Heftiger Streit
Die Opposition lieferte sich bei der Sondersitzung des Nationalrats heftige Wortgefechte mit der ÖVP und warf Finanzminister Gernot Blümel Vertuschung vor. Die ÖVP reagierte mit Häme und Angriffen auf den U-Ausschuss.
Die Sondersitzung des Nationalrats zur Aktenlieferung brachte Finanzminister Blümel einen Misstrauensantrag ein.
Vor seiner Sommerpause hat das Parlament noch einmal ein ordentliches Gewitter erlebt. SPÖ und FPÖ hatten für Montag eine Sondersitzung des Nationalrats beantragt, deren Thema war die exekutierte Aktenlieferung des Finanzministeriums an den U-Ausschuss. Unter dem Titel „Selbstverschuldete Amtsunfähigkeit“wurde eine dringliche Anfrage an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) eingebracht, der sich heftige Vorwürfe anhören musste. „Sie haben die Akten nicht geliefert“, zieh ihn Kai Jan Krainer, roter Fraktionsführer im UAusschuss, der Falschaussage.
Blümel habe seine Mitarbeiter angewiesen, die Akten „im Keller zu verstecken“, statt sie gemäß verfassungsrichterlichem Erkenntnis zu liefern, behauptete Krainer. Tatsächlich hatte eine Beamtin ausgesagt, die gesuchten Akten seien schon lange ausgedruckt im Keller des Ministeriums gelagert gewesen, als Bundespräsident Van der Bellen im Mai mit der Exekution der Aktenlieferung gedroht hatte. Dann lieferte Blümel prompt: Er habe dem U-Ausschuss die „Akten vor die Tür geschmissen“, wie Krainer es nennt.
Indizien für fehlende Akten
Doch auch diese Lieferung soll ja nicht vollständig gewesen sein, wie die Opposition bekrittelte. Deshalb kam es erstmals zur Exekution eines höchstrichterlichen Erkenntnisses gegen einen Minister: Das Straflandesgericht Wien besorgte dem U-Ausschuss die Akten aus dem Finanzministerium.
Laut der Opposition zeigten erste Stichproben, dass die richterliche Exekution deutlich mehr Akten brachte als die durch das Finanzministerium durchgeführte Lieferung. Krainer sprach von „tausenden Akten, die geheim gehalten wurden“. Allerdings wollten weder Bundespräsident
Alexander Van der Bellen noch das Straflandesgericht beurteilen, ob die Exekution neue Akten gebracht hatte.
Es liegt also an der Opposition, das zu beweisen – durch die lange Verzögerung rund um das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und die Exekution gibt es jedoch keine einzige U-Ausschuss-Sitzung mehr, in der Akten vorgelegt werden dürfen.
Reformen und Beleidigung
Mit der Materie vertraute Oppositionspolitiker und Mitarbeiter behaupten, dass zu fast jedem durch den U-Ausschuss untersuchten Gegenstand erst durch die Exekution neue Akten aufgetaucht sind. Dringen diese nach außen, könnte es für die ÖVP unangenehm werden. Die Rede ist von peinlichen Nachrichten – etwa Beleidigungen von ÖVP-Politikern und deren Lebensgefährtinnen – bis hin zu geheimen Privatisierungsplänen und Konzepten für eine Pensionsreform und ein neues Stiftungsrecht.
Die ÖVP wischte die Vorwürfe vom Tisch. Klubobmann August Wöginger fand es unpassend, dass rund um die Flutkatastrophe eine solche Sondersitzung stattfinde. Der türkise U-Ausschuss-Fraktionsführer Andreas Hanger sprach von einer „Märchenstunde“. Die Grünen zeigten sich in einem Dilemma: Zwar stimmten sie aus Koalitionsräson gegen eine Fortsetzung des UAusschusses, Fraktionsführerin Nina Tomaselli freute sich jedoch auf einen neuen U-Ausschuss – und bedankte sich explizit bei Krainer und Stephanie Krisper.
Die Neos-Politikerin meinte, die ÖVP wolle Bürger „apathisch“gegenüber Missständen machen. Und äußerte eine Bitte an Blümel: „Können Sie aufhören, in Ihr Handy zu schauen?“