Krieg der Worte um einen Tunnel
Die Besetzung der Baustellen des Lobau-Projekts hält an, der Bürgermeister beharrt auf dem Vorhaben. Wie verhärtet die Fronten in dem Konflikt sind, zeigt sich schon allein daran, wie Fürsprecher und Bekämpfer darüber sprechen.
Die Klimaaktivistinnen und aktivisten in Wien-Donaustadt machen keinerlei Anzeichen, ihre Zelte abzubrechen. Seit August campieren sie an den Baustellen für das Lobau-Projekt. Vergangene Woche präsentierten sie ein Manifest gegen die geplante Nordostumfahrung S1 samt Tunnel im Nationalpark Donau-Auen. 41 Umwelt- und Klimaorganisationen unterzeichneten diese Lobauer Erklärung. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hält weiterhin an dem Bauvorhaben fest.
Mit dem Tunnel durch ökologisch hochsensibles Gebiet hindurch soll mit der Schnellstraße zwischen Schwechat und Süßenbrunn der letzte Teil des Autobahnrings um Wien geschlossen werden. 20 Jahre Vorarbeit stecken in dem Projekt, an dem auch andere Straßenvorhaben und Stadtteilentwicklungen hängen. So soll die Seestadt Aspern von der sogenannten Stadtstraße angesteuert werden. Sie wurde zehn Jahre lang von zwei grünen Verkehrsstadträtinnen (Maria Vassilakou und Birgit Hebein) mitgeplant. Ihre Partei stellt sich inzwischen allerdings vehement gegen das Vorhaben. Die Zeichen stehen auf Totalblockade. Das zeigt sich auch anhand der Begriffe, die die jeweilige Seite in diesem Streit wählt.
„Es gibt dort keine Autobahn, es ist eine zweispurige Straße in eine Richtung, wie es in der Donaustadt mehrere gibt.“
Bürgermeister Michael Ludwig im W24/„Falter“-Interview am 7. 10. 2021
„... größte, teuerste und umweltschädlichste Autobahnvorhaben Österreichs (...), ein Musterbeispiel fehlgeleiteter und schädlicher Raumentwicklung.“
Aus der Lobauer Erklärung vom 5. 10. 2021
„Es geht um ein Segment der Jugend, das schon eine Wohnung hat, Demonstranten, die die Mama mit dem Auto hinführt.“
„Die Betonpartei unterstützt damit eines der teuersten und klimaschädlichsten Straßenbauprojekte in der jüngeren Geschichte.“
Lena Schilling, Aktivistin im Protestcamp, am 27. 8. 2021 in der APA über die SPÖ
„Tunnel wäre obsolet.“
Ludwigs Koalitionspartnerin, Neos-Klubobfrau Bettina Emmerling, sieht die Notwendigkeit des Projekts nicht und sucht Alternativen. Aus dem „Kurier“, 5. 10. 2021
„Die vom SPÖ Bau spricht stets einer kleinen Straße, in Wahrheit wird eine Autobahn gebaut und Raum für 85 Fußballfelder geraubt.“
Der Grüne Kilian Stark in der Gemeinderatssitzung am 22. 9. 2021 über die Stadtstraße, die die A23 mit Aspern verbinden soll.
„Es wird keine Autobahn, sondern eine Stadtstraße gebaut. Keine Autobahn ist 50 Kilometer kurz und sieht eine 50-km/hBeschränkung vor.“
Luise Däger-Gregori, SPÖ, im Gemeinderat am 22. 9. 2021
„Crème de la Crème der Gemeindestraßen.“
Josef Taucher (SPÖ), ebenfalls am 22. 9. 2021
„Junge Menschen wissen sich nicht mehr zu helfen, streiken deshalb Schule und besetzen Autobahnen.“
„Wenn Sie die Stadtstraße für eine Schnapsidee halten, wieso haben Sie sie dann zehn Jahren unterstützt?“
Die rote Stadträtin Ulli Sima in einer Sitzung am 22. 9. 2021 in Richtung der grünen Gemeinderätin Heidemarie Sequenz
„Die Stadtstraße Aspern im 22. Bezirk ist auf Schiene.“
Aussendung der damaligen grünen Vizebürgermeisterin Vassilakou am 6. 7. 2016