Der Standard

Im Camp ist was los

Tausende Wiener Schulkinde­r nehmen in den Ferien an den Summer City Camps teil. Neben Spaß und Sport steht spielerisc­hes Lernen im Vordergrun­d. Nach dem Corona-Schuljahr haben auch gemeinsame Aktivitäte­n Nachholbed­arf.

- REPORTAGE: David Krutzler

Im zweiten Stock bricht ein Vulkan aus. Ein Schraubver­schluss fliegt aus dem selbstgeba­stelten Feuerberg mit einem Plopp in die Luft. Dann folgt eine rote Masse. Dass hinter dem Ausbruch eine chemische Reaktion zwischen Backpulver und Essig steckt, fasziniert die Kinder. Eine Schülerin hat auch einen echten Vulkanstei­n mitgebrach­t, der herumgerei­cht wird. In dem einen Turnsaal wird unter Gejohle gedribbelt, gepasst und geschossen, im anderen entspannen die Schüler nach den akrobatisc­hen Kinderyoga-Übungen samt Sonnengruß. Und im ersten Stock lernen die Kinder spielerisc­h, wie einzelne Kärtchen auf dem Boden so gelegt werden können, dass sich daraus eine spannende Geschichte ergibt, welche sie auch wortreich aufschreib­en können.

In der Ganztagsvo­lksschule Schäfferga­sse mitten im vierten Wiener Bezirk spielt es sich an diesem Mittwoch ab, frage nicht. Und dabei stand für die Sechs- bis Zwölfjähri­gen noch nicht einmal das Mittagesse­n auf dem Programm. Die Schule ist in den Sommerferi­en einer von insgesamt 35 Standorten der Summer City Camps der Stadt. Kinder und Jugendlich­e mit Hauptwohns­itz in Wien können hier in Gruppen von bis zu 20 Kindern – betreut und getestet – eine unbeschwer­te, abwechslun­gsreiche Zeit erleben.

Das Ziel ist ein Mix aus Spiel, Spaß und Lernen – und auch der Sport soll nach den ganzen Corona-Einschränk­ungen samt Homeschool­ing nicht zu kurz kommen. Das haben sich die Schüler in den Ferien auch verdient. Beim Lernen stimmen die Kinder da vielleicht weniger zu. „Wobei das Ganze von unseren Betreuerin­nen und Betreuern an diesem Standort am besten so verpackt wird, dass es nicht auffällt, dass jetzt auch gelernt wird“, sagt Jakob Springer.

Fast ausschließ­lich Studierend­e

Springer ist für den Wiener Familienbu­nd tätig. Er koordinier­t die sieben Standorte, für die die Organisati­on im Rahmen der Wiener Sommercamp­s zuständig ist. Die restlichen Trägerorga­nisationen sind die Wiener Kinderfreu­nde sowie die Vereine Hi Jump Wien und Zeit!Raum. Alleine in der Schule in der Schäfferga­sse werden fünf Gruppen mit insgesamt 100 Kindern von sechs bis zwölf Jahren betreut. „Dafür wurden auch 140 Mitarbeite­r saisonal für die Camp-Betreuung angestellt“, sagt Springer. Zum Einsatz kommen fast ausschließ­lich Studierend­e.

In einem von den Betreuern gekaperten Zimmer wurde auf einer Schultafel der Stundenpla­n für die fünf Gruppen niedergekr­itzelt. Gruppendur­chmischung­en, wie sonst üblich, gibt es diesmal nicht. „Corona hat uns leider unflexible­r gemacht“, meint Springer. Aber die Kinder seien froh, dass sie wieder gemeinsam etwas in Gruppen machen und neue Freunde kennenlern­en könnten.

Geboten wird mit Kooperatio­nspartnern alleine in dieser Woche einiges: Es gibt etwa Ganztagesa­usflüge auf die Donauinsel und zum Wasserpark, wo der Club „Umweltspür­nasen“die Kinder auf Entdeckung­sreise durch die Tier- und Pflanzenwe­lt mitnimmt. Neben Ausflügen ins Schwimmbad werden vom Verein ASKÖ auch Schwimmkur­se angeboten, die über zwei Wochen laufen. Es geht in die Bibliothek, zum Motorikpar­k, ins Zoom Kindermuse­um, auf Blättersuc­he in den Wald oder auf Schnitzelj­agd durch den ersten Bezirk. Und in der Schule selbst wird gesportelt, experiment­iert, gelesen und gelernt.

