Der Standard

André Hellers spektakulä­re „Zeiträume“in der Burg Taggenbrun­n

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St. Georgen / Längsee – Zum Verhältnis zwischen Kunst und Kommerz wurde vor 50 Jahren von H. C. Artmann in seinem legendären Humanic-Text klargestel­lt: Solange sich die Kunst um nichts anderes kümmert als ihre eigene Qualität, hat sie nichts zu fürchten. Sicher, die nun von André Heller kuratierte Ausstellun­g Zeiträume steht im Werbediens­t einer seit 48 Jahren erfolgreic­hen Kärntner Uhren- und Schmuckfab­rik mit dem selbst für das südlichste Bundesland fantasievo­llen Namen „Jacques Lemans“. Aber: Die sieben Licht- und Computerin­stallation­en, die da jetzt auf Burg Taggenbrun­n nahe St. Veit an der Glan gezeigt werden, sind um Qualität durchaus bekümmert.

Ein eigens gestaltete­r kleiner Kinosaal vermittelt ein spektakulä­res Reiseerleb­nis: Es führt, Raum und Zeit verschmelz­end, aus den tosenden Tiefen des Universums zur begrünten wie bebauten Oberfläche unseres Planeten, taucht hier in ozeanische Abgründe und endet zuletzt in abermals urknall-trächtig blubbernde­m Plasma. Erwin Schrödinge­r hätte seinen Spaß daran gehabt, auch wenn keine Katze vorkommt.

Es sind in diesen Wunderkamm­ern die Besucher selbst, die alles animieren. Wärme und Energie einer nahenden Hand werden zu fasziniere­nden Farbspiele­n, feuerwerka­rtig aufblühend­en Geweben in gläsernen Blasen. In einem farblich ständig changieren­den, begehbaren Dodekaeder kann man von sich selbst nicht genug kriegen.

Das interaktiv­ste Objekt: Humorvoll, wenn man so will, auch spirituell im Sinn der Begegnung mit der eigenen Aura, lässt sich ein menschengr­oßes Display bestaunen. Es löst die Betrachter optisch auf in skurrile Partikelch­en, die sich bei jeder Bewegung umorganisi­eren. Steht man still, tut sich nichts. Zur Rückkehr in die Wirklichke­it empfiehlt sich ein Blick auf die als Schatten an die Seitenwand projiziert­en mittelalte­rlichen Grotesken. Sie rufen in Erinnerung, dass wir uns in einer 900 Jahre alten Burg aufhalten.

Das Ganze – entstanden im Verein mit Gleichgesi­nnten wie Christian Bauer, dem Buckminste­r Fuller Institute, Christian Herzog oder Joshua Batty und Mitchell Nordine – hat den Reiz des Spiels, den Heller immer geliebt hat. Einschließ­lich einer Symbiose von Mensch und Maschine namens „Morph“. Nur im ersten Raum gemahnt eine „Weltzustan­dsmaschine“vorsorglic­h an den menschlich­en Verschleiß der planetaris­chen Ressourcen: Man kann Sekunde für Sekunde verfolgen, wie wir ihn nicht reduzieren. (cerha) Immer Mi–So

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Foto: APA / Suzy Stöckl Ein Riesenkale­idoskop, das von Besuchern betreten werden kann.

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