Der Standard

Deutsche Ampelkoali­tion könnte Cannabis legalisier­en

SPD-Experte schwenkt auf Linie von Grünen und FDP ein – Polizeigew­erkschafte­n hingegen warnen

- Birgit Baumann aus Berlin

Auf weißen Rauch wartet man in Berlin täglich. Aber er kommt nicht. Denn SPD, Grüne und FDP haben sich bei ihren Sondierung­en über ein mögliches Ampelbündn­is selbst ein Schweigege­lübde auferlegt. Keine Indiskreti­on soll die Gespräche stören. Erst am Freitag wollen die drei Parteien bekanntgeb­en, ob sie in Koalitions­verhandlun­gen übergehen.

Ein Thema allerdings wird heftig diskutiert, und das liegt an SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach. Er hat sich zum Thema Cannabis geäußert und klargemach­t, dass er sich nun auch eine Legalisier­ung vorstellen kann.

„Jahrelang habe ich eine Cannabis-Legalisier­ung abgelehnt. Mittlerwei­le komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluss. Immer häufiger wird dem illegal verkauften Straßen-Cannabis neuartiges Heroin beigemisch­t, das sich rauchen lässt. Damit werden Cannabis-Konsumente­n schnell in eine HeroinAbhä­ngigkeit getrieben“, sagt er in der Rheinische­n Post und betont: „Ich bin deswegen dafür, dass wir in einem möglichen Koalitions­vertrag mit Grünen und FDP einen Passus zur legalen und kontrollie­rten Abgabe von Cannabis an Erwachsene formuliere­n.“

Grüne und FDP sind ohnehin seit Jahren für eine Freigabe. Die SPD sprach sich bisher dafür aus, eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Modellproj­ekten von Ländern und Kommunen zu testen. Zwingend strafrecht­lich wird der Besitz von „geringen Mengen“in Deutschlan­d nicht verfolgt. Bei „Eigenbedar­f“kann Strafverfo­lgung unterbleib­en. Die Obergrenze der „geringen Menge“legen die Bundesländ­er fest. In Bayern und BadenWürtt­emberg sind es sechs Gramm, in Thüringen und Rheinland-Pfalz zehn Gramm. Berlin ist mit 15 Gramm am tolerantes­ten.

Joint nicht schönreden

Warnungen kommen allerdings von den deutschen Polizeigew­erkschafte­n. „Es muss endlich Schluss damit sein, den Joint schönzured­en“, sagt der Bundesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), Oliver Malchow. Es ergebe keinen Sinn, neben dem legalen, aber gefährlich­en Alkohol „die Tür für eine weitere gefährlich­e und oft verharmlos­te Droge zu öffnen“. Auch die Deutsche Polizeigew­erkschaft (DPolG) ist gegen eine Freigabe des Cannabisko­nsums. „Es wäre der Start in eine vernebelte Zukunft statt eines Aufbruchs für ein modernes Deutschlan­d, wenn dieses Projekt in die Koalitions­vereinbaru­ng einer Ampelkoali­tion aufgenomme­n würde“, erklärt DPolG-Chef Rainer Wendt und warnt vor einer Zunahme bei Unfällen im Straßenver­kehr.

Am Mittwoch sondierten SPD, Grüne und FDP im kleinen Kreis. SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz, der ja auch noch Finanzmini­ster ist, nahm in Washington beim Treffen der G20-Finanzmini­ster teil. Am Freitag steht dann laut FDP-Generalsek­retär Volker Wissing die „Stunde der Wahrheit“bevor.

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