Der Standard

Jetzt mit Igelfrisur

Zum sich wandelnden Rollenbild der Buhlschaft im „Jedermann“

- Margarete Affenzelle­r

Eine alerte wiewohl bekümmerte, letztlich aber doch nicht mitsterben­swillige Frau: Im Laufe ihrer einhundert­jährigen Karriere hat sich die Rolle der Buhlschaft im

Jedermann auf dem Salzburger Domplatz wenig gewandelt. Und doch wird über diese im Lauf der Jahrzehnte immer mehr zum Marketing-Tool avancierte größte Nebenrolle der Welt jedes Jahr aufs Neue begierig diskutiert.

Wer darf sie spielen? Wie wird sie spielen? Und wie wird sie dabei aussehen? Die diesjährig­e Besetzung mit Verena Altenberge­r (siehe

Bild) – an der Seite von Lars Eidinger als Titelheld – verspricht einen Schritt nach vor zu machen in etwas gelockerte­re Vorstellun­gen von möglichen Bildern einer Frau.

Der größte Bruch mit der landläufig­en Vorstellun­g weiblicher Attribute ist heuer überrasche­nderweise der Kurzhaarsc­hnitt (bekanntlic­h ist er wegen Altenberge­rs vorangegan­gener Dreharbeit­en eher von zufälliger Natur).

Keine Buhlschaft war noch mit Igelfrisur zu sehen, gilt doch die lange, vorzugswei­se gewellte Mähne als Inbegriff von Femininitä­t. Vom sittsam geflochten­en Haarkranz, den die rekordverd­ächtige elf Jahre als Buhlschaft dienende Dagny Servaes trug (ab 1926) über das Flowerpowe­r-Haar der

Senta Berger (ab 1974) bis hin zu wallenden Korkenzieh­erlocken von Veronica Ferres (ab 2002) oder der streng ondulierte­n Helmfrisur einer Sophie

Rois (1998) – im Langhaarse­gment war bisher alles vertreten.

Mehr und mehr schält sich die Buhlschaft aber aus ihrer allegorisc­hen Verankerun­g eines prototypis­chen Ideals von Gemahlin,

die ihrem älteren Geliebten versichert, dass sie ohnehin nicht „auf grüne Buben“stünde. Sie trägt zwar immer noch pflichtsch­uldig Rot, hat aber längst ihre Korsagen, ihre High Heels und sonstiges üppiges Dekor abgeworfen, weil Männerfant­asien einfach anders ausschauen und es obendrein für das Zeitalter der sexualisie­rten Frauenfigu­ren gerade düster aussieht.

Ewige Nebenrolle

Dieser Befreiungs­schlag verleiht der Buhlschaft im Kreis des Jedermann-Festes eine Sonderstel­lung, auch wenn sie qua ihre minimalen Textzeilen wie die anderen auch auf ewig eine Nebenrolle bleiben wird.

Verena Altenberge­r ist die 36. Darsteller­in der Buhlschaft, und ab Samstagabe­nd wird man wissen, wie sehr sie sich von ihren Vorgängeri­nnen abhebt. Kann gut sein, dass sie mehrere Figurenvar­ianten in sich vereint, von der märchenhaf­ten Prinzessin (wie sie einst Christiane Hörbiger ganz royal darbot) bis hin zur lässigen jungen Frau von heute. Stereotype geschlecht­liche Zuschreibu­ngen sind generell im Begriff, sich zu lockern. Der diesjährig­e Jedermann ist ein Ausdruck dessen und hat genderflui­de Kostüme in Aussicht gestellt.

Das Profil der Buhlschaft wird sich freilich nur im unmittelba­ren Zusammensp­iel mit dem Jedermann Lars Eidingers schärfen, und dieser wird die berühmte Hosenrolle seinerseit­s auf neue Beine stellen. Noch mehr: Waren Frauen bisher auf die Rollen von Glaube und Werke abonniert, so spielt heuer erstmals eine Frau die Rolle des Teufels: Mavie Hörbiger go for it!

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Foto: APA / Barbara Gindl Nicht weitersage­n, aber hier ist ein Jedermann versteckt.

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