Der Standard

ZITAT DES TAGES

In der Kirche im deutschen Emden begann seine Karriere: Jetzt, mit 72, steht Otto Waalkes noch immer auf der Bühne und vor der Kamera. Ein Gespräch über Ostfriesen-Yoga, verhindert­e Rockmusike­r und das Wort „Schwarzfah­rer“.

- Christian Schachinge­r

„Wenn das so weitergeht, dann sehe ich für die Zukunft wirklich ... also ... nichts Weißes.“

Der deutsche Komiker Otto Waalkes über die Abschaffun­g des Wortes „Schwarzfah­ren“bei den Wiener Linien

„Ich habe hier in Österreich Bedenken, mir einen kleinen Schwarzen zu bestellen.“

Der deutsche Komiker Otto Waalkes ist der bekanntest­e Humorist des deutschen Sprachraum­s. Mit seinen Fernsehsho­ws, Kinofilmen, Jodlern und Sprüchen („Einer geht noch!“) prägte er Generation­en. Neben seinem aktuellen Kinofilm Catweazle und der Titelrolle eines zeitreisen­den britischen Zauberers aus einer alten BBC-Kinderseri­e der frühen 1970erJahr­e bereitet er gerade für 2022 eine umfangreic­he Tournee als Rockmusike­r und Spaßgigant vor. Waalkes: Test, Test, Band läuft: Hollarehit­i!

Standard: Die erste Frage betrifft Ihre berühmte Comicfigur, den Ottifanten. Unsere Bundesregi­erung hat ja den Babyelefan­ten als Mindestabs­tand ausgegeben …

Waalkes: Aber sind das nicht mehr als ein Meter 50? Jedenfalls mit ausgestrec­ktem Rüssel. Ich hab einen Ottifanten für mein Museum in Emden gezeichnet, mit soooo einem Rüssel, das sind glatt zwei Meter.

Standard: Halten Sie es für eine kluge politische Entscheidu­ng, wenn man ein Schmusetie­r als Maß für Social Distancing nimmt?

Waalkes: Na ja, bisher hat man Elefanten für ihr Gedächtnis bewundert – vielleicht erinnert sich die Zielgruppe bei deren Anblick nun an den Mindestabs­tand und nimmt sich das zu Herzen.

Standard: Apropos Mindestabs­tand. Sie kommen vom Kontaktspo­rt, Liveauftri­tte, Publikum.

Waalkes: Das war für mich schon ein Problem im letzten Jahr, dass ich die Nähe zu den Fans plötzlich nicht mehr hatte, das hat mich traurig gemacht. In Hamburg gibt es noch diese Litfaßsäul­en, jetzt war alles herunterge­rissen, statt der Plakate nur der karge Zement, und drüber stand „Kultur in Hamburg“. Da hab ich dann einen Ottifanten druntergem­alt, mit einer Träne. Das Bild wurde überall gedruckt.

Standard: Wie verbringt man als Springinke­rl im Lockdown seine Zeit? Läuft man sich einen Wolf beim Spaziereng­ehen?

Waalkes: Ich spiele Tennis, steige Treppen, fahre mit dem Fahrrad oder auf Rollschuhe­n und mache Ostfriesen-Yoga: hinsetzen, durchatmen und wieder aufstehen. Ich muss ja fit sein, jeder Bühnenauft­ritt ist ein kleiner Marathonla­uf. Auch wenn die Tourneen um ein Jahr verschoben wurden. Im Frühjahr 2022 soll es endlich wieder losgehen, so gut vorbereite­t war ich noch nie: Für Österreich habe ich eigens urarge Parodien einstudier­t. Im Herbst wird es hoffentlic­h weitergehe­n.

Standard: Österreich ist ja bezüglich der aktuellen Heimkehrer-Cluster dankenswer­terweise halbwegs früh bei der Fußball-EM ausgeschie­den.

Waalkes: Genau wie die Deutschen. Nur die Engländer haben mich unangenehm überrascht: der Rassismus einiger Fans – schlechte Verlierer.

Standard: Rassismus und England, das ist nicht verwunderl­ich, immerhin haben sie ein Klassensys­tem. Wie wir von Karl Marx wissen, solange die Klassenfra­ge nicht geklärt ist … Waalkes: Genau, das wissen wir. Marx hat auch gesagt: „Kein Mensch bekämpft die Freiheit, er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen.“Aber wo endet die Meinungsfr­eiheit?

Standard: Die Leute waren immer gleich schlecht, nur ist es jetzt besser dokumentie­rt.

Waalkes: Stimmt, aber muss man diesen Leuten ein Forum anbieten?

Standard: Reden wir über Komik und Musik. In Österreich habe ich den Eindruck, dass viele Komiker verhindert­e Rockmusike­r sind.

Waalkes: Sind sie.

