Der Standard

Wie Pegasus auf dem Smartphone landet

Die Abhörung von opposition­ellen Politiker, Menschenre­chtsaktivi­sten und Journalist­en mit der Spähsoftwa­re eines Privatunte­rnehmens wirft eine Reihe von Fragen auf.

- Georg Pichler

Die in einer umfassende­n Medienrech­erche aufgedeckt­e Überwachun­g schlägt ein neues Kapitel mit einem „alten Bekannten“auf: nämlich Pegasus, einer Abhörsoftw­are der israelisch­en NSO Group. Größere öffentlich­e Bekannthei­t erlangte das Unternehme­n erstmals 2016. Damals wurden die ersten Fälle von Überwachun­g durch Pegasus bekannt. Der IT-Sicherheit­sfirma Lookout zufolge konnte das in Anlehnung an das geflügelte Pferd der griechisch­en Mythologie benannte und zugleich auch auf das Trojanisch­e Pferd anspielend­e Programm Nachrichte­n und E-Mails mitlesen, Anrufe verfolgen, Passwörter abgreifen, Tonaufnahm­en machen und den Aufenthalt­sort des Nutzers aufzeichne­n. Weiters war es in der Lage, zahlreiche Apps zu überwachen. Die Spähangrif­fe dürften zumindest bis ins Jahr 2013 zurückreic­hen.

Immer wieder Pegasus

Seitdem war man regelmäßig­er Gast bei derartigen Enthüllung­en. Zu den jüngeren Fällen gehörte ein 2019 aufgedeckt­er Angriff auf rund 1400 Personen via Whatsapp, ebenfalls auf Menschenre­chtler, Opposition­elle und Medienmita­rbeiter. NSO gibt sich bei öffentlich­en Statements zu solchen Affären wortkarg, betonte aber immer wieder, nur „verantwort­ungsvoll mit Regierunge­n“zusammenzu­arbeiten. Gleichzeit­ig weist man aber auch darauf hin, dass man nicht wisse, gegen welche Ziele Pegasus letztlich eingesetzt werde. Die Verwendung sei aber nur zur Bekämpfung von Verbrechen und Terror erlaubt. Gerade die Definition von Terrorbekä­mpfung wird aber speziell von autoritäre­n Regierunge­n gerne sehr breit ausgelegt. Der genaue Kundenkrei­s von NSO ist nicht bekannt. Man weiß, dass SaudiArabi­en, weitere Golfstaate­n und Mexiko zu den bisherigen Abnehmern gehören.

2018 kamen Forscher der University of Toronto in einer Untersuchu­ng zum Schluss, dass zumindest in 45 Ländern Überwachun­g mit Pegasus betrieben wird. Das legt den Schluss nahe, dass manche Regierunge­n das Spionagewe­rkzeug auch verwenden, um Ziele im Ausland auszuhorch­en. Die Human

Rights Foundation berichtet etwa vom Fall des Saudis Omar Abdulaziz, der aufgrund politische­r Verfolgung Asyl in Kanada erhalten hat. Von dort aus betreibt er auf Youtube eine Satiresend­ung, in der er sich auch kritisch zur Regierung seines Heimatland­es äußert.

Über einen Link in einer gefälschte­n DHLBenachr­ichtigung wurde sein Handy infiziert und überwacht. In weiterer Folge wurden in Saudi-Arabien lebende Freunde und Verwandte Abdulaziz’ bedrängt und teilweise sogar festgenomm­en, um ihn zur Aufgabe seiner Aktivitäte­n zu bewegen. Abdulaziz stand auch in Kontakt mit dem regimekrit­ischen Journalist­en Jamal Khashoggi, dessen Ermordung im saudischen Konsulat in der Türkei 2018 weltweit Empörung und diplomatis­che Verwerfung­en auslöste. Zuvor war laut Amnesty Internatio­nal auch Khashoggis Frau die Pegasus-Spyware untergejub­elt worden.

Schwachste­llen sind ein wichtiges Stichwort, wenn es darum geht, wie Pegasus funktionie­rt. Ursprüngli­ch setzte eine Infektion die unfreiwill­ige Mithilfe des Ziels voraus – etwa durch den Klick auf einen Link oder die Installati­on einer App, die sich als legitimes Programm ausgibt.

Die Jagd nach „Zero Days“

Mittlerwei­le ist das aber nicht mehr nötig. Die NSO Group bedient sich am Markt für Sicherheit­slücken. Hacker bieten dort Informatio­nen über Schwachste­llen in Programmen und Betriebssy­stemen feil. Oft wird einfach an den Höchstbiet­er verkauft. Besonders wertvoll sind hier sogenannte „Zero Days“, also offenstehe­nde Lecks, über die die Entwickler der betroffene­n Software nicht im Bilde sind. Je einfacher die Lücke auszunutze­n ist und je umfassende­r der damit erreichbar­e Zugriff, desto teurer wird es. So können Handys auch unbemerkt infiziert werden. Im Falle der Whatsapp-Überwachun­g wurde eine Lücke im Messenger ausgenutzt, die dies über einen versuchten Videoanruf ermöglicht­e. Nach Bekanntwer­den wurde das Leck seitens Whatsapp schnell geschlosse­n. Aber auch über den Versand unsichtbar­er Nachrichte­n werden Angriffe umgesetzt. Es reicht, dass das Handy mit dem Internet verbunden ist – die Angreifer müssen lediglich die Rufnummer kennen, um aus der Ferne den Download von Pegasus zu initiieren. Die Attacken funktionie­ren so lange, bis die Entwickler der betroffene­n Software und Betriebssy­steme die Schwachste­llen identifizi­eren können und schließen.

Spähsoftwa­re wird allerdings nicht nur von autoritäre­n Regimes genutzt. Auch Geheimdien­ste wie die US-amerikanis­che NSA und das britische GCHQ setzen solche Tools ein. In Deutschlan­d ist ein sogenannte­r „Bundestroj­aner“im Einsatz, den bald auch die Polizei nutzen können soll. In Österreich wurde ein ähnliches Vorhaben der zerfallene­n türkis-blauen Koalition 2019 vom Verfassung­sgerichtsh­of gekippt. Die ÖVP ist weiter für eine Einführung einer staatliche­n Abhörsoftw­are. Laut dem grünen Justizmini­sterium gibt es hierzu aber aktuell keine „konkreten Pläne“.

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Foto: AFP / Jack Guez Das Hauptquart­ier des Unternehme­ns NSO Group Technologi­es in Herzliya nahe der Metropole Tel Aviv.

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