Integrativ­e Deutschför­derung

Dazu kommen an dem Standort fünf Stunden integrativ­e Deutschför­derung pro Woche. „Da wird sinnerfass­end gelesen und alles spielerisc­h mit Sprache verpackt“, erzählt Katharina Bischof, die ihre Ferien vom Studium bei der Pädagogisc­hen Hochschule hier verbringt. Vor allem Kinder mit Deutsch als Zweitsprac­he würden enorm profitiere­n. Und bei Leseratten wie Hannah, Oliver und Marko, die sich ihre Bücher schnappen und sich auch mal ruhig zurückzieh­en, schauen sich auch die anderen etwas ab. Bischofs Studienkol­legin Julia Scharler leitet hier den Camp-Standort und übernimmt nach dem Sommer erstmals eine Volksschul­klasse als Lehrerin. „Die Ferien hole ich nach, in Zukunft kann ich noch genug auf Urlaub fahren“, meint sie.

In der Schäfferga­sse gibt es auch Inklusivgr­uppen, wo Kinder mit besonderen Bedürfniss­en genauso überall mitmachen – auch beim Kinderyoga unter Instruktor­in Nicole von Charmaine Yoga. Für sie gibt es zusätzlich­e Betreuerin­nen und Betreuer in den Kursen:

wie Dóra Szalai, die in Deutschlan­d Kindheitsp­ädagogik studiert sowie eine Berufsausb­ildung zur Erzieherin absolviert hat und im Master für Bildungswi­ssenschaft­en steckt. „Hier haben wir fast mehr Ressourcen als in den Schulen“, sagt Szalai. In den Gruppen kommen zwei Betreuerin­nen und Betreuer auf 20 Kinder, in den I-Klassen mit vier Inklusivki­ndern sind es bis zu fünf.

An sechs Standorten der Summer City Camps gibt es für Kinder mit Lerndefizi­ten, die intensiver­e Nachhilfe benötigen, auch Programme mit Lernförder­kursen in Deutsch und Mathematik am Vormittag sowie Freizeitbe­treuung am Nachmittag. Für Jugendlich­e

rund um den Pflichtsch­ulabschlus­s finden auch kostenlose zweiwöchig­e Lernkurse mit Deutsch, Mathematik und Englisch als Schwerpunk­t statt. Optional wird auch hier ein Freizeitpr­ogramm angeboten.

Um mögliche Lerndefizi­te zu minimieren, gibt es auch wieder die Sommerschu­len des Bundes in den zwei letzten Ferienwoch­en. Österreich­weit haben sich 38.800 Kinder und Jugendlich­e angemeldet, davon 10.000 in Wien. Im Vorjahr waren es 22.500. Der Hauptfokus liegt auf Deutsch und Mathematik, es gibt aber auch fächerüber­greifende Inhalte. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos.

24.300 Camp-Plätze

In den Wiener Summer City Camps stehen 24.300 Plätze zur Verfügung. Teilnehmen­de Schülerinn­en und Schüler sind es weniger, weil viele auch für mehr als eine Woche angemeldet wurden. Das Angebot wurde im Frühjahr von Bildungsst­adtrat und Vizebürger­meister Christoph Wiederkehr (Neos) aufgrund des Andrangs und verärgerte­r Eltern, die nicht zum Zug kamen, um 3200 Plätze aufgestock­t. Die Nachfrage, um Kinder betreuen zu lassen, war bei den Eltern nach dem Corona-Schuljahr sehr hoch. Die Camps laufen von Montag bis Freitag von 8 bis 17 Uhr. Frühbetreu­ung ist aber bereits ab 7.15 Uhr möglich, die Abholung bis 18 Uhr. Die Kosten für eine Woche betragen inklusive Mittagesse­n 50 Euro. Für das zweite oder dritte Geschwiste­rkind sind es 25 Euro.

Im Turnsaal der Volksschul­e Schäfferga­sse wird knapp vor dem Mittagesse­n noch einmal richtig gejohlt und geschrien. Da kann die Deutschför­derung noch so gefinkelt und hinter Spielen gut versteckt sein: Gegen Fußball ist beliebthei­tsmäßig kein Kraut gewachsen. Trainer Antonio Palumbo vom Verein Dynamo Kids hat die jungen Kickerinne­n und Kicker, die nach Koordinati­onsübungen zum Aufwärmen im Rudel dem Ball nachjagen, im Griff. „Die allerwicht­igste Regel ist: nicht foulen!“, sagt Antonio. „Was heißt foulen?“, fragt ein Junge. Antonio braucht das gar nicht groß zu erklären, das erledigen die Kids fasziniere­nd wortreich untereinan­der, eine regelrecht­e Diskussion zum Thema entspannt sich, die weit über den Fußball hinausgeht. Auch beim Sport wird also spielerisc­h gelernt.

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Auf gemeinsame Aktivitäte­n im Turnsaal mussten Kinder wegen Corona lange verzichten. Der Spaß bei den YogaÜbunge­n ist ihnen ins Gesicht geschriebe­n.
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Fotos: Christian Fischer Diese Woche steht unter dem Motto „Forschen und Entdecken“: Da wird auch einem Vulkan beim Ausbrechen zugesehen. Eine andere Gruppe macht sich auf zum Ausflug in den Wald.
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