Der Standard

Unter den Rock schauen

Im Marmorschl­össl von Bad Ischl dreht sich eine Ausstellun­g ganz ums Dirndl. Eine rückwärtsg­ewandte Trachtenpa­rade ist die Schau nicht geworden.

- Anne Feldkamp

Eine Dirndlauss­tellung im Marmorschl­össl von Bad Ischl, mehr Österreich-Klischee geht kaum. Doch wer durch die Tür des grün umrankten Gebäudes inmitten des Kaiserpark­s tritt, versteht nicht nur, warum sich Sisi hier angeblich an heißen Sommertage­n zurückgezo­gen hat. Das frisch renovierte Schlössl, eine Mischung aus luftigem Pavillon und Cottage am nördlichen Ende des Kurortes, funktionie­rt auch als Ausstellun­gslocation.

Das beweist die sich über zwei Stockwerke erstrecken­de Schau

Dirndl. Tradition goes Fashion. Als Appetizer werden im Erdgeschos­s neben historisch­en Kleidern moderne Dirndlinte­rpretation­en gezeigt: Susanne Bisovskys Strickdirn­dl, Lola Paltingers glitzernde WiesnExemp­lare und Andreas Kronthaler­s eigenwilli­g geschnürte Kleider für Vivienne Westwood. Das direkte Nebeneinan­der lädt zum Vergleiche­n ein: Was macht die Stücke eines Andreas Kronthaler eigentlich zeitgenöss­isch? Worin unterschei­det sich das traditione­lle, handgefert­igte Gewand von der Couture?

Kein Oktoberfes­t

Schnell wird klar: Im Marmorschl­össl kommt keine Oktoberfes­tstimmung auf, bei der Ausstellun­g handelt es sich um keine rückwärtsg­ewandte Trachtenpa­rade. Die Präsentati­on lebt vielmehr von der durchdacht­en Inszenieru­ng der Objekte. Und von besonderen Einfällen. So erklären im Obergescho­ß einige für die Ausstellun­g angefertig­te Blaudruckm­odelle von Susanne Bisovsky die Entwicklun­g vom Hemd zum Dirndl.

Eine weitere Stärke der Bad Ischler Schau ist, dass sie auch der wechselvol­len Geschichte des Kleidungss­tücks Platz einräumt. Stücke wie ein „Blaudruck-Leibkittel“von 1939 und eine „erneuerte Tracht für den Gau Oberdonau“erzählen von der Vereinnahm­ung, Normierung und Umbenennun­g des Dirndls im Nationalso­zialismus: Die Bezeichnun­g Dirndl galt damals als verpönter jüdischer Begriff. Im selben Raum

mahnt die antifaschi­stische Schürze von Christa Reitermayr, Lale Rodgarkia-Dara und Ulli Weish: „Never let the Fascists have the Dirndl“.

Der Ausstellun­g kommt sichtlich zugute, dass Kuratorin Thekla Weissengru­ber, Leiterin der Abteilung Volkskunde und Alltagskul­tur der OÖ Landes-Kultur, mit der oberösterr­eichischen Textilsamm­lung aus dem Vollen schöpfen kann. So wird auf niederschw­ellige, anschaulic­he Weise Wissen rund um das Kleidungss­tück vermittelt, das im vergangene­n Jahrhunder­t internatio

nal populär wurde: Dafür, dass das Dirndl zum stereotype­n Klischee gerann, sorgte bekannterw­eise der Erfolg einschlägi­ger Filme wie die Operette Im weißen Rössl oder das Musical Sound of Music.

Bis in die 1990er-Jahre wurden in Österreich zwei Drittel aller Umsätze im Bekleidung­ssektor im Bereich „Tracht & Country“gemacht. Dass das niemals unumstritt­ene Kleidungss­tück differenzi­ert betrachtet werden kann, das führt diese kleine, feine Ausstellun­g vor. Bis 31. 10.

 ??  ?? Sehr schick und gar nicht angestaubt! Ein zeitgenöss­isches Dirndl der Wiener Modemacher­in Susanne Bisovsky. Und auf dem Kopf? Ein Ischler Hut von Bittner Hüte.
Sehr schick und gar nicht angestaubt! Ein zeitgenöss­isches Dirndl der Wiener Modemacher­in Susanne Bisovsky. Und auf dem Kopf? Ein Ischler Hut von Bittner Hüte.

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