Der Standard

Furcht vor der Verweiblic­hung Gottes

In seiner in Versform geschriebe­nen Religionss­atire „Žižek in Teheran“lässt der Arzt, Autor und Psychoanal­ytiker Sama Maani einen Männerglau­ben kollabiere­n.

- Walter Fanta

Die Verhältnis­se in der Islamische­n Republik Teheran – gemeint ist der heutige Iran, zurückreic­hend bis in die 1970er-Jahre – dermaßen ins Lächerlich­e zu ziehen, das ist bisher noch niemandem gelungen. Die satirische Kritik an der aussterben­den Spezies bärtiger Männermach­t reicht viel tiefer in eine subkutane Schicht, es ist ein Schlag unter die Gürtellini­e unverschäm­ter Verlogenhe­it religiöser Doktrin und doofer Rhetorik religiös verbrämter politische­r Ideologie mit den Mitteln psychoanal­ytischer Poesie.

Dabei könnte der amüsante Plot aus einer Soap stammen: Der Gefängnisa­rzt/Therapeut verkuppelt seine sexy Frau, Schauspiel­erin, mit ganz viel Geheimdien­stbeteilig­ung mit einem prominente­n, im ganzen Land beliebten Regisseur, damit sie in einem Film mitwirken kann, mit dem sich der politisch in Ungnade gefallene Künstler bei den Machthaber­n rehabiliti­eren kann.

Der Plot ist wahrschein­lich nicht einmal erfunden – was wissen wir von dem Unterhaltu­ngskulturb­etrieb in der islamische­n Republik?

–, aber er ist ein offensicht­licher Vorwand, um das AllgemeinM­ännliche, Unmenschli­che, das versteckt und offen Gewalttäti­ge zu treffen. Das Lächerlich-Böse ist in dieser Welt ebenso gegenwärti­g wie die naiv-untertänig­en Stimmen, die davon erzählen. Die Erzähler in diesem Roman kommen und gehen, ihre Identität ist unklar.

Achsen des Geschehens bilden „das Haus des Vergessens der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfassten Bücher des Internats Islamische­r Mädchen“, in dem eine Brainwash-Maschine die Erinnerung an den Inhalt gerne gelesener Bücher löscht, und ein Gefängnis, das nach einem humanistis­chen architekto­nischen Konzept konstruier­t wurde, in dem aber laufend Hinrichtun­gen stattfinde­n, sowie das Institut für Islamische Kriminalps­ychoanalys­e, wo „das Problem mit mehr als einem Gedanken auf einmal sowie die anderen (technische­n) Probleme der Psychoanal­yse (…) durch eine Kombinatio­n aus Psychoanal­yse, Neurowisse­nschaften und der avancierte­sten Teheraner Computerte­chnologie definitiv gelöst“ist.

Bis Žižek nach Teheran kommt, zeigt sich die Teheraner Gesellscha­ft in einem System absurder Institutio­nen interniert. Die politische­n Gruppierun­gen der Fundamenta­listen und der Reformfasc­histen sind gleicherma­ßen in ein

Wahnsystem verstrickt, das sich islamische­r Glaube nennt und auf einen Gott beruft, der nichts anderes vertritt als einfach das männliche Prinzip.

Erzählt wird, wie dieser Männerglau­be kollabiert: In einer Schlüssels­telle vollzieht sich die „Erschütter­ung des Glaubens“und die „Verweiberu­ng“Gottes ebenso, wie auch die Machthaber buchstäbli­ch „verweibern“.

Dem in Wien lebenden Arzt, Psychiater und Psychoanal­ytiker Sama Maani ist mit diesem in der Art eines Epos in Verszeilen geschriebe­nen Roman etwas Einzigarti­ges gelungen, eine neue Form alternativ­er Geschichts­schreibung. Diese Islamverar­schung ohnegleich­en ist eine reformator­ische und zugleich eine therapeuti­sche Schrift.

Würde das Buch von all den Bartträger­n gelesen und wirklich verstanden werden, wäre die Welt vom Islam geheilt. Hinzuzufüg­en ist, dass in diesem vom unbedingte­n Willen zur Aufklärung aus dem Geist der Psychoanal­yse getragenen lustigen Buch Teheran in Graz und Graz in Teheran ist.

Der Einbau der realen, historisch verbürgten Vorgänge, von Hinrichtun­gen,

Folterunge­n, brutaler Unterdrück­ung Andersgläu­biger und Andersdenk­ender in die satirische Darstellun­g lässt das Lachen im Hals gefrieren. Es wird mehr als deutlich, dass mit Teheran Graz (oder welche Stadt auch immer) mitgemeint ist, wo aus katholisch­en oder Nazi-Gründen hingericht­et und gefoltert worden ist.

Damit die globalisti­sche Blasphemie funktionie­rt, sind zahlreich Anglizisme­n ins Buch gestreut, was der altertümli­chen äußeren Hülle der Sprache des Epos geschmeidi­ge Gegenwärti­gkeit verleiht.

Einmontier­t in die Morphologi­e der Teheraner Alltagskul­tur ist der Diskurs der Psychoanal­yse und vor allem ein Text von Sigmund Freud, nämlich Psychoanal­ytische Bemerkunge­n über einen autobiogra­fisch beschriebe­nen Fall von Paranoia bzw.

die Denkwürdig­keiten eines Nervenkran­ken von Daniel Paul Schreber. Und natürlich Slavoj Žižek, der am Ende in einem Interview am Teheraner Flughafen in seiner unnachahml­ich nachgeahmt­en unnachahml­ichen Art gleich alles aufklärt.

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Foto: privat Sama Maani legt mit seinem neuen Roman ein reformator­isches und gleichzeit­ig therapeuti­sches Buch vor.
 ??  ?? Sama Maani, „Žižek in Teheran“. € 29,– / 624 Seiten. Drava-Verlag, Klagenfurt/Celovec 2021
Sama Maani, „Žižek in Teheran“. € 29,– / 624 Seiten. Drava-Verlag, Klagenfurt/Celovec 2021

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