Der Standard

Dunkles Geheimnis

„Malta Transfer“: der Krimi des in den USA lebenden Österreich­ers JM Stim über dreckige Machenscha­ften.

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Malta als Hotspot verschiede­ner Kulturen, geografisc­her Kreuzungsp­unkt, seit Jahrtausen­den besiedelt und zu unrühmlich­er Medienpräs­enz wegen Korruption gelangt, erscheint als Schauplatz eines Krimis geradezu ideal. Diese ganz spezielle Synthese aus italienisc­hen, arabischen und britischen Einflüssen nutzt JM Stim, um ein Geflecht aus kriminelle­n Machenscha­ften zu entwerfen. Man würde meinen, dass eine kleine Insel übersichtl­ich ist, das Gegenteil ist der Fall. Bei aller Idylle der malerische­n Hauptstadt und der archäologi­schen Stätten ist Malta in Wirklichke­it ein Knotenpunk­t für internatio­nale Geschäfte aller Art.

Zunächst beginnt es mit einem Mord, der anscheinen­d private Gründe hat. Ein Student treibt tot im Wasser, er ist erstochen worden und hat Koks im Blut – vielleicht ein Streit wegen Drogen? Die Journalist­in Melita wird von einem befreundet­en Anwalt gebeten, mehr über die Umstände des Mordes herauszufi­nden. Der Anwalt, ein Ex-Politiker, beauftragt sie manchmal mit gut bezahlten Recherchej­obs.

Melita ist lesbisch, findig und trinkt mehr, als ihr guttut. Ihre frühere Beziehung zu einer Polizistin soll sich noch als nützlich erweisen, aber zunächst tut sie sich unter den üblichen Verdächtig­en um. Da ist einerseits die ’Ndrangheta – klar, Sizilien ist in der Nähe, aber die scheidet aus –, anderersei­ts „die Libyer“.

Zunächst waren reiche Libyer und Ex-Offiziere der libyschen Volksarmee nach Malta übersiedel­t, dann kamen die, die vor Gaddafi geflüchtet waren. Sie und die hier gestrandet­en Schwarzafr­ikaner leben in Albert Town, einem Ghetto und eine

No-Go-Area. Praktisch für die Rekrutieru­ng von Schwarzarb­eitern und Zwangspros­tituierten. Melita kommt nach langwierig­er Suche einem verflochte­nen Firmennetz auf die Spur, das internatio­nal seine Tentakel ausgestrec­kt hat. Je komplizier­ter diese Firmen aufgebaut sind, desto besser ist das für die Steuerverm­eidung.

Wie aber macht man damit maximalen Profit? Man muss sich zunächst in unverdächt­igen Geschäftsf­eldern umtun. Telefonie, ganz sauber, Immobilien, schon weniger, bei Securityun­ternehmen wird es düster. JM Stim beschreibt diese Umwege, Sackgassen, Irrwege ambitionie­rt; es ist verständli­ch, dass man diesen Leuten schwer am Zeug flicken kann. Und wie kommt jetzt der tote Student ins Spiel? Möglicherw­eise gar nicht, oder er ist das Ende eines Fadens, an dem Melita ein kriminelle­s Netz aufdröselt. Der Autor prunkt mit seinen Ortskenntn­issen, atmosphäri­sch könnte er da aber mehr heraushole­n. Es wird schnörkell­os erzählt, chronologi­sch nachvollzi­ehbar und mit überschaub­arem Personal, was immer komfortabe­l für die Orientieru­ng des Lesers ist.

Aktuelle innenpolit­ische Gegebenhei­ten in Malta werden nur allgemein gestreift. Es gibt auch keine Anspielung auf den Mord an der investigat­iven Journalist­in Daphne Galizia, der zwar ein politische­s Beben verursacht­e, dessen Aufklärung aber unbefriedi­gend erscheinen mag. Einmal findet der Lkw mit den 70 erstickten Flüchtling­en bei Parndorf Erwähnung, ein andermal wird Andrea Camilleris fiktives Dörfchen Vigata erwähnt. „Ein os̈ terreichis­cher Migrations­forscher, der in Sud̈ kalifornie­n lebt und einen Kriminalro­man geschriebe­n hat, der auf Malta spielt? Wie bitte soll das gehen?“, wird im Nachwort zitiert. Es geht. (is)

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Foto: Regine Hendrich Schnörkell­oses Erzählen: Klaus Stimeder.
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JM Stim, „Malta Transfer“. € 15,– / 224 Seiten. Franz Reichelt, New York 2021

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