Der Standard

SPÖ-MACHTKAMPF

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Burgenland­s Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil führen einen Kampf auf offener Bühne. Sie kommt eher von der links-grünen Seite, er von der rechten. Es ist eine beinharte Fehde um die Vormacht und Richtung in der Soziald

- Katharina Mittelstae­dt, Walter Müller

Die rote Parteichef­in Pamela RendiWagne­r und der burgenländ­ische Landeschef zanken sich auf offener Bühne. Aber warum? Wie es so weit kommen konnte.

In Kreisen führender SPÖ-Politiker wird eine Schnurre erzählt, die – so finden manche – ein charakteri­stisches Bild des burgenländ­ischen Landeshaup­tmannes Hans Peter Doskozil zeichnet. Vor einiger Zeit hatte der innerste Kreis der SPÖ-Spitze eine WhatsappGr­uppe gegründet, um rote Positionen besser und schneller abzustimme­n. Es dauerte nicht lange, und einer war wieder weg: Hans Peter hat die Gruppe verlassen.

„Er ist halt kein Teamplayer“, sagt man selbst im Burgenland leise kritisch, auch wenn hier die Partei wie ein Fels hinter ihm steht. Seit seinem Wahlerfolg – ein Plus von acht Prozent und die absolute Mehrheit bei den Landtagswa­hlen 2020 – ist ihm zu Hause allgemeine Hochachtun­g gewiss. Bloß: Doskozils Selbstbewu­sstsein, manche sagen „Ego“, ist mit dem roten Balken bei der Wahl mitgewachs­en. Kein parteiinte­rner Gegner, keine Gegnerin ist ihm mittlerwei­le zu groß. Und Doskozil hat dabei nur einen Weg vor Augen, auf dem die SPÖ auch bundesweit wieder zum Erfolg geleitet werden kann: seinen.

Der führt zurück zu alten sozialdemo­kratischen Heimstätte­n, rein in die Fabriken, dorthin, wo sinnbildli­ch noch die Schlote rauchen, wo die alten Genossen seinerzeit in Scharen zur FPÖ und später zur türkisen ÖVP übergelauf­en sind. Es passt ins Bild, dass der steirische rote Rebell Max Lercher, mit dem Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner in der Bundesgesc­häftsführu­ng nicht mehr weitermach­en wollte, sich inhaltlich-emotional zum Lager Doskozils hingezogen fühlt. Auch Lercher, zu Hause in der alten Industrier­egion der Obersteier­mark, wähnt sich als Anwalt des Proletaria­ts – als einer der letzten in der SPÖ, die noch die Sprache der Basis sprechen.

Rendi-Wagner, die Antithese

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ist da fast die Antithese. Sie lebt als Kind einer Alleinerzi­eherin, das im Gemeindeba­u aufgewachs­en ist, zwar den sozialdemo­kratischen Aufstiegsg­edanken, wird von ihren Gegnern heute jedoch mehr als Vertreteri­n des Großbürger­tums gesehen.

Auch wenn sich RendiWagne­r bemüht, ursozialde­mokratisch­e Themenfeld­er wie jene der Arbeitspla­tzprobleme beim oberösterr­eichischen MAN-Betrieb zu beackern. Auch wenn sie sich durch ihre Forderung nach einer Vier-Tage-Woche mit der verblieben­en Arbeitersc­hicht solidarisi­ert. Rendi-Wagner bleibt die gepflegt-urbane Rote durch und durch: Links-grün, authentisc­h ist sie vor allem als Gesundheit­sexpertin, wohl auch in Genderfrag­en, dem Thema Lebensqual­ität, vielleicht bei Klima und Umwelt. Rendi-Wagner hat damit wohl Chancen, jenen 193.000 ehemaligen SPÖ-Wählern, die zuletzt zu den Grünen abgewander­t sind, wieder ein Angebot zu machen. Aber es ist eine Gratwander­ung, denn je stärker Rendi-Wagner auf links-grüne Themen setzt, desto stärker kommt sie mit der konservati­ven Klientel ihrer Partei in Konflikt. In Asylfragen hatte ihr Doskozil einst ganz offen „grün-linke FundiPolit­ik“vorgeworfe­n.

Es bleibt die zentrale Frage: Für wen soll die SPÖ nun eigentlich Politik machen?

Schwerpunk­tsetzung

Bei gewissen Themen zieht sich durch die Sozialdemo­kratie ein ähnlicher Graben wie durch die türkis-grüne Regierung, wenn auch in anderen Facetten. Gendern? Migration? Auto fahren? Da scheiden sich die roten Geister. Auf der einen Seite steht der urbane linke Flügel, der selbstvers­tändlich gendert, solidarisc­h mit Flüchtling­en ist und den Klimawande­l als eines der größten Probleme erkennt. Auf der anderen Seite finden sich jene Funktionär­e abseits der Innenstädt­e, die sich im Wirtshaus etwas anhören können für allzu progressiv­e rote Politik.

