Noch immer allein auf weiter Flur
Für Lewis Hamilton schien die Formel 1 unerreichbar zu sein, aber er schaffte 2007 doch den Einstieg. Am Sonntag bestreitet der Brite in Silverstone sein Heimrennen als siebenmaliger Weltmeister. Er ist noch immer der einzige Schwarze im Fahrerfeld.
Der Eingang zu diesem Sport“, sagte Lewis Hamilton vor dem Grand Prix von Großbritannien am Sonntag (16, ORF 1), „war ein Quadrat. Ich war aber eher ein Sechseck. Und ich dachte immer, dass ich niemals durch dieses verdammte Ding passe.“
Doch irgendwie schlüpfte der Junge aus einfachen Verhältnissen durch, damals im Jahr 2007, und wurde zum ersten und einzigen Schwarzen in der wichtigsten Autorennserie der Welt. 14 Jahre später hat Hamilton die Rekorde dieses Sports gebrochen, die Formel 1 geprägt wie kaum einer – und ist noch immer der einzige Schwarze.
Das allein würde den 36-Jährigen kaum aufwühlen. „Es gibt ja nur 20 Cockpits, das ist nicht so wichtig für mich“, sagte er zuletzt dem
Guardian. Allerdings gebe der Blick aufs Fahrerfeld einen Hinweis auf das größere Problem: die fehlende Vielfalt in der Motorsportindustrie.
„Mehr als 40.000 Jobs“biete diese allein in Großbritannien, „und weniger als ein Prozent davon“sei besetzt durch Menschen, die einer ethnischen Minderheit angehören. Herausgefunden hat das die Hamilton Commission in Zusammenarbeit mit der Royal Academy of Engineering, einer Gelehrtengesellschaft für das Ingenieurwesen. Vor seinem Heimrennen tritt Hamilton mit einem neuen Projekt dagegen an. „Ich selbst genieße eine erfolgreiche Karriere, aber es war ein einsamer Weg. Nach 15 Jahren des Wartens auf Veränderung habe ich realisiert, dass ich selbst etwas unternehmen muss.“
Systemische Hindernisse
Die Studie hat zahlreiche gesellschaftliche Faktoren identifiziert, die systemischer Natur sind, aber auch festgefahrene Praktiken innerhalb des Sports, etwa bei der Anwerbung neuer Mitarbeiter. Als Ergebfluss nis wurden zehn Empfehlungen formuliert, die umsetzbar wirken.
Dazu gehören eine Art Selbstverpflichtung von Motorsportorganisationen zu Diversität, eine Anpassung der Ausbildungswege und auch die Förderung von sogenannten Mint-Angeboten (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) schon in bestimmten Schulen.
Für Hamilton selbst ist das nur ein konsequenter Schritt. Seit einigen Jahren versucht er bereits, etwas zu verändern, zunächst wurde das durchaus belächelt – als Multimillionär, der das ganze Jahr um die Welt fliege, sündhaft teure Partys besuche, ein Vermögen mit Autorennen mache und dann plötzlich eine soziale Ader und die Liebe zur Natur entdecke.
Doch Hamilton begann bei sich selbst, verkaufte seinen Privatjet und zahlreiche Autos, lebt seit Jahren vegan. Und versuchte dann, andere zu erreichen und seinen Ein
zu nutzen. Der Mann aus Stevenage bei London setzt sich für den Tierschutz ein, war 2020 ein Gesicht der Black-Lives-Matter-Bewegung und will nun ganz konkret helfen, soziale Ungerechtigkeiten in seiner Heimat zu beseitigen.
Durchhalten
Nun herrscht wohl grundsätzlich kein Mangel an gut gemeinten Empfehlungen, die Schwierigkeit besteht in der Umsetzung, das ist auch Hamilton klar. „Ich weiß, dass es viele Kommissionen gibt, die vielleicht nicht die nötige Unterstützung haben und nicht durchhalten“, sagt er, „aber diese hier hat ja mich.“
Er sehe es als seinen Auftrag. Schließlich müsse es einen Grund geben, „warum ich nicht bloß der einzige Schwarze bin, sondern auch derjenige, der ganz vorn steht“. Warum also das Sechseck dann doch hervorragend in die Formel 1 gepasst hat. (sid, red)