhängen. Doch dieses verringerte Einschätzungsvermögen wird beinhart ausgenutzt. Wir hatten heuer schon viele Fälle, in denen die Täter bewusst dafür gesorgt haben, dass Begleiterinnen oder Frauen, die sie erst kennengelernt haben, möglichst viel trinken. Sie hatten also schon von vornherein einen sexuellen Übergriff vor.
STANDARD: Was können und wollen die Betroffenen gegen die erlebten Übergriffe unternehmen?
Kussyk: Ein Teil will nichts unternehmen, andere überlegen und werden von uns auch informiert, wie ein Prozess abläuft, wenn man Anzeige erstattet. Das ist mitunter sehr belastend, und in den meisten Fällen kommt es auch zu einer Einstellung des Verfahrens. Und man läuft auch Gefahr, dass man eine Gegenanzeige wegen Falschaussage oder Verleumdung bekommt. Wir bieten kostenlose psychosoziale und juristische Prozessbegleitung an, um die Frauen zu unterstützen.
URSULA KUSSYK ist Leiterin der Frauenberatung Notruf bei sexueller Gewalt.