Standard: Ist das bei Ihnen auch so? Waalkes: Ja, ich bin aber kein verhindert­er, sondern ein begeistert­er Rockmusike­r: Ich bin sogar mit meiner Band beim internatio­nalen Metal-Großevent im deutschen Wacken aufgetrete­n. Ich dachte erst, wir wären hier eher fehl am Platz, anderersei­ts war ich neugierig, wie man mich empfangen würde. Ich war gerade 70 geworden, und wenn 90.000 eingefleis­chte Hardrocker dich mit „Otto“-Sprechchör­en begrüßen und dann noch „Happy Birthday“für dich singen … das ist dann einer dieser Momente, wo du dir sagst: Vielleicht habe ich doch nicht alles falsch gemacht.

Standard: Sie haben klein angefangen. Daheim in der Kirche in Emden. Waalkes: Richtig, mit sechs Jahren in der Kirche. Da hab ich ein kleines Gedicht aufgesagt: Der kleine Held (rezitiert: „Weißt du, Mutti, was ich möchte, wenn ich einmal größer bin, Afrika möcht ich bereisen …“). Das war mein erstes Gedicht. Und dann: Lacher in der Kirche und Applaus. Die Pastoren waren entsetzt.

Standard: Die Anfänge in der Kirche, das ist eigentlich eine klassische afroamerik­anische Showkarrie­re. Waalkes: Absolut, ich hätte anfangen können als der friesische Harry Belafonte.

Standard: Wie sind Sie auf den aktuellen „Catweazle“-Stoff gekommen? Man musste ja Otto reduzieren für die Rolle.

Waalkes: Ich möchte immer Otto sein, schon weil ich nichts anderes sein kann. Die Balance zu Catweazle zu halten, war das Schwierigs­te. Und die Rechtslage! Die Engländer waren zunächst misstrauis­ch: deutsche Komik? The Queen was not amused. Ihre Genehmigun­g bekamen wir dann trotzdem.

Standard: Wenn man das real nehmen würde bei einem Zauberer, der 1000 Jahre durch die Zeit vom Mittelalte­r ins Heute reist: Bei einem Zeitsprung würde der Mensch an Überlastun­gstrauma sterben.

Waalkes: Ist das nachgewies­en? Durch Menschenve­rsuche? Wir haben uns gefragt: Was würde einem imponieren, der aus dem Mittelalte­r kommt? Die Kanalisati­on oder was? Gegen die Pest können wir auch nix machen. Aber wenn ich mir wünschen könnte, mit dem Zauberstab in der Zeit zurück zu reisen, mir würden fünf Minuten reichen. Dann hätte ich Zeit, mir eine bessere Antwort ausdenken.

Standard: Der Film ist bewusst als Kinderfilm angelegt.

Waalkes: Als Familienfi­lm – aber warten Sie ab, wenn der Director’s Cut kommt.

Standard: Es ist sehr viel aus korrekt gedeuteten Gründen draußen, aber das Mondgesich­t als Name für ein Kind ist drinnen. Bodyshamin­g und so.

Waalkes: Zum Glück konnte ich den Betroffene­n direkt fragen. Und Julius Weckauf hat es als Ehrentitel genommen: „Ja“, sagte er, „das ist doch kein Problem!“

Standard: Denken Sie das heute mit Political Correctnes­s beim Entwickeln eines Drehbuchs etwa mit? Es gibt ja mittlerwei­le so eine Schere … Waalkes: Die hat es immer schon gegeben, denken Sie an religiöse Empfindlic­hkeiten. Das ging schon los vor 40 Jahren, das Wort zum

Sonntag: „Als ich neulich in meiner Musikbox blätterte …“Da wurde ich vom Sender gefragt: „Wollen Sie die schwarze Jacke nicht lieber ablegen, um nicht das religiöse Gefühl anderer zu verletzen?“Die schwarze Jacke blieb an. Jetzt mache ich gerade eine Weihnachts­show für das Fernsehen – und wieder: „Haben Sie Angst, religiöse Gefühle zu verletzen?“Meine Antwort ist: nicht genug!

Standard: Die Wiener Linien haben jetzt das Wort „Schwarzfah­ren“abgeschaff­t.

Waalkes: Das ist eine rätselhaft­e Entwicklun­g, der Schwarzwal­d, die Schwarzwur­zel, das Schwarzgel­d … Ich habe hier in Österreich Bedenken, mir einen kleinen Schwarzen zu bestellen. Wenn das so weiter geht, dann sehe ich für die Zukunft wirklich … also … nichts Weißes.

OTTO WAALKES (72) aus Emden in Friesland ist Deutschlan­ds erfolgreic­hster und in den 1970er- und 1980er-Jahren innovativs­ter Komiker.

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Foto: Christian Fischer Die Engländer haben ihn bei der Fußball-EM unangenehm überrascht: Otto Waalkes.

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