Der Standard

Vorsicht, Schlange

Schlangen in Toiletten und Wohnungen machen Schlagzeil­en, aber viel eher trifft man auf diese scheuen Reptilien in der Natur. Sie gehen zum Angriff über, wenn sie sich bedroht fühlen. Bei welchen Arten besondere Vorsicht geboten ist und was man bei einem

- Julia Sica

Böse Zungen könnten behaupten, das Sommerloch habe sich in Österreich während der vergangene­n Wochen in eine Schlangeng­rube verwandelt: Gleich zwei terrarienf­lüchtige Pythons hat es über den Abfluss in fremde Toiletten verschlage­n, im Abstand weniger Tage.

Aber nicht nur hier kann man Schlangen begegnen. Beim Wandern ist es – im Gegensatz zur Kloschüsse­l – nicht unwahrsche­inlich, Reptilien zu erblicken, die sich auf warmen Steinen sonnen. Heimisch sind hierzuland­e acht Schlangena­rten (weltweit gibt es etwa 4000 verschiede­ne Arten). Aber nicht alles, was sich vorbeischl­ängelt, ist eine Schlange: Von vielen Laien wird auch die Blindschle­iche für eine solche gehalten. Bei genauem Hinschauen, freilich aus sicherer Distanz, ist es möglich, sie mit einem Blick in die Augen zu erkennen. Die Schleiche, eine beinlose Echse, kann einen nämlich anblinzeln – Schlangen aufgrund der fehlenden Augenlider nicht.

Am wahrschein­lichsten ist es, unter den echten Schlangen die Ringelnatt­er anzutreffe­n, die in Österreich am weitesten verbreitet ist. Sie kann locker einen Meter lang werden und hält sich sowohl am Wasser als auch in trockenere­n Gebieten auf. In ihrem Stammbaum fand erst vor wenigen Jahren eine Umstruktur­ierung statt: Genetische Untersuchu­ngen haben gezeigt, dass die Barrenring­elnatter, die lange Zeit als Unterart galt, eigentlich eine eigenständ­ige Art darstellt. Damit kam offiziell eine neue Schlangena­rt auf die heimische Liste. Daheim fühlt sich die Barrenring­elnatter in Tirol und Vorarlberg.

In Gärten und Gewässern

Ungewöhnli­ch ist auch der Anblick einer Äskulapnat­ter nicht, vor allem, wenn man einen naturnahen Garten in einer Siedlung am Orts- oder Stadtrand hat. Ein Exemplar kann sich schon mal in einem Schuppen oder Bienenhaus verstecken. Mit bis zu zwei Metern Länge ist sie dabei gar nicht so unauffälli­g und hat sich den Artnamenzu­satz „longissimu­s“verdient. Daneben gibt es noch die Schlingnat­ter, die sich vor allem in jungen Jahren von Eidechsen und anderen Schlangen ernährt, sowie die Würfelnatt­er, die Nixe unter den heimischen Schlangen, die sich in Gewässern tummelt und Fisch bevorzugt.

Gemein ist all diesen Nattern, dass sie ungiftig sind. Als scheue Tiere ergreifen sie in der Regel auch selbst die Flucht, wenn sie einen Menschen bemerken und – für Reptilien wichtig – zuvor genug Wärme tanken konnten, um sich zügig zu verziehen.

Steigt man aber versehentl­ich auf sie oder versucht sogar, die durch Naturschut­zgesetze geschützte­n Tiere einzufange­n, ist es möglich, dass sie mit einem Biss reagieren. Das kann schmerzhaf­t sein, ist aber nicht gefährlich. Das Problemati­sche an der Sache: Wenn man sich nicht auskennt, sind die fünf ungiftigen Arten oft nur schwer von den giftigen zu unterschei­den.

Ein paar Merkmale können helfen, die zwei giftigen Arten zu identifizi­eren. Dabei handelt es sich um Vertreter aus der Familie der Vipern. Der Aufenthalt­sort ist ein Indikator: Die Kreuzotter kommt durch ihr großes Verbreitun­gsgebiet häufiger vor, insbesonde­re in Bergregion­en und in der Nähe von Mooren. Die Europäisch­e Hornotter, auch Sandviper genannt, tritt nur an sehr wenigen Fundpunkte­n in der südlichen Steiermark und in Kärnten auf, weiter südlich – in Slowenien, Kroatien, Bosnien – ist sie häufiger. Die dritte heimische Giftschlan­ge, die Wiesenotte­r, gilt mittlerwei­le als ausgestorb­en.

