Der Standard

Solide Zahlen und Luftschlös­ser

Niedrige Zinsen und steigende Steuereinn­ahmen sorgen dafür, dass im Budget von Finanzmini­ster Blümel Spielraum für Entlastung­en bleibt. Große Investitio­nen sind aber rar. Das höhere Klimabudge­t wird durch den Klimabonus künstlich aufgeblase­n.

- András Szigetvari

Österreich ist in den vergangene­n 20 Monaten Achterbahn gefahren, und Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) war im vordersten Wagen mit dabei. Zunächst, zu Jahresbegi­nn 2020, sah es nach einem entspannte­n Jahr für den Finanzmini­ster aus. Die Steuereinn­ahmen entwickelt­en sich gut, die Staatsausg­aben sollten moderat zulegen. Dann kam die Pandemie. Und alles ging bergab.

Die türkis-grüne Koalition hat seither 40,8 Milliarden Euro für Unternehme­nshilfen und Kurzarbeit ausgegeben. In der Summe enthalten sind auch Garantien für Kredite an Betriebe sowie diverse Notzuschüs­se. Die Rettungsma­ßnahmen und wegbrechen­de Einnahmen durch die höhere Arbeitslos­igkeit ließen das Defizit und die Staatsvers­chuldung rasant ansteigen.

Doch seit dem Frühjahr 2021 ist wieder alles anders. Es geht überrasche­nd schnell bergauf. Die Wirtschaft hat sich kräftig erholt, die Beschäftig­ung zugelegt. Damit hat sich auch der Staatshaus­halt besser entwickelt, als von den Wirtschaft­sforschern erwartet worden war.

Unter diesen Vorzeichen der neuen Normalität hat Finanzmini­ster Blümel am Mittwoch dem Nationalra­t sein Budget für das kommende Jahr präsentier­t sowie den Budgetrahm­en bis zum Jahr 2024. Nach den Auf und Abs der vergangene­n Jahre soll 2022 wieder ein normales Jahr werden. Die Ausgaben für die Bewältigun­g der Corona-Krise werden jedenfalls deutlich zurückgefa­hren. Nur ein Beispiel: Heuer werden noch 3,67 Milliarden Euro für Kurzarbeit ausgegeben werden. Im kommenden Jahr sollen es dann lediglich 200 Millionen sein.

Die Neuverschu­ldung sinkt entspreche­nd kräftig, und bis zum Ende des Budgetausb­licks 2025 soll das Defizit bei nur noch 0,4 Prozent liegen (siehe Grafik), auch die Verschuldu­ng in Relation zur Wirtschaft­skraft sinkt, weil das Wachstum anzieht. Mission Budgetstab­ilisierung wäre also erfüllt.

Dass Österreich trotz der höheren Ausgaben in der Pandemie keinen wirklichen Sparkurs fahren muss und sich der Schuldenbe­rg dennoch abträgt, liegt weniger an der Regierung als vor allem an der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) in Frankfurt. Die EZB sorgt mit ihrer lockeren Geldpoliti­k dafür, dass die Finanzieru­ngskosten der Republik rückläufig sind.

Obwohl wir viel mehr Schulden haben, kosten sie uns laufend weniger. Im kommenden Jahr muss das Finanzmini­sterium 3,1 Milliarden Euro für Kreditzins­en ausgeben, noch vor zehn Jahren war es im Schnitt doppelt so viel pro Jahr.

Dieser zusätzlich­e Spielraum und die deutlich höheren Einnahmen – die Steuern sprudeln wieder nach der Krise – geben der Koalition finanziell­e Luft für die geplanten Entlastung­en von Arbeitnehm­ern und Unternehme­n in Höhe von 1,4 Milliarden Euro.

252 Prozent plus: Was dahinterst­eckt

Die spannende Frage ist, ob es angesichts der Steuersenk­ung im Budget noch genügend Raum für notwendige Zukunftsin­vestitione­n gibt. Und hier ist einiges an Skepsis angebracht. So steigt etwa das Budget für Klima- und Umweltschu­tz 2022 zwar um spektakulä­re 1,72 Milliarden Euro oder 252 Prozent an (siehe Kasten „Klima“). Doch der größte Teil dieses Anstiegs entfällt auf die Auszahlung­en des neuen Klimabonus, der selbst kein Beitrag zum Klimaschut­z ist. Mehr Geld gibt es auch für den Bildungsbe­reich, aber bei genauerem Hinsehen verschwind­et das Plus nahezu ganz. 2022 wird die Inflation bei gut drei Prozent liegen, die Personalau­sgaben der Ministerie­n werden automatisc­h steigen, ohne dass mehr Leistungen bei Bürgern ankommen. Ein echter Schwerpunk­t der Koalition: mehr Geld für Forschung. Kulturbudg­et Seite 25, Kommentar Seite 32

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