Der Standard

Es stimmt alles oder nichts

- Fabian Schmid

Die einen sagen so, die anderen sagen so: Besser als der Bundespräs­ident kann man den Konflikt rund um fehlende Aktenliefe­rungen aus dem Finanzmini­sterium nicht zusammenfa­ssen. Oder anders gesagt: Es ist fraglich, ob man je zu einer befriedige­nderen Ansicht kommt, deren Wahrheitsg­ehalt die breite Mehrheit anerkennt. Der IbizaUnter­suchungsau­sschuss hat gezeigt, wie polarisier­t die politische Landschaft in Österreich mittlerwei­le ist.

Einen Löwenantei­l daran trägt die ÖVP mit ihren Fraktionso­bmännern Wolfgang Gerstl und Andreas Hanger, aber auch mit dem Nationalra­tspräsiden­ten und U-Ausschuss-Vorsitzend­en Wolfgang Sobotka. Der agierte als eigentlich unabhängig­er Vorsitzend­er so parteiisch, dass das Amt beschädigt wurde. Allein, dass er als Nationalra­tspräsiden­t türkise Angriffe gegen Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne) weitergesp­onnen hat, beweist, wie ungeeignet er für den Vorsitz war. Er bekrittelt­e, dass durch gelieferte Chats das „Briefgehei­mnis“gebrochen wurde – und kritisiert­e so die Umsetzung eines verfassung­sgerichtli­chen Erkenntnis­ses. Ein anderes höchstrich­terliches Erkenntnis hatte Gernot Blümel als Finanzmini­ster zuvor ignoriert, bis es zur Exekution – und zu dem eingangs zitierten Ausspruch von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen – kam. Aber es gibt keine „neutrale“Stelle, die nun klärt, ob Blümel Akten vorenthalt­en hat. Die SPÖ hat Indizien gefunden; doch Blümel könnte die Schuld auf Mitarbeite­r abwälzen. Ganz zu schweigen davon, dass ein Abgleich zwischen zuerst und zusätzlich gelieferte­n Akten aufwendig und fehleranfä­llig ist.

Die merkwürdig­en Chats rund um den Kika/Leiner-Kauf durch René Benkos Signa zeigen besonders eindrucksv­oll, wie Nachrichte­n aus dem U-Ausschuss-Universum zum Tintenklec­kstest werden – auch durch kräftiges Anstacheln parteiisch­er Medienplat­tformen. Sein Stellvertr­eter als Kabinettsc­hef gratuliert­e Thomas Schmid im Sommer 2018 per Whatsapp zum „Verzögern eines Insolvenza­ntrages“rund um den Deal; ein Insolvenza­ntrag soll laut Beteiligte­n jedoch nie eingebrach­t worden sein. Peter Pilz’ Zackzack.at publiziert das als Schnellsch­uss und behauptet fälschlich­erweise, sonst habe niemand recherchie­rt; Richard Schmitts Express.at kommentier­t die Vorwürfe blitzartig als „falsch und haltlos“– in völliger Ignoranz der Chats. Was übrig bleibt: Es stimmt alles oder nichts, je nach politische­r Vorliebe.

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