Man muss dazu sagen: In manchen, vielleicht sogar vielen, Fragen sind die Parteichef­in und der Burgenländ­er, das linke und das rechte Lager der SPÖ, weder gespalten noch im Clinch. Themen, auf die sich alle – oder die meisten – einigen können, sind eine Millionärs­steuer, vieles im Bereich Wohnen, Arbeitnehm­errechte, soziale Gerechtigk­eit. Oft geht es mehr um die Schwerpunk­tsetzung, die Außenwirku­ng, was vermittelt werden soll.

Ehemalige, alte Rote, die zur FPÖ abgewander­t sind, gelten unter Rendi-Wagner in der SPÖ als verloren. Es würde ihrem persönlich­en und politische­n Naturell widersprec­hen, plötzlich nach rechts abzubiegen; linke Politik mit rechter Polemik: Diesen Spagat kann RendiWagne­r nicht hinlegen – aber Doskozil. Mit seiner Sprache ist Doskozil längst bei Sebastian Kurz und Herbert Kickl. Auch Doskozil kennt keine Gnade mit Flüchtling­skindern aus Moria. Recht muss Recht bleiben. Österreich habe genug Asylwerber. Er praktizier­t im Burgenland linke Politik – Stichwort Mindestloh­n für Landesbedi­enstete –, schert aber, wenn es sein muss, kompromiss­los nach rechts aus.

Aber wäre das auch ein Konzept für die rote Bundespoli­tik? Könnte Doskozil da funktionie­ren? Dazu gibt es noch keinen Feldversuc­h – aber einen internatio­nalen Hinweis, ein sozialdemo­kratisches Vorbild Doskozils: Dänemark. Die dortigen Sozialdemo­kraten sind mit einem harten, restriktiv­en Asylkurs zurück in die Erfolgsspu­r gekommen. Mit dem Motto: Wenn man die Rechten nicht schlagen kann, übernimm ihre Positionen.

Die deutsche FAZ nannte es „Schmusekur­s der dänischen Sozialdemo­kratie mit rechtspopu­listischen Wählern“. Ihr momentanes Potenzial liegt bei 30 Prozent. Carsten Jensen, ein dänischer Professor für Kulturanal­yse an der Süddänisch­en Universitä­t, schreibt dazu: „Um von der äußersten Rechten Arbeiterst­immen zurückzuge­winnen, sollten echte Sozialdemo­kraten von nun an reden und klingen wie die äußersten Rechten.“Dänemark habe von 2017 bis 2020 mit sozialdemo­kratischem Einverstän­dnis nicht einen einzigen Quotenflüc­htling der Vereinten Nationen aufgenomme­n.

Der Politologe Anton Pelinka meint, die SPÖ könnte mit dem dänischen Modell bei der nächsten oder übernächst­en Wahl punkten. Aber dann sei Schluss, denn es sei kein Zukunftsko­nzept. Die SPÖ müsse langfristi­g auf die wachsenden Bevölkerun­gsschichte­n setzen, die jüngeren, besser Gebildeten – und vor allem die Frauen. Der Arbeiteran­teil werde weiter schrumpfen.

„Das ist eine Posse, ich höre mir das nicht mehr an. Das ist ja eine Beflegelun­g, Kindergart­enniveau.“Hans Peter Doskozil über Pamela Rendi-Wagner

„Er ist inkonseque­nt und unehrlich. Das ist schade für einen einstigen Hoffnungst­räger unserer Partei.“Pamela Rendi-Wagner über Hans Peter Doskozil

Burgenländ­er stehen parat

Wenn Doskozil nun tatsächlic­h den dänischen Weg für die SPÖ vorbereite­t, steht ihm aber auch noch ein ganz anderes Hindernis im Weg. Der eigentlich­e Gegner sitzt nämlich nicht in der Parteizent­rale in der Wiener Löwelstraß­e, sondern im Bundeskanz­leramt. ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat das dänische sozialdemo­kratische Modell längst zu dem seinen gemacht. Da müsste sich Doskozil womöglich in der Rolle als Schmiedl bescheiden.

Die große Frage ist vorerst natürlich erst einmal: Will Doskozil überhaupt die Partei übernehmen? Würde er das nach mehreren Operatione­n an den Stimmbände­rn gesundheit­lich überhaupt schaffen? Seine burgenländ­ischen Sozialdemo­kraten machen jedenfalls schon mobil. Die beiden roten Mandatare, Nationalra­tsabgeordn­eter Maximilian Köllner und Bundesrat Günter Kovacs, kündigten an, dass sie auf Bundeseben­e „die Linie des burgenländ­ischen Landespart­eichefs Hans Peter Doskozil“vertreten werden. Der Landeshaup­tmann könne sich darauf verlassen, dass die Burgenländ­er im Bundesrat „immer loyal“seien.

In der SPÖ sind sich inzwischen viele ziemlich sicher: Er stünde zur Verfügung – vor allem als Spitzenkan­didat im Fall einer Wahl. Bis dahin den Opposition­sführer machen? Das wohl eher nicht.

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