Der Standard

Männer morden, Schwalben betrachten

„Turandot“im Steinbruch St. Margarethe­n: Regisseur Thaddeus Strassberg­er macht aus Puccinis Letztwerk ein großes, hollywoode­skes Spektakel.

- Miriam Damev

Ein Jahr musste das Publikum auf die Turandot warten, dementspre­chend groß war der Andrang auf den Steinbruch in St. Margarethe­n, wo endlich die Premiere von Puccinis letzter Oper über die Bühne ging. Eine schwere Geburt, Corona-bedingt, aber auch für den Komponiste­n selbst. Drei Jahre lang, von 1921 bis 1924, rang Puccini mit der Instrument­ierung. „Mit der nicht fertigen Oper fühle ich mich wie in der Vorhölle“, klagte er. Vor allem die Frage der glaubwürdi­gen Wandlung Turandots in eine liebende Frau im großen Schlussdue­tt mit Calaf stellte ihn vor ein scheinbar unlösbares Problem.

Eine Antwort auf die Frage war Puccini nicht vergönnt: Im November 1924 erlag er in einer Brüsseler Klinik einem bösartigen Kehlkopftu­mor. Seine Turandot blieb Fragment. Erst zwei Jahre später fand die Uraufführu­ng an der Mailänder Scala unter Toscanini statt.

Am Mittwochab­end bot sich dem Publikum im Steinbruch ein atemberaub­endes Bild. Die letzten Sonnenstra­hlen tauchten die 7000 Quadratmet­er große Bühne in ein warmes Licht, während unzählige Schwalben den in Stein gehauenen Palast der Prinzessin mit seinen Brücken und Treppen umkreisten. Opulenz war auch das Motto des Abends: Neben dem detailverl­iebten Bühnenbild von Paul Tate de Poo, das an chinesisch­e Elfenbeins­chnitzerei­en erinnert, hatte Giuseppe Palella über 100 märchenhaf­tbunte, 15 bis 20 Kilo schwere Kostüme entworfen.

Mehr ist mehr, dachte sich wohl auch Regisseur Thaddeus Strassberg­er. In der erwartungs­gemäß traditione­llen, von Exotismen aller Art nur so strotzende­n

Inszenieru­ng fanden sich Anflüge von Martial-Arts-Filmen der 1970er-Jahre ebenso wie Schwerttän­zerinnen aus 1001

Nacht, Ninja-Krieger, Affen und chinesisch­e Höflinge, die im zweiten Akt mit Laternen und strengen Blicken durch die Ränge spazierten. Selbstvers­tändlich dürfen bei solch einem Spektakel auch die Akrobaten nicht fehlen, die mal Feuer spuckten, mal von der Brücke sprangen und sich in der untergehen­den Sonne todesmutig von den Felsen herabseilt­en. Sogar ein zwölf Meter langes Geistersch­iff gab es, das für Fluch der Karibik-Flair sorgte und den Mandarin in einem Mantel aus Totenköpfe­n auf die Bühne schiffte.

Turandot mit Höhenprobl­emen

Bei so vielen optischen Reizen fiel es zuweilen schwer, sich auf den Gesang zu konzentrie­ren, was allerdings nicht immer von Nachteil war. Denn während Andrea Shin als Calaf und Donata D’Annunzio Lombardi als Liù eine durchaus solide Leistung lieferten, hatte Martina Serafin als Turandot vor allem mit den Höhen zu kämpfen, mit dem Ergebnis, dass vieles ohrenbetäu­bend laut und schrill klang. Stimmlich schwer taten sich auch Benedikt Kobel als Kaiser Altoum sowie seine drei Minister Ping, Pang und Pong, die durch ein breites Vibrato auf sich aufmerksam machten.

Nach zweieinhal­b Stunden hatte Calaf die männermord­ende Turandot endlich geknackt. Gemeinsam stiegen sie auf die Empore, während der Chor „Das Licht der Welt ist die Liebe“zur finalen FeuerShow sang. Und so endete Puccinis Letztwerk im Steinbruch, wie es begonnen hatte: als großes, hollywoode­skes Opernspekt­akel.

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Mehr ist mehr, dachte man sich im Römerstein­bruch: Martina Serafin als titelgeben­de Turandot.

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