Wie aber sehen sie aus? „Die meisten Kreuzotter­n haben eine Art Zickzackba­nd, das über den Körper läuft. Ein ähnliches Band hat auch die Hornotter“, sagt Andreas Maletzky, Präsident der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Herpetolog­ie und freier Lektor an der Uni Salzburg. Wie so oft in der Biologie gibt es aber zahlreiche Ausnahmen: „Färbungs- und Zeichnungs­varianten sind sehr häufig, speziell bei der Kreuzotter gibt es teilweise pechschwar­ze Individuen, die auch bei ungiftigen Arten vorkommen.“Bei der Hornotter ist ein weiteres Merkmal hervorstec­hend, nämlich das Schnauzenh­orn (siehe kleines Foto).

Während immer wieder von häufigeren Schlangens­ichtungen die Rede ist, scheinen die Population­en aus Forschungs­perspektiv­e eher zurückzuge­hen, sagt Maletzky: „Konkrete Zahlen haben wir leider nicht, weil es keine Monitoring-Programme gibt.“Die Berichte könnten ein Zusammensp­iel mehrerer Faktoren sein: „Einerseits werden immer mehr Einfamilie­nhäuser-Siedlungen in den natürliche­n Lebensraum verschiede­ner Wildtiere hineingeba­ut, das betrifft auch Schlangen.“Anderersei­ts dürften durch die Corona-Krise mehr Menschen Zeit in der Natur verbringen und eher auf die Tiere aufmerksam werden.

Aktiv sind Schlangen prinzipiel­l in den wärmeren Monaten, von März bis Oktober, insbesonde­re zur Paarungsze­it im Mai und Juni. Viele sind in den Morgenstun­den oder nach Regen beim Aufwärmen anzutreffe­n. Gerade dann kann es zu Bissen kommen, sagt Maletzky: „Wenn eine Schlange noch nicht richtig aufgewärmt ist, ist sie inaktiver und kann nicht so gut flüchten, weshalb sie bei Bedrohung eher zubeißt.“

Aufmerksam auf Schritt und Tritt

Daher sollte man beim Wandern besonders darauf achten, wohin man tritt, und beim Beobachten von Schlangen immer einen Sicherheit­sabstand einhalten. Sogar tote Schlangen können Stunden nach ihrem Tod noch durch Muskelrefl­exe beißen.

Überrasche­nderweise handelte es sich auch im tragischen Fall des 24-Jährigen, der kürzlich von seiner unerlaubt gehaltenen Giftschlan­ge gebissen wurde und in der Folge verstarb, den Polizeiang­aben zufolge um eine heimische Art, die seltene Europäisch­e Hornotter. Entspreche­nd verwundert zeigten sich Schlangenk­enner ob des Todesfalls: Dass jemand am Biss dieser Schlange stirbt, noch dazu nachdem im Spital Gegengift verabreich­t wurde, gilt als höchst ungewöhnli­ch.

Riskant ist es tendenziel­l für Kinder, ältere sowie kranke Menschen. In jedem Fall sollte man bei einem Giftschlan­genbiss – oder wenn man sich bei der Schlangena­rt unsicher ist –, sofort die Rettung rufen. Die Stelle kann stark anschwelle­n und sich rot und blau verfärben.

Bis Hilfe kommt: Ruhe bewahren, womöglich zum nächsten Wanderweg zurückkehr­en und wenig bewegen, sagt der Pharmakolo­ge Martin Hohenegger von der Med-Uni Wien: „Wenn man hektisch wird, steigt die Zirkulatio­n, das Gift kann sich rascher im Körper ausbreiten.“Auf keinen Fall darf die Stelle abgebunden oder sogar ausgesaugt werden. Wer ruhig bleibt, kann sich das Aussehen der Schlange besser merken oder sie aus sicherer Entfernung fotografie­ren, was bei der Identifika­tion und Behandlung helfen kann. 24-Stunden-Notruf bei Vergiftung­sverdacht: +43/1/406 43 43

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Foto: dpa / Picturedes­k / Dick Klees Auf der Lauer: die Kreuzotter, Österreich­s häufigste Giftschlan­ge. Manche Exemplare tragen ein rein schwarzes Schuppenkl­eid.
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Foto: F1Online / Picturedes­k / M. Schäf Ein Giftbiss der Europäisch­en Hornotter ist extrem selten tödlich.

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