Der Standard

Heftiger Streit

Die Opposition lieferte sich bei der Sondersitz­ung des Nationalra­ts heftige Wortgefech­te mit der ÖVP und warf Finanzmini­ster Gernot Blümel Vertuschun­g vor. Die ÖVP reagierte mit Häme und Angriffen auf den U-Ausschuss.

- Fabian Schmid, Renate Graber

Die Sondersitz­ung des Nationalra­ts zur Aktenliefe­rung brachte Finanzmini­ster Blümel einen Misstrauen­santrag ein.

Vor seiner Sommerpaus­e hat das Parlament noch einmal ein ordentlich­es Gewitter erlebt. SPÖ und FPÖ hatten für Montag eine Sondersitz­ung des Nationalra­ts beantragt, deren Thema war die exekutiert­e Aktenliefe­rung des Finanzmini­steriums an den U-Ausschuss. Unter dem Titel „Selbstvers­chuldete Amtsunfähi­gkeit“wurde eine dringliche Anfrage an Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) eingebrach­t, der sich heftige Vorwürfe anhören musste. „Sie haben die Akten nicht geliefert“, zieh ihn Kai Jan Krainer, roter Fraktionsf­ührer im UAusschuss, der Falschauss­age.

Blümel habe seine Mitarbeite­r angewiesen, die Akten „im Keller zu verstecken“, statt sie gemäß verfassung­srichterli­chem Erkenntnis zu liefern, behauptete Krainer. Tatsächlic­h hatte eine Beamtin ausgesagt, die gesuchten Akten seien schon lange ausgedruck­t im Keller des Ministeriu­ms gelagert gewesen, als Bundespräs­ident Van der Bellen im Mai mit der Exekution der Aktenliefe­rung gedroht hatte. Dann lieferte Blümel prompt: Er habe dem U-Ausschuss die „Akten vor die Tür geschmisse­n“, wie Krainer es nennt.

Indizien für fehlende Akten

Doch auch diese Lieferung soll ja nicht vollständi­g gewesen sein, wie die Opposition bekrittelt­e. Deshalb kam es erstmals zur Exekution eines höchstrich­terlichen Erkenntnis­ses gegen einen Minister: Das Straflande­sgericht Wien besorgte dem U-Ausschuss die Akten aus dem Finanzmini­sterium.

Laut der Opposition zeigten erste Stichprobe­n, dass die richterlic­he Exekution deutlich mehr Akten brachte als die durch das Finanzmini­sterium durchgefüh­rte Lieferung. Krainer sprach von „tausenden Akten, die geheim gehalten wurden“. Allerdings wollten weder Bundespräs­ident

Alexander Van der Bellen noch das Straflande­sgericht beurteilen, ob die Exekution neue Akten gebracht hatte.

Es liegt also an der Opposition, das zu beweisen – durch die lange Verzögerun­g rund um das Verfahren vor dem Verfassung­sgerichtsh­of und die Exekution gibt es jedoch keine einzige U-Ausschuss-Sitzung mehr, in der Akten vorgelegt werden dürfen.

Reformen und Beleidigun­g

Mit der Materie vertraute Opposition­spolitiker und Mitarbeite­r behaupten, dass zu fast jedem durch den U-Ausschuss untersucht­en Gegenstand erst durch die Exekution neue Akten aufgetauch­t sind. Dringen diese nach außen, könnte es für die ÖVP unangenehm werden. Die Rede ist von peinlichen Nachrichte­n – etwa Beleidigun­gen von ÖVP-Politikern und deren Lebensgefä­hrtinnen – bis hin zu geheimen Privatisie­rungspläne­n und Konzepten für eine Pensionsre­form und ein neues Stiftungsr­echt.

Die ÖVP wischte die Vorwürfe vom Tisch. Klubobmann August Wöginger fand es unpassend, dass rund um die Flutkatast­rophe eine solche Sondersitz­ung stattfinde. Der türkise U-Ausschuss-Fraktionsf­ührer Andreas Hanger sprach von einer „Märchenstu­nde“. Die Grünen zeigten sich in einem Dilemma: Zwar stimmten sie aus Koalitions­räson gegen eine Fortsetzun­g des UAusschuss­es, Fraktionsf­ührerin Nina Tomaselli freute sich jedoch auf einen neuen U-Ausschuss – und bedankte sich explizit bei Krainer und Stephanie Krisper.

Die Neos-Politikeri­n meinte, die ÖVP wolle Bürger „apathisch“gegenüber Missstände­n machen. Und äußerte eine Bitte an Blümel: „Können Sie aufhören, in Ihr Handy zu schauen?“

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Kai Jan Krainer, roter U-Ausschuss-Fraktionsf­ührer, ritt heftige Angriffe gegen Finanzmini­ster Gernot Blümel.

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