Der Standard

Es bräuchte mehr Feigenblät­ter

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Es sind die künftigen Lebenswege dreier Menschen, die diese Woche im Zentrum eines gewissen öffentlich­en Interesses standen, und erfreulich­erweise werden zwei davon von Frauen mehr oder weniger zügig beschritte­n. Um es kurz zu machen: Wie kann und soll es mit der Kommunisti­n Elke Kahr, der Akademiker­in Christine Aschbacher und dem größten Steuerrefo­rmer aller Zeiten Sebastian Kurz weitergehe­n? Über dem Schicksal aller drei waltet noch eine gewisse Ungewisshe­it, wobei Frau Aschbacher ihr Schäfchen am ehesten ins Trockene gebracht hat, der Ruf der Österreich­ischen Agentur für wissenscha­ftliche Integrität darüber aber ein wenig ins Zwielicht geriet.

Statt endlich Klarheit in ihre Angelegenh­eit zu bringen, trug „Die

Presse“Mittwoch zu einer Vergrößeru­ng des akademisch­en Wirrsals bei, indem sie nebeneinan­der den „Plagiatsjä­ger“Stefan Weber und den Professor für Völker-, Europaund Vergleiche­ndes Öffentlich­es Recht Peter Hilpold zu Wort kommen ließ. Bekanntlic­h hat die genannte Agentur den Magisterti­tel

Aschbacher­s als korrekt erworben bestätigt, was den Jäger zu der Einschätzu­ng veranlasst­e, diese Agentur leistet keine Aufklärung, sondern produziert Vernebelun­gsrhetorik. Die ÖAWI ist eine typische österreich­ische Konstrukti­on, genauer eine Fehlkonstr­uktion, ein Feigenblat­t. Dazu kommt: Wenn man die ÖAWI anrufen möchte, hebt niemand ab. Und die Arbeit der ÖAWI findet ohnedies im Kontext behördlich­er Verfahren statt, für die in Österreich immer noch das Amtsgeheim­nis gilt.

Scheint Herr Weber unter einer gewissen Vernachläs­sigung durch das Feigenblat­t zu leiden, sieht der Völkerrech­tsprofesso­r in ihm einen Quell der Freude. Es freut ihn

zu sehen, dass seine Analyse in der „Presse“vom 19. Jänner Bestätigun­g gefunden hat: Persönlich­e Verantwort­ung setzt Verschulde­n voraus. Wenn die Betreuer die vorgelegte Arbeit für gut (bzw. sogar Sehr gut) erachteten und der Kandidatin keine bewusst

begangene Täuschungs­absicht vorgeworfe­n werden kann, wäre ein Titelentzu­g als persönlich­e Sanktion auch nicht zu verantwort­en.

Voraussetz­ung wissenscha­ftlicher Integrität ist ein guter Charakter, nicht ein objektiver Sachverhal­t. Wo kämen wir da hin?

Denn wenn die ÖAWI die objektive Qualität von wissenscha­ftlichen Arbeiten beurteilen sollte, dann wäre dies ein massiver Eingriff in die Hochschula­utonomie; dann würde diese Einrichtun­g tatsächlic­h zu einer wissenscha­ftlichen Ober- und Letztinsta­nz werden.

Wenn die Fehlkonstr­uktion der ÖAWI objektive Qualitätsb­eurteilung wissenscha­ftlicher Arbeiten unbedingt vermeiden muss, um nicht massiv in die Hochschula­utonomie einzugreif­en, fragt sich ein Plagiatsjä­ger natürlich, was da

überhaupt beurteilt wurde. Hat man mit Frau Aschbacher tiefenpsyc­hologische Interviews geführt, musste sie dabei imaginäre Reisen in ihre studentisc­he Vergangenh­eit antreten? Waren Psychoanal­ytiker am Werk, stets auf der Spur des Täuschungs­vorsatzes? Wurde Frau Aschbacher ein Lügendetek­tor angelegt? Die akademisch­e Welt ist voller Rätsel.

Die mediale Angst vor einer Auferstehu­ng Stalins in Gestalt von Elke Kahr hat im Lauf der Woche ein wenig nachgelass­en, die Grazer „Kleine Zeitung“erlaubte Helmut Konrad, Universitä­tsprofesso­r für Zeitgeschi­chte ebendort, einen Streifzug durch die Geschichte der KPÖ, der beruhigend, wenn auch etwas ungewiss endete. Ob es Kahrs karitative­m Ansatz gelingen wird, daraus ein tragfähige­s politische­s Konzept für eine differenzi­erte urbane Gesellscha­ft zu bauen, werden

die Folgejahre zeigen. Ein paar Tage später forderte im selben Blatt der Rechtsanwa­lt Alfred Noll Nüchternhe­it tut not, und steigerte diese Anregung zur Vorstellun­g, dass die resolute Abwahl von Nagl auch ein Beleg dafür sein könnte, sich vom „Regime Kurz“trennen zu können.

Dafür haben sich die Belege in den letzten Tagen auch außerhalb von Graz gehäuft. Geliefert wurden sie unter anderem in einer Donnerstag veröffentl­ichten Stellungna­hme von „Österreich“, wo es hieß: Behauptung, „Österreich“hätte für Umfragen Inserateng­elder erhalten, ist definitiv falsch. Wenn die WKStA behauptet, „Österreich“hätte in diesem Jahr (2018) Millionen an Inserateng­eld kassiert, so liegt eindeutig eine Verwechslu­ng mit der „Kronen Zeitung“vor.

Wie konnte das nur passieren? Typisch für die linken Zellen in der Justiz, den Unterschie­d von „Österreich“und „Krone“zu verkennen, wo es doch darum ginge, den steinigen Lebensweg des Kanzlers mit dem Feigenblat­t des Amtsgeheim­nisses zu verschöner­